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Zwölf Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Generationen aus fünf Kontinenten tragen zu einem Gesamterlebnis zeitgenössischer Kunst bei. Die aufwändige Schau des Kunstmuseums Luzern knüpft an die erfolgreiche Tradition der thematischen Ausstellungen dieser Institution an, beispielsweise „Another World – Zwölf Bettgeschichten“ von 2002 oder „me & more“ von 2003. Entlang eines thematischen roten Fadens, der auch einem Laienpublikum den Zugang zur Gegenwartskunst erleichtert, reihen sich zwölf monographisch bespielte Ausstellungssäle aneinander und geben den einzelnen künstlerischen Positionen, ohne sie zu instrumentalisieren, je einen eigenständigen Umraum. Sämtliche künstlerischen Medien sind in unterschiedlichen Spielarten zu erleben. Viele der Arbeiten sind speziell für diese Ausstellung entstanden oder von den Künstlerinnen und Künstlern eigens dafür adaptiert worden.

Die Ausstellung handelt von Feuer, Erde, Wasser und Luft, vom Fliegen und Eintauchen, von schwarzen Schneewittchen und Rotkäppchen mit ihren Wölfen, von Bergen aus Reis, Blumenteppichen und Glaszauber, von Brücken, die überquert werden wollen und vor allem von Künstlerinnen und Künstlern, die produktiv mit Gegensätzen umgehen können.

Von der “Kunst des Verwandelns” zu sprechen kommt hinsichtlich der bildenden Kunst eigentlich einer Verdoppelung gleich, denn schon durch ihre bewusst eingesetzten Medien schliesst jede Kunst den Akt der Verwandlung ein, nämlich irgend einem Aspekt der Wirklichkeit eine neue Form zu verleihen. Darüber hinaus verfolgen viele Kunstschaffende ein spezifisches Interesse an transformatorischen Phänomenen. Ihre Werke beeinflussen unser Realitätsempfinden, sie eröffnen Passagen und neue Horizonte, sie arbeiten prozesshaft und zyklisch, analog zu den Kreisläufen, welche die Natur und das Leben bestimmen und erneuern.

Die menschliche Existenz besetzt eine Aussenwelt und eine Innenwelt, sie umfasst Bewusstes und Unbewusstes, sie wird geleitet von Intellekt und Emotionen, von Handlung und Reflexion. Zugleich ist sie Teil eines grösseren Ganzen, das unter anderem von den Elementen bestimmt wird. Diese sind materiell in Umwelt und Körper, als Prinzipien in Wesen und Geist vorhanden. Gelingt es einem Kunstwerk, diese Pole in Beziehung zueinander zu bringen, das Zusammenwirken der Elemente erlebbar zu machen, entstehen Momente der Konzentration, der Verwandlung, der Erkenntnis – magische Momente.

Das Museum als Ausstellungsraum ist per se ein Ort der Verwandlung. Es vermittelt zwischen der Kunst und der Öffentlichkeit, indem es die Kunst mit der alltäglichen Realität verbindet, bzw. sie spiegelt, es verschafft dem Publikum eine nachhaltige Erfahrung, baut Brücken, erschliesst Neuland.

Die Ausstellung a kind of magic beschreitet einen Weg durch die zeitgenössische Kunst, der zugleich ein Weg der individuellen Erfahrungen sein wird. Dieser Weg beginnt mit einem neuen, temporären Zugang zum Kunstmuseum über einen Nottreppenturm vor der prominenten Schauseite des Kultur- und Kongresszentrums Luzern (KKL), dem von Jean Nouvel erbauten architektonischen Wahrzeichen der Stadt Luzern. Dabei geht es nicht zuletzt darum, das Inseldasein des Kunstmuseums Luzern, welches die oberste Etage der multifunktionalen Kulturmaschine KKL besetzt, zu thematisieren und den Ausstellungsbesuchern zu ermöglichen, die Übergangszone, wo Aussen- und Innenraum sich berühren und wo zugleich ein beträchtlicher Höhenunterschied zu überwinden ist, bewusst zu erleben.

Die Ausstellungsdramaturgie im Museum selbst nutzt eine mäandrierende Folge von zwölf Räumen, die jeweils von einer Künstlerin oder einem Künstler bespielt werden und unterschiedliche Positionen und Stimmungen vermitteln.

Den Auftakt bildet die grosse Rauminstallation mit der Doppelprojektion The Crossing (1996) des amerikanischen Videokünstlers Bill Viola. In einer betörend ästhetischen Bildsprache bringt der Künstler die beiden entgegengesetzten Elemente Feuer und Wasser auf die zwei Seiten ein und derselben Leinwand und thematisiert neben dem zerstörerischen Potential der Naturgewalten zugleich deren reinigende Kraft und die Sehnsucht des Menschen, sich mit ihnen zu verbinden.

Einen experimentellen Spielraum stellt dann Carsten Höller zur Verfügung. Er setzt sich seit Jahren auf wissenschaftliche wie auf künstlerische Weise mit den Mechanismen des menschlichen Verhaltens und von Emotionen auseinander. In Luzern erfüllt er mit seinem Flugapparat (1996) den Besuchern der Ausstellung den ewigen Traum fliegen zu können und verleiht ihnen ungeahnte Glücksmomente.

