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BIN BESCHÄFTIGT

mit Francis Alÿs, John Baldessari, Alice Creischer / Andreas Siekmann, Josef Dabernig, Matthias Klos, Aernout Mik, Jean-Luc Moulene, Adrian Paci, Danica Phelps, Reinigungsgesellschaft , Antje Schiffers, Corinna Schnitt, Markus Seidl / Elisabeth Schimana, Ingo Vetter, Annette Weisser ...

Kuratorin: Gabriele Mackert

„Leben ohne Arbeit“, schreibt der Psychoanalytiker Sigmund Freud, „kann ich mir nicht recht behaglich vorstellen. Fantasieren und arbeiten fällt für mich zusammen, ich amüsiere mich bei nichts anderem.“ Ne travaillez jamais – Arbeit? Niemals!, dieser den Situationisten zugeschriebene Slogan umschrieb hingegen vor über 50 Jahren das „wirklich revolutionäre Problem“, nämlich die Freizeit. Die Gründungsmitglieder der französischen Situationisten wussten, wovon sie sprachen: „Da wir einige Jahre buchstäblich mit dem Nichtstun verbracht haben, dürfen wir unsere soziale Einstellung als avantgardistisch bezeichnen. Denn in einer einstweilen immer noch auf Arbeit basierenden Gesellschaft haben wir ernsthaft versucht, uns ausschließlich der Freizeit zu widmen.“

Was ist Arbeit? Beruf, Karriere und vielleicht Selbstverwirklichung sind auch heute unumstößliche und gleichzeitig brüchig werdende Modelle, die jedoch auf einem gemeinsamen Prinzip aufbauen: Arbeit wird als sichtbare, in Kapital umsetzbare Produktivität begriffen. Und was ist das Gegenteil von dieser Arbeit? Dem stehen Nichtstun, Muße oder auch selbst bestimmte Tätigkeit, alltägliche Beschäftigungen, notwendige, sinnlose oder selbst gewählte Betätigungen anscheinend unvereinbar gegenüber. Sind sie in kauf genommenes Beiwerk der Effektivität, Keimzelle von Identitätsbildung, notwendiges Übel zur Regeneration des Eigentlichen –sprich der Arbeitsfähigkeit- oder das paradiesische Reich der Freiheit? Ist ungezielte Aktivität auch (notwendige) Arbeit oder schleichende Entgrenzung von Arbeit, latente permanente Produktivität? Was bedeutet Nichtstun in einer Welt der Professionalisierung? Die Vorstellung vom Künstler als personifiziertem Müßiggang hat sich bis heute bewahrt. Das Bild des autonomen Künstlers im einsamen Atelier gehört jedoch einer romantischbürgerlichen Vergangenheit an. Künstler werden zunehmend zu Grenzgängern zwischen den beiden Polen Arbeit und Muße. Sie sind typische „Individualunternehmer“, also Selbstausbeuter. Sie sind sich selbst Ideen-Pool, Produzenten und PR-Agenten in einer Person. So verkörpern sie den Prototyp des neuen Arbeitnehmers, der Schritt für Schritt das traditionelle Bild vom Erwerbsarbeiter ablöst. In der Neukonzeption von Arbeit löst sich diese zunehmend im Begriff der Kreativität auf. Hierarchien verschwinden zugunsten von verantwortlicher Selbstorganisation. Wohin führt die Entdeckung dieses durchaus problematischen Modells künstlerischer Lebensführung für eine moderne Dienstleistungsgesellschaft?

Die Ausstellung greift sowohl Diskussionen um die Begriffe Arbeit und Freizeit und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Bewertungen auf, wie sie diese auch aus der Perspektive der Kunst heraus problematisiert. Das Spannungsfeld der künstlerischen Projekte beginnt mit John Baldessaris Statement „I’m making art“ aus dem Jahre 1971, der von der Keimzelle der künstlerischen Frage im Atelier ausgeht: In welchem Verhältnis stehen Handeln und Produkt.

Kuratorin: Gabriele Mackert

Begleitende Veranstaltungen und Filmabend geplant mit: Adrienne Göhler, Berlin, Dr. Gerburg Treusch-Dieter, Berlin, Dr. Ramon Reichert, Wien/Linz, Christoph Speer, Bremen u.a.

Das Ausstellungsprojekt ist eine Kooperation mit der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen und wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.