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Boris Mikhailov zählt zu den bedeutenden Fotografen unserer Zeit. 2000 erhielt er den Hasselblad Award, den internationalen Preis für zeitgenössische Fotografie. Dieses Jahr vertritt er die Ukraine auf der Biennale in Venedig.

Seit den Sechziger Jahren entwickelt er einen Bilderkosmos, der eindringlich vom Leben der einfachen Menschen im kommunistischen Russland erzählt. Fotografie war damals an strenge Regeln und Kontrollen gebunden. Boris Mikhailov wendet sich gegen diese Vorschriften und richtet seine Kamera auf das Private und Persönliche, das Leben seiner Freunde und Bekannten, Sexualität und den schleichenden Verfall seiner Heimatstadt Kharkov.

Fast vier Jahrzehnte nach ihrer Entstehung präsentieren wir in unserer Ausstellung die Serie Sandwich. In den späten sechziger und siebziger Jahren entstanden, steht sie für die poetische Seite seines konzeptuellen Frühwerks.

Die Überblendung von Motiven führt zu inhaltlicher Vieldeutigkeit, in der sich ironische Anspielungen auf Nahrungsmittelknappheit, die triste Wohnsituation oder der Wunsch nach einem eigenen Automobil ebenso verbergen wie die tabuisierte Darstellung von Nacktheit und Sexualität. Er bildet das Leben der Menschen nicht nur ab, sondern reflektiert den Zustand der Gesellschaft. Die Montage von Bildern mit gegensätzlicher Bedeutung offenbart für Boris Mikhailov nicht nur seine eigene gespaltene Identität, sondern auch die Widersprüche und Zwiespältigkeiten Russlands allgemein. Die Überlagerung zahlreicher Motive mit Aufnahmen gesprungener oder zerbröckelnder Oberflächen steht symptomatisch für den Zusammenbruch der sowjetischen Gesellschaft.

Boris Mikhailov beschränkt sich in Sandwich nicht auf die Darstellung des Verfalls. Er überblendet einzelne Motive mit idyllischen Landschaften oder schönen Frauen, erzielt durch die Kombination ironische oder humorvolle Situationen. Das Übereinander lässt eine tonige Farbigkeit entstehen, die sich wie ein nostalgischer Schleier über die Aufnahmen legt. Tragik und Härte des Gesehenen offenbaren sich so erst auf den zweiten Blick.

Boris Mikhailov verbindet in Sandwich zwei für ihn grundlegende Elemente der russischen Gesellschaft: Schönheit und Leid. Er zeigt das reale Leben, die restriktiven Verhältnisse und Entbehrungen, vor allem aber die Schönheit Russlands, den Reichtum an Träumen und Phantasien, die nicht kontrollierbar sind.

Boris Mikhailov, geboren 1938 in Kharkov in der Ukraine, lebt heute in Kharkov und Berlin. Zu seinen wichtigsten Auszeichnungen zählen der Citi Bank Photography Prize und der Hasselblad Award. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, zuletzt eine große Retrospektive im ICA Boston. Bis September 2007 zeigt Kunst Merano Arte die Serie Sandwich in einer ersten großen Museumsausstellung. Ebenfalls 2007 erschien im Phaidon Verlag der erste umfassende Katalog zu Sandwich.

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Boris Mikhailov
›Sandwich‹