Die farbige südafrikanische Künstlerin und Performerin Berni Searle exponiert den eigenen Körper als Träger von Identität und Bewusstsein. In verschiedenen Fotoarbeiten konfrontiert sie sein Veränderungspotential mit unserer Voreingenommenheit, während die eindrückliche ritualhafte Videoperformance Snow White (2002) auf komplexe Art und Weise von einer individuellen wie kollektiven Befindlichkeit, von Geschichte und Gegenwart, vom Erleiden und produktiv Tätigsein spricht.

Der Schweizer Künstler Stefan Banz spannt anschliessend einen Bogen zwischen den Philosophien und den sie nicht zuletzt prägenden Topographien von zwei unterschiedlichen Kulturen. Eine gigantische Skulptur aus Reis bildet einen der markantesten Viertausender der Alpen nach, La Dent Blanche, in den Raum gesetzt im meditativen Setting eines Zengartens.

Mit an Besessenheit grenzender Beharrlichkeit und Akribie sucht der chinesische Maler Xie Nanxing verborgene Wahrheiten realer Objekte zu ergründen. Mit drei grossformatigen Leinwänden stellt die Ausstellung seine ganze Produktion des Jahres 2004 vor. Die Serie von drei Gemälden ist das Resultat eines langen künstlerischen Prozesses, der das Wesen eines toten Hahns in seltsamst wunderschöne Gemälde transformiert.

Die amerikanische Künstlerin Kiki Smith, beim Luzerner Publikum durch ihre beunruhigende Marionettenfigur in der Ausstellung „me & more“ 2003 noch in bester Erinnerung, erzählt in zwölf fragilen Glasgemälden von der archetypischen und spannungsvollen Kraft, die dem Märchen vom Rotkäppchen innewohnt. Sie gibt der Geschichte eine unerwartete Wendung, indem sie die Mädchenbande und das Wolfsrudel gemeinsame Sache machen lässt.

Einem Alchemisten gleich sein Element zu zähmen und zu verwandeln macht die Kunst des Glasbläsers aus, die Dale Chihuly wie kaum einer vor ihm revolutioniert und perfektioniert hat. Jedwelche Formen und Farben fügen sich in der speziell für Luzern neu zusammengestellten Rauminstallation Mille Fiori zu einem Zaubergarten, der punkto Schönheit gleichsam mit der Natur konkurriert.

Die Performancekünstlerin Victorine Müller führt uns ein Krafttier vor. Die lebensgrosse, transparente Nachbildung eines Elefanten thematisiert das Objekt als Körper im Raum, den Körper als Lebensraum und die gegenseitige Durchdringung von innen und aussen.

Weiter trägt die in ihrer Heimat sehr bekannte australische Künstlerin Rosemary Laing mit zwei ihrer eindrücklichsten Fotoserien aus den Jahren 2001-2002 zur Ausstellung bei. Sie beschäftigen sich auf spektakuläre und zugleich behutsame Art mit dem australischen Land, der Landschaft und der Wechselwirkung von Kultur und Natur.

Dann wird Nicoletta Stadler in ihren Videoarbeiten eine Ahnung davon vermitteln, wie es ist, wenn die Kunst und das Leben, zwei vermeintlich unterschiedliche Realitäten, sich unmittelbar verbinden. Ihre Videoarbeiten handeln vom Kresich selbst darin einschreibt.

Vom anhaltenden Vermögen der Malerei, Ungesehenes zu visualisieren, zeugt das Lebenswerk der kürzlich im Alter von 92 Jahren verstorbenen amerikanischen Künstlerin Agnes Martin. Die Ausstellung ehrt sie in einer stillen Hommage mit einer Serie von acht meditativen Gemälden, die als Miniretrospektive die Zeitspanne von 1960-1999 umfassen.

Die Neonarbeit We’re gonna cross that bridge von Lori Hersberger wird die Ausstellung sinnfällig beschliessen und mit ihrer übersteigerten Pathosgeste die Besucherinnen und Besucher vielleicht wieder auf den Boden der Realität zurückbringen.

Ob die an dieser Ausstellung mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten „magisch“ nennen würden? Der Begriff findet breite Verwendung und seine gemeinläufige Assoziierung mit Zauberei, mit Unerklärlichem, mit Manipulation oder gar Destruktion gebietet Vorsicht in seinem Gebrauch. Wenn man unter Magie aber versteht, eine „Beziehung zwischen [...] inneren und äusseren Seinszuständen herzustellen“ (William G. Gray, 1969), und zur Herstellung solcher Beziehungen auch spezifische, gerichtete Techniken entwickelt, so lässt sich die Kunst vielleicht doch, beispielsweise neben der Praxis des Rituals, als a kind of magic – als irgendwie magisch – oder, sofern die Gerichtetheit fehlt, als der Magie verwandt bezeichnen. Ähnlich der Arbeit mit Symbolen setzt die Kunst auf Verdichtung und kommuniziert über die Sinne. Ein magischer Akt mündet in eine Transformation, eine wie auch immer geartete Umwandlung, die im besten Fall zu Erkenntnis führt.

Katalog: a kind of magic – The Art of Transforming / Die Kunst des Verwandelns, herausgegeben von Peter Fischer und Brigitt Bürgi, mit Texten von Peter Fischer und Sylvia Rüttimann und Fotografien von Nica Krauer. Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2005. 17.5 x 22 cm, Hardcover, 148 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen. ISBN 3-267-00149-8 . erscheint am 26. August

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