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Dank der Leihgaben aus vielen internationalen privaten und öffentlichen Sammlungen können wir die Werkentwicklung Jawlenskys in einzigartiger Weise vorstellen. Neben vielen Hauptwerken Jawlenskys zeigen wir auch Arbeiten befreundeter Künstler, Werke von Paul Klee, Gabriele Münter, Lyonel Feininger, Adolf Erbslöh, Marianne von Werefkin und Karl Schmidt-Rottluff.

In einer ersten Begleitveranstaltung wird sich Dr. Gottlieb Leinz mit einem zentralen Thema von Jawlenskys Werk befassen, mit seinen Köpfen. Der Vortrag titelt: „Jawlenskys expressive Köpfe. Vom Abbild zum Urbild“ und trifft damit genau ins Zentrum des künstlerischen Schaffens.

Nach den exakt gearbeiteten Studien an der Petersburger Akademie findet Jawlensky schnell zu seinem wichtigsten Thema, dem Porträt. Zunächst, noch in München, verarbeitet er die Einflüsse der französischen Malerei, experimentiert mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin in Murnau. Er malt vor der Natur, abstrahiert Figuren und Farben und gebraucht das menschliche Gesicht als Vorwand seiner Suche nach einem göttlichen Prinzip. Sein Ziel ist die Suche nach dem Antlitz, nach einem göttlichen Prinzip, welches sich im Menschen offenbart. Der Vortrag beschreibt das Kernthema von Jawlenskys Werk.

Dr. Gottlieb Leinz wurde durch zahlreiche Publikationen zur Kunst des 20. Jahrhunderts bekannt. Er arbeitet als freieschaffender Autor und Kurator in Essen. Dr. Leinz gehört seit vielen Jahren zum wissenschaftlichen Beirat des Jawlensky-Archives in Locarno und veröffentlichte zahlreiche Texte über das Werk Alexej von Jawlenskys und seiner Zeitgenossen.

Alexej von Jawlensky gehört zu den bedeutendsten Künstlern der klassischen Moderne. Seine Werke gelten wegen ihrer Ausdruckskraft und der leuchtenden Farben zu den Höhepunkten vieler internationaler Sammlungen.

Alexej von Jawlensky wurde am 13. März 1864 als fünftes Kind einer Familie, die dem russischen Erbadel angehörte, in Torschok (Russland) geboren. Er studierte an der Kunstakademie in Sankt Petersburg und ging 1896 mit der Malerin Marianne von Werefkin nach München. Dort besuchte er die Kunstschule von Anton Ažbe, in der er 1897 Wassily Kandinsky kennen lernte. Beeinflusst von Künstlern wie Paul Cézanne, Paul Gauguin, Vincent van Gogh und Henry Matisse entwickelte er seinen expressionistischen Stil mit einfachen Formen, starker Ausdruckskraft und leuchtenden Farben. 1908 malte er mit Werefkin, Kandinsky und Münter in Murnau am Staffelsee und war Mitbegründer der Neuen Künstlervereinigung München. 1912 schloss er sich der von Kandinsky und Marc gegründeten Arbeitsgemeinschaft Der Blaue Reiter an. Er schloss enge Freundschaften mit den von ihm bewunderten Kollegen Paul Klee und Emil Nolde und malte seine leuchtenden Porträts, die heute zu den Meisterwerken der Kunst im 20. Jahrhundert zählen.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs musste Jawlensky Deutschland innerhalb von 48 Stunden verlassen. Er lebte am Genfer See, in Zürich und Ascona und entwickelte dort verschiedene serielle Motive, dieimmer das menschliche (oder göttliche) Antlitz um Thema haben. 1920 kehrte er nach Deutschland zurück, lehnte eine Berufung ans Bauhaus ab und zog nach Wiesbaden. Auf Initiative Galka Scheyers verband er sich 1924 mit Kandinsky, Klee und Feininger in der Aktionsgemeinschaft Die Blauen Vier, deren erste Ausstellung in San Francisco stattfand. 1927 traten die ersten Symptome einer schweren Arthritis (Gelenkentzündung) auf. Die Nationalsozialisten belegten ihn 1933 mit Malverbot und beschlagnahmten seine Bilder in der Aktion „Entartete Kunst“. Jawlensky verstarb 1941 nach schmerzvollen Jahren vollkommen verarmt in Wiesbaden.

Der frühere Jenaer Kunstverein, einer der zentralen Orte der klassischen Moderne, präsentierte Werke von Jawlensky in mehreren Ausstel­lungen zwischen 1912 und 1928. Anlässlich der großen, von Emmy Galka Scheyer organisierten Ausstellung, die 1922 in Jena stattfand, war in der Presse zu lesen: „Jawlensky gehört zu den Bahnbrechern und Wegbereitern der neuen Kunst, die den Impressionismus ablöste“. Man zählte ihn bereits damals zu jenen Künstlern, deren Werk „von grundlegender Bedeutung für die Kunst unserer Zeit geworden ist“.

