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Sonderausstellung Pathetischer Betrug

Das Ausstellungsprojekt „Pathetischer Betrug“ basiert auf Widersprüchen und falschen Übersetzungen. Der englische Begriff „Pathetic Fallacy“ kennt allerdings keine „richtige“ Übertragung ins Deutsche und wird lexikalisch mit „Vermenschlichung der Natur“ nur umschrieben. Falschen Übersetzungen unterliegt aber vor allem der Begriff „Romantik“ - weniger in etymologischer Hinsicht, als daß er beliebig in neue Kontexte übertragen wird. Mit der historischen Epoche der Romantik hat die heutige Verwendung des Begriffs selten zu tun. „Romantisch“ ist, was sich irgendwie mit Gefühlsinhalten besetzen läßt, vom Sonnenuntergang bis zur stimmungsvollen Ballade.

Romantik und Schönheit sind „in“. Unsere Liebe zu Widersprüchen folgt diesem Trend, indem wir eine Ausstellung anbieten, die aktuelle Kunst unter dem Label Romantik versammelt. Dabei behaupten wir, daß es eine „neue“ Romantik gar nicht gibt. Die Moderne gilt weithin als „unromantisch“, als feindlich gegenüber dem Bedürfnis nach Schönheit und nach dem Erzählerischen. Aber ist die Moderne, die bis heute derart beschworen wird, nicht eine posthume Verkürzung? Es handelt sich um das teleologische Gerippe des „Modernismus“, der mit der Auflösung des Gegenstands im Impressionismus begann und linear auf die anti-illusionistische, gestisch bearbeitete und schließlich ganz monochrome Bildfläche zulief. In dieses Schema passen schon Expressionismus und Surrealismus kaum hinein, und die Kämpfe gegen modernistische Dogmen sind in der sogenannten Postmoderne ausgiebig ausgefochten worden. Stile und Ausdrucksmittel, die in der Moderne verpönt waren, wurden gleichsam in Anführungsstrichen wieder zugelassen.

1993 bekannte der Maler Peter Duka, „die Dinge, die einem modernen Künstler verboten sind, z. B. zu fliehen oder sich selber Trost zu schaffen in Bildern“, hätten ihn gereizt. Aber war es wirklich noch der „moderne“ Künstler, dem diese Dinge verboten waren, oder nicht vielmehr der politisch und sozial bewußt agierende, ästhetisch an die spröde Didaktik einiger früher Vertreter der Concept Art anknüpfende „Kontextkünstler“ der neunziger Jahre, der die hedonistisch-zynischen Maler der Achtziger als diskursives Leitbild abgelöst hatte?

Neben der Romantik soll die Moderne auch die Schönheit verpönt haben. Doch kein Geringerer als Wassily Kandinsky folgte noch 1911 dem Schönheitsbegriff, den die Romantiker den antiken Idealen des Klassizismus entgegengesetzt hatten, und proklamierte, es sei „schön, was einer inneren seelischen Notwendigkeit entspricht“. Kandinskys Aussage hätte prinzipiell wohl auch John Ruskin zugestimmt, der große englische Kunstschriftsteller des 19. Jahrhunderts. Ruskin stand der Romantik jedoch auch kritisch gegenüber, genauer gesagt der Tendenz, eigene Gefühle in die äußere Natur zu projizieren. Das zwölfte Kapitel des dritten, 1956 erschienenen Bandes seiner „Modern Painters“ enthält Ruskins kritische Ausführungen zur „Pathetic Fallacy“, die uns zum Titel der Ausstellung inspiriert haben. Starke Gefühle bedürfen adäquater Metaphern, die auch aus der Natur stammen können. Die Natur selbst unterliegt dabei jedoch einer Fehlwahrnehmung.

Daß ein Sehen ohne Wissen möglich sei, gehört zu den größten „fallacies“, denen Kunst und Kunsttheorie jemals unterlegen sind. „Deuten“ und „visuelles Erfassen“ der äußeren Welt standen in der historischen Romantik gleichermaßen intensiv nebeneinander. Ihre faszinierende Komplexität ist geprägt von schwärmerischer Natursehnsucht und akribischer wissenschaftlicher Beobachtung, von mystischer Versenkung und erzählerischer Detailfreude. Ein herausragender Zug, der die Kunst um 1800 prägt, ist das Ausloten der Darstellbarkeit emotionaler Zustände durch unterschiedlichste Materialqualitäten. Jeder Versuch, sich „neu“ auf die Romantik, die Zeit um 1800, zu beziehen, steht vor der Frage, ob die historische Romantik nicht schon weit vielschichtigere Facetten offenbart als die Phänomene, die nun 200 Jahre später eine Differenzqualität zu bestehenden Trends und Diskursen markieren sollen.

Einem reduktionistischen Bild der Moderne, dessen längst veraltetes Verbotsregister auch den harmlosesten gegenständlichen Bildwelten die Aura der Befreiung von jahrzehntelanger Unterjochung verleihen soll, hat Robert Rosenblum schon vor 30 Jahren die Kontinuität einer „romantischen“ Tradition entgegengehalten, die von 1800 bis zum Abstrakten Expressionismus, von Caspar David Friedrich bis zu Mark Rothko reicht. Ein Interesse an der Kunst um 1800 ist in den letzten 40 Jahren kontinuierlich auszumachen, und so verwundert es kaum, wenn sogar in der scheinbar unromantischen Konzeptkunst eine romantische Tradition aufgezeigt wird.

