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Neuer Termin Eröffnung: Freitag, 12. Mai 2017, 19 Uhr

»Adrián Villar Rojas beschert uns mit The Theater of Disappearance zum 20-jährigen Jubiläum im Sommer eine der eindrücklichsten und aufwendigsten Ausstellungen der KUB Geschichte.«
Thomas D. Trummer

Das Erdgeschoss bietet der Ausstellung von Adrián Villar Rojas eine vollkommen leere Bühne. Sogar der von Peter Zumthor eingerichtete Kassentresen wurde für diese Ausstellung entfernt. Durch die Fenster strömt farbiges Licht. Auf dem Boden ist die enorme, unüberblickbare Vergrößerung eines Bildes ausgespannt. Die Darstellung des Gemäldes Madonna del Parto (1450–1475) von Piero della Francesca wurde in Argentinien handgefertigt. Sie zeigt Maria unter einem braun-samtenen Baldachin stehend, gerahmt von zwei Engeln, die das kostbare, mit Pelz gefütterte und mit Granatapfelmotiven bestickte Zierdach öffnen. Mit der rechten Hand berührt Maria den Schlitz an der Taille ihres vorn geknöpften blauen Kleids. Das berühmte Gemälde zeigt die schwangere Gottesmutter, deren Blick trotz ihres freudigen Zustands ernst und verloren wirkt.

Adrián Villar Rojas arbeitet in größten Dimensionen. Seine Ausstellung hat bereits jetzt ihren gesicherten Platz in der großen Geschichte des Kunsthaus Bregenz. Selten wurden derart viele Materialien verarbeitet, selten so massiv Ressourcen in Anspruch genommen. Für das Kunsthaus Bregenz entwirft der Künstler einen vierteiligen Zyklus, eine Passage durch die Geschichte der menschlichen Kultur von ihrer Entstehung (Erdgeschoss) bis zu ihrer fragwürdigen Apotheose (3. Obergeschoss). Adrián Villar Rojas verwandelt das Kunsthaus Bregenz in einen Betonbunker, in dem die Kunstgegenstände letztlich gerettet werden.

Der 1980 in Rosario in Argentinien geborene Villar Rojas wurde durch ortsspezifische Arbeiten bekannt. Bei der Bienal del Fin del Mundo 2009 in Patagonien ist ein steinerner Wal in einem Wald gestrandet. Die herabfallenden Blätter färben die Skulptur im rauen Herbstwetter rostrot. Erschütternd ist der Eindruck, einen vernarbten Zeugen aus dem Ozean an einem verlassenen Ort im äußersten Süden der Welt vorzufinden. Für die Biennale in Venedig errichtet Villar Rojas 2011 einen Wald aus steinernen Geschöpfen, die wie Säulen bis an die Decke reichen. Menschen müssen sich ihren Weg zwischen diesen surrealen Gebilden bahnen, die halb Knochen, halb monströse Maschinen darstellen. Villar Rojas schafft fantastische Landschaften, die assoziativ in die Tiefen der Evolution hinabtauchen. Er denkt in erdgeschichtlichen Zeitaltern, Urgeschichte und fernste Zukunft werden in seinen düsteren Raumbildern einander ähnlich.

Das erste Geschoss des Kunsthaus Bregenz ist verdunkelt. Von der Decke hängen Pflanzen. Die gesamte Bodenfläche ist mit braunen Marmorplatten bedeckt. Die versteinerten Fossilien in den Platten wurden sorgfältig in Handarbeit freigelegt und sichtbar gemacht; rundliche Schneckenformen von Ammoniten sind zu erkennen, daneben langstielige Urwesen und Planktontiere. Manche Platten sind blockhaft zurechtgeschnitten, andere wirken wie leere Altäre oder Fundamente einer Ausgrabungsstelle. Zuweilen sind Steine geborsten oder weisen Kerben auf. Befinden wir uns an einer uralten Kultstätte, in einem Zeitalter am Ursprung des Menschen, in einem Kellerraum seines tragischen Seins?

Adrián Villar Rojas wurde 1980 in Rosario, Argentinien, geboren. Er studierte an der Escuela de Bellas Artes in Rosario und war Stipendiat an der Clínica de Artes Visuales in Buenos Aires. Villar Rojas lebt und arbeitet in Rosario. Rojas? Einzelausstellungen aus jüngster Zeit waren unter anderem Rinascimento, Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin (2015); Two Suns, Marian Goodman Gallery, New York (2015); Fantasma, Moderna Museet, Stockholm (2015); Films Before Revolution, Museum Haus Konstruktiv, Zürich (2013), und Poems for Earthlings, SAM Art Projects, Jardin des Tuileries, Paris (2011). Villar Rojas hat Argentinien 2011 auf der 54. Biennale di Venezia vertreten, war 2012 auf der dOCUMENTA (13) in Kassel und Teilnehmer der Istanbul Biennial 2015. Adrián Villar Rojas erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den von der Sharjah Art Foundation verliehenen Sharjah Biennial Prize (2015) oder den Zurich Art Prize des Museum Haus Konstruktiv (2013).