Uraufführungen & Vortrag

Dienstag, 16. Oktober, 19 Uhr, Rathaus Jena Tutto dentro Musikalische und choreografische Interpretation zu Werken Alexej von Jawlenskys Tanztheater Teatrodanza Tiziana Arnaboldi, Locarno Mit einer Einführung von Angelica Jawlensky Bianconi

Mittwoch, 17. Oktober, 19 Uhr, Veranstaltungsraum Kunstsammlung Jena Tutto dentro Musikalische und choreografische Interpretation zu Werken Alexej von Jawlenskys Tanztheater Teatrodanza Tiziana Arnaboldi, Locarno & Vortrag „Alexej von Jawlensky. Leben & Werk“ Angelica Jawlensky Bianconi

Das Tanztheater Tiziana Arnaboldi (Locarno) widmet sich seit Jahren dem experimentellen Ausdruckstanz und konnte zahlreiche internationale Preise und andere Erfolge verbuchen. Dank der engen Beziehung der Familie Jawlensky und einer Förderung durch Pro Helvetia ist es möglich geworden, das Tanttheater für die Bilder Jawlenskys zu begeistern. Hiermit knüpft das Tanztheater an eine Tradition der klassischen Moderne an, als Jawlensky (und Kandinsky) gemeinsam mit dem Komponisten Thomas von Hartmann und dem Tänzer Alexander Sacharoff die Synergien zwischen Malerei, Musik und Tanz erforschten und im kreativen Miteinander ausprobierten. Dabei spielte Hartmann am Klavier, Sacharoff tanzte die Töne und Jawlensky malte diese. Das Gemälde „Gelber Klang“ – ausgestellt in Jena – ist ein schönes Beispiel dieses experimentellen Miteinanders, das später oft beschrieben wurde und Basis vieler theoretischer Abhandlungen wurde. Die Sitzungen der beteiligten Künstler fanden meist im Atelier Jawlenskys (oder im Salon von Marianne von Werefkin) in der Münchner Giselastraße in den Jahren um 1910 statt und wurden legendär. Das Tanztheater Tiziana Arnaboldi hat sich verschiedene Gemälde Jawlenskys hergenommen und daraus eine Choreografie entwickelt, die zur Basis des Abends wird. Im Mittelpunkt stehen dabei die „Variationen“, eine Serie von Bildern, die Jawlensky ab 1914, nach seiner in Folge des Ersten Weltkrieges erzwungenen Vertreibung aus Deutschland malte und die mit nahezu 300 Werken immer wieder um ein landschaftliches Thema kreist. Bereits der Titel der Serie ist dicht bei der Musik. Jawlensky nennt diese Folge auch „Lieder ohne Worte“ und schreibt später in seinen Lebenserinnerungen: „Ich fing an, meine sogenannten Variationen über ein landschaftliches Thema, die ich vom Fenster sah, zu malen. Und das waren ein paar Bäume, ein Weg und der Himmel. Ich fing an, etwas zu malen, um mit Farben auszudrücken, was mir die Natur soufflierte. In harter Arbeit und mit größter Spannung fand ich nach und nach die richtigen Farben und Formen, um auszudrücken, was mein geistiges Ich verlangte. Jeden Tag malte ich diese farbigen Variationen, immer inspiriert von der jeweiligen Naturstimmung zusammen mit meinem Geist.“ Die Gemälde werden abstrakter und der Weg zur Verschmelzung von Objekt und Raum ist frei, nachdem sich Jawlensky auch von der Existenz einer Horizontlinie verabschiedet hat. Nun bleibt einzig die Schwerkraft als ordnendes Prinzip erhalten und er realisiert das, was schon lange in ihm wächst: Ein Bildprogramm, das, unabhängig von der Realität, nur allein der inneren Anschauung verpflichtet ist.

Die Uraufführung findet am Dienstag, 16.10., 19 Uhr im Jenaer Rathaussaal statt. Neben dem Tanz werden die Gemälde Jawlenskys auf die Wand projiziert und von der Enkelin des Malers, Angelica Jawlensky Bianconi, einführend kommentiert. Beteiligt sind: Mimmo Prisco (Musik), Luciano Zampar (Musik), Tiziana Arnaboldi (Tanz). Eleonora Chiocchini (Tanz) und Laure Barras (Tanz).

Am Mittwoch 17.10., 19 Uhr wird die Veranstaltung - in choreografisch etwas anderer Form - im Veranstaltungsraum des Museums aufgeführt. Nach dem Tanz hält Angelica Jawlensky Bianconi einen Vortrag über Leben & Werk Ihres Großvater Alexej von Jawlensky.

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„Ich arbeite für mich, nur für mich und meinen Gott.“
Alexej von Jawlensky
Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen
Retrospek­tive
Kuratoren: Angelica Jawlensky Bianconi, Erik Stephan

Künstler: Alexej von Jawlensky
& Adolf Erbslöh, Lyonel Feininger, Paul Klee, Gabriele Münter, Karl Schmidt-Rottluff, Marianne von Werefkin