Die Ausstellung „Pathetischer Betrug“ stellt Werke zeitgenössischer Künstler vor, die sich von Verdikten à la Ruskin nicht beirren lassen und Räume der Fiktion eröffnen, die Inspirationen aus der europäischen Kunstgeschichte schöpfen und auch keine Scheu haben, in Bildern Geschichten zu erzählen. Neben dem narrativen Potential stehen Auflösungen und Verdichtungen, Kreisläufe und Metamorphosen, Meere und Wälder, hermetische Universen und akribische Naturbeobachtungen für unterschiedliche Versuche, der Komplexität der heutigen, von der selbstverständlichen Nutzung auch digitaler Bildmedien geprägten Zeit mit einer neuen „Natürlichkeit“ zu begegnen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (dt./engl.).

Art Frankfurt Preis

Der diesjährige Art Frankfurt Preis wird anlässlich der 17. Art Frankfurt an den Kölnischen Kunstverein zu Köln verliehen. Die Messe Frankfurt würdigt mit der Auszeichnung die engagierte, innovative Arbeit dieses Kunstvereins. Dem Kölnischen Kunstverein gelinge es, mit seinen Aktivitäten, innerhalb eines dichten, umfangreichen Kunst- und Kulturangebots Stellung zu beziehen, in der Kölner Kunstszene durchaus gehört zu werden und als Impulsgeber zu fungieren, begründete die Jury ihre Entscheidung auf der Sitzung im Januar in Frankfurt am Main. Der Preis ist mit 13.000 Euro dotiert.

"Auch in Zeiten des Umbruchs schafft es der Kölnische Kunstverein, einer der ältesten Kunstvereine Deutschlands, ein nicht nur klar strukturiertes und qualitativ hochwertiges Programm mit aktueller Akzentsetzung zu zeigen, sondern dies auch mit entsprechenden Informationen zu flankieren, die zeitgenössische Kunstformen einem breiten, interessierten Publikum zugänglich machen", so Prof. Dr. Klaus Gallwitz, Sprecher der Jury. Der Preis soll es dem Verein ermöglichen, neue Projekte nach vorne schauend zu erproben. "Uns hat zudem überzeugt, wie sehr sich der Kunstverein für die Arbeits- und Lebenssituation junger KünstlerInnen stark macht, in dem er z.B. Ateliers innerhalb seiner neuen Räumlichkeiten bereitstellt", fährt Gallwitz fort. Darüber hinaus hält die Jury die interdisziplinäre des Ausrichtung des Kunstvereins für sehr wichtig. Der Kunstverein zeige sich mit seinen Aktivitäten in der Gegenwart offen für Innovationen, wie z.B. Kunst als mögliche Sprache in Verbindung mit anderen Institutionen einzusetzen und damit am Puls der Zeit.

Im Rahmen der Eröffnung der 17. Art Frankfurt am 28. April 2005 um 18 Uhr wird der Preis durch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth verliehen. Die Laudatio auf den Kölnischen Kunstverein wird die Preisträgerin des Vorjahres Sarah Zürcher, Direktorin der Kunsthalle Fri-Art, Fribourg (Schweiz) halten.

Ziel der Art Frankfurt ist es, Kunstvereine als Impulsgeber für die Gegenwartskunst zielgerichtet und nachhaltig zu unterstützen. "Kunstvereine sind wichtige Orte für kunstvermittlerische Basisarbeit – Orte intensiver Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst. Die meisten Kunstvereine geben primär aktuellen, nicht abgesicherten künstlerischen Positionen breiten Raum. Dass die Art Frankfurt mit ihrem ebenfalls jungen Schwerpunkt Kunstvereine fördert, liegt daher auf der Hand," erläutert Marianne El Hariri, Objektleiterin der Art Frankfurt. Die Dotation des Art Frankfurt Preises in Höhe von 13.000 Euro ist nicht an gezielte Projekte gebunden und ermöglicht den Preisträgern bedarfsgebunden über den Einsatz zu verfügen.

Pressetext

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17. Art Frankfurt 2005 - Messe für junge Kunst

Sonderausstellung:
Pathetischer Betrug - Romantische Atmosphären und Aggregatzustände
Kuratoren: Ludwig Seyfarth, Nina Koidl

mit Christoph Bannat, Rebekka Brunke, Peter Duka (Bittermann & Duka), Nathalie Grenzhaeuser, Beate Gütschow, Peter Heber, Jochem Hendricks, Achim Hoops, Uwe Kowski, Michael Kunze, Thomas Locher, Sebastian Ludwig, Julia Oschatz, Anke Röhrscheid, Corinna Schnitt, Studer / van den Berg, Markus Vater, John von Bergen, Heike Weber

Kölnischer Kunstverein wird mit dem Art Frankfurt Preis 2005 ausgezeichnet (14.02.2005)