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Alois Mosbacher und Lorenz Estermann in der Galerie Gölles

Mit Alois Mosbacher und Lorenz Estermann zeigt die Galerie Gölles zwei Positionen, die sich auf unterschiedliche Weise mit grundsätzlichen Themen der Kunst und der menschlichen Existenz beschäftigen. Mosbacher zeigt den Menschen in Bezug auf die Natur als einen, der sich Platz verschafft und auf einfachste Weise gestaltend in die scheinbare Unberührtheit eingreift. Es sind die ersten Schritte, die der Mensch setzt, wenn er sich in der Wildnis Bäume und Sträucher zurichtet, um sie zu nutzen. Es ist die vermittelte Realität der Wildnis und des unberührten Lebensraums, den Mosbacher hier malerisch umsetzt. Von der Fiktion geleitet agiert der Mensch in der Natur als Rollenspieler und baut Hütten bzw. nutzt die als Wildnis begriffene Umwelt als Bühne für Imaginationen. Das Freizeitverhalten lässt den Menschen auf vielfache Weise zum Performer im eigenen Lebensraum werden. Dem Spieltrieb folgend greifen wir in solchen Situationen auf unsere eigene Geschichte und Herkunft zurück, werden kreativ und scheinen den Zivilisationsprozess auf subjektive Weise wiederholen zu wollen. Der grundsätzliche Wunsch nach Unberührtheit und Ursprünglichkeit ist ein in der Malereigeschichte schon seit langem und häufig verwendeter Topos. War es davor die romantische Idealisierung, so ist es jetzt die kritische Auseinandersetzung im Umgang mit der Natur im Allgemeinen, sowie die Darstellung unserer Umgebung als Aktionsraum der zum Hintergrund bzw. zur Bühne unserer Handlungen wird. Wenn man die Macht der Bilder heute als selbstverständliches Phänomen voraussetzt, so wird die Malerei hier zum Instrument der Bildwerdung unserer Lebensbedingungen. Nicht nur in der Ausbeutung der Natur liegt das Bemühen des Menschen, sondern auch in der permanenten Gestaltung ihres Erscheinungsbildes und ihrer Funktionsweisen wird der Ehrgeiz des Menschen sichtbar. Die Transformation derartiger Prozesse ins Medium Malerei führt zu einer Überhöhung des Dargestellten und verleiht ihm dadurch eine Form von Realität. Mosbacher greift über das Medium der Malerei in das Gefüge ein. Er zeigt damit die Künstlichkeit des menschlichen Begehrens in Bezug zur Natur auf. Verhaltensformen werden im Kontext der Kunst zu Hybridformen – Paint Ball Aktivitäten sind plötzlich als Ausdruck performativer Malerei zu sehen. Mosbachers Sicht auf die Natur ist eine unromantische. Er scheint den Menschen in einer ambivalenten Lage, zwischen Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und Willen zum Gestalten, zu begreifen.

Lorenz Estermann beschäftigt sich im Vergleich zu Mosbacher noch expliziter mit dem menschlichen Gestaltungswillen und siedelt seine Kunst zwischen Architektur, Plastik und Malerei an. Es sind Modelle von imaginären Architekturen, die Estermann zunächst aufgreift und modellartig in unterschiedlichen Materialien (Holz, Metall, Karton, etc.) umsetzt. Er bemalt sie auf für die Architektur unübliche Weise, wodurch sie eher zu dreidimensionalen Gemälden werden. Auch ihre Funktionslosigkeit – würde man sie sich in entsprechender Dimension vorstellen – ist gestört, wodurch sie zu skulpturalen Gebilden werden. Wie soll ein Haus aussehen und wie dagegen eine Skulptur? Man sollte in das eine hineingehen können und sollte die andere umschreiten können – zumindest ist so die herkömmliche Vorstellung. Die Kunstentwicklung seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts im Schatten der Avantgarde zeigt uns aber, dass dem nicht so sein muss. Objektkunst und visionäre Überlegungen innerhalb der Architektur haben die Codes verschoben und lassen andere Realitätsformen zu. Das Modell wird bei Estermann mit dem Bild gleichgesetzt. Die Modelle, wie die Bilder sind Vehikel der Einbildungskraft, die zum Teil Metaphoriken entstammen, die sich tief in den Betrachtern und ihrer Erfahrungswelt niedergeschlagen haben. Das Exemplarische des Modells erschließt etwas ansonsten Unzugängliches. Das Modell liefert Maßstäbe und Beweisgründe, ermöglicht Orientierung und Analogien. Dem Laien ermöglicht es darüber hinaus Fassbarkeit, es bietet Anschlüsse an ein üblicherweise nahezu verschlossenes Wissen. Im Modell wird eine Ressource des Menschen angesprochen, die der Realität auf Dauer standhalten kann: seine Phantasie. Estermanns dreidimensionale Gebilde, die er auch in collageartigen Bildern umsetzt, lassen den Betrachter genau in diese Zwischenräume blicken, die jenseits der Kategoriesierungen von Kunst existieren. Wir kennen alles die auf Halden abgestellten Telefonzellen, die Wartehäuschen und temporären Zweckarchitekturen im Gewerbebau, die teilweise in den schrillsten Farben bemalt sind. Einem Gedanken der „Realkunst“ folgend, wird somit zufällig Gesehenes in der Kunst inhaltlich neubesetzt. Die Kunst hat die Möglichkeit nach der Semantik des Gesehenen zu fragen und dadurch Deutungsversuche zu unternehmen. Im Fall von Lorenz Estermann kann man sich nun fragen, wo seine Kunst angesiedelt ist. Er zeigt uns die Übergänge von einer zur anderen Disposition – von der Malerei zur Skulptur und weiter zur Architektur.

Beide Alois Mosbacher und Lorenz Estermann, scheinen die Kunst als Möglichkeitsform anzusehen, Realität zu begreifen und damit auch ein Instrumentarium zu deren Deutung anzubieten.

Günther Holler-Schuster

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Alois Mosbacher / Lorenz Estermann
Kurator: Günther Holler-Schuster