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Im Rahmen des bundesweiten Projektes CROSSKICK, das die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) initiiert, lädt der Kunstverein Braunschweig die Akademie der bildenden Künste Wien ein. CROSSKICK findet von Mai 2006 bis November 2007 in 13 Kunstvereinen statt, die 30 Kunsthochschulen Europas vorstellen und unterschiedliche Modelle der Ausbildung, Produktion und Vermittlung von Kunst in Ost- und Westeuropa zur Diskussion stellen.

Der Kunstverein Braunschweig präsentiert in der Studiogalerie in zwei Gruppenausstellungen stellvertretend künstlerische Positionen. Im ersten Teil wurden Arbeiten gezeigt, die die Rahmenbedingungen von Kunst thematisieren. Der zweite Teil erweitert diese Fragen, indem sie in den filmischen Bereich überführt werden.

Für die Arbeit 1 oz.tr. hat Johannes Vogl eine Maschine konstruiert, mit der er Gold in die Wände der Studiogalerie schießen kann: eine Gold-Impfmaschine, wie Vogl sie selbst bezeichnet. Die Maschine besteht aus einer einfachen Holzleiter, an die er Rollen, eine Ablage für die Utensilien zum Gießen der Kugeln und einen schwenkbaren Arm montierte. Am Ende des Schwenkarms sitzt der Schussapparat mit Brennkammer. Die mit Haarspray gefüllte Kammer wird mittels einem durch Knopfdruck ausgelösten Funken entzündet. Die Explosion schießt dann die selbst gegossenen Kugeln, auch Nuggets genannt, in die Wand. Für den Ausstellungsbesucher sind jedoch lediglich die Spuren der Aktion sichtbar: die Gold-Impfmaschine steht mitten im Raum, an den Wänden sind die Einschlagstellen der Nuggets zu erkennen und auf dem Boden liegen verteilt die Splitter.

Der Grundgedanke dieser Arbeit ist der alten Goldminentradition entliehen: kriminelle Minenbesitzer schossen Goldnuggets in ihre erschöpften Minen, um potenziellen Kunden die Aktivität der Mine unter Beweis zu stellen und dann verkaufen zu können. Diesen Prozess der Aufwertung macht sich Vogl zu Eigen und verweist damit auf den Aufwertungsprozess, der in der Studiogalerie selbst stattgefunden hat. Bevor die Remise des Hauses Salve Hospes zum Ausstellungsraum umgebaut wurde, diente sie als Pferdestall. Eine weitere Aufwertung findet im Ausstellungsraum selbst statt. Der White Cube verwandelt Gebrauchsgegenstände in Kunstobjekte, indem sie dort ihren politischen oder alltäglichen Funktionszusammenhängen entrissen werden und eine ästhetische Funktion bekommen.

Der Verwandlungs- und Aufwertungsprozess spiegelt sich auch im Material Gold wieder. Die Feinunze (1 oz.tr.) Gold hat Vogl aus unterschiedlichen Sinnzusammenhängen zusammengetragen. So stammt ein Teil des Goldes von einem spanischen Dukaten, der einst seinem Freund zur Taufe geschenkt wurde und dann in den Besitz von Vogl überging. Ein anderer Teil war profanes Zahngold seines Vaters.

Der Prozess der Verwandlung und der Aufwertung ist nicht nur im Raum und Gold vorhanden, sondern in der Impfmaschine selbst. Auch hier vereint Vogl Gebrauchsgegenstände aus den unterschiedlichsten Kontexten und kombiniert sie neu. Damit entledigt er sie von ihren ursprünglichen Gebrauchsfunktionen und verwandelt sie letztendlich in rein ästhetische Objekte. Doch nicht ganz, da sie nun Teil einer funktionsfähigen Schieß- bzw. Impfmaschine sind.

Nadim Vardag beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der Analyse von filmischen Strategien, die beim Betrachter bestimmte Stimmungen und Emotionen erzeugen sollen. Durch die ständige Wiederholung solcher Strategien können diese jedoch zum Klischee werden. Eines solchen Klischees bedient er sich in seiner Arbeit untitled (the tempest), in der Neonröhren an der Decke flackern. Flackerndes Licht ist im Film eine häufig eingesetzte Methode, um Spannung zu erzeugen. Der Protagonist ist in den kurzen dunklen Momenten orientierungslos und muss befürchten, dass die sichtlich alten Lampen vollkommen erlöschen. Vardag transportiert nun die filmische Strategie des Lichtflackerns in den realen Ausstellungsraum.

Spannung wird im Film jedoch nicht nur über das Licht, sondern über die Gesamtheit der filmischen Inszenierung erzeugt. In seiner Arbeit the night eliminiert Vardag Bild und Ton des Films La Notte von Michelangelo Antonioni. Über die Untertitel muss sich der Besucher seine eigenen Bilder zum Film suggerieren, wobei jedoch die Spannung durch Ton und Bild verloren gegangen ist. Lediglich das schwarze Filmbild passt zum Titel.

Auch Björn Kämmerers Arbeiten reflektieren filmische Strategien. Ausgangsmaterial seines Films escalator ist eine Sequenz aus dem Schwarzweißfilm „What’s the time?“, in der ein Junge die Treppe hinauf und herunter läuft. Die Bilder der beiden Filmsequenzen spiegelte Kämmerer vertikal und horizontal, so dass der Junge nun auch seitenverkehrt und auf dem Kopf die Treppe rauf und runter läuft. Diese Szenen kombiniert Kämmerer in unterschiedlicher Abfolge und montiert sie zum Loop. Dadurch entsteht ein unheimlicher Zeitraum, eine Art endloses Labyrinth von häuslichen Treppen, die der Junge unaufhörlich begeht.

Kämmerers Arbeit veranschaulicht Zeitabläufe sowie Bewegung in Zeit und Raum, ein Phänomen, das sich in dem Titel escalator wiederfindet. Kaum ein Objekt steht dem Film besser Pate als die Rolltreppe, ein Objekt im Raum, das die Zeit sichtbar macht.

Unser Dank gilt der Kulturstiftung des Bundes, der Stadt Braunschweig und dem Land Niedersachsen.

Pressetext

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CROSSKICK Braunschweig / Wien II
Akademie der bildenden Künste Wien im Kunstverein Braunschweig
Teil II: Björn Kämmerer, Nadim Vardag, Johannes Vogl