Städel Museum, Frankfurt

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie | Dürerstr. 2
60596 Frankfurt

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Max Beckmann (1884-1950) ist nicht nur als Maler und Zeichner eine der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, sondern wendete sich in unterschiedlichen Phasen seines künstlerischen Lebens auch der druckgraphischen Arbeit zu. Als anerkannter Maler im Kreis der „Berliner Secession“ um Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt begann er druckgraphisch zu arbeiten. Die Kreidelithographie, die einen malerischen Duktus mit atmosphärischer Licht- und Schattenwirkung erlaubt, bildete die bevorzugte Technik seines Frühwerks und legt eine wenig bekannte künstlerische Ausdrucksweise Beckmanns offen. Die im Sammlungsbestand des Städel vorhandenen frühesten Werke des Künstlers bis 1914 bilden den Kern der Ausstellung „Maler-Graphik in Schwarz. Der frühe Beckmann“. Dazu zählen Illustrationen zu mythologischen und biblischen Szenen, aber auch Alltagsbilder der Großstadt, Aktdarstellungen und Bildnisse. Im Vergleich zu Werken prominenter französischer Vorläufer wie Honoré Daumier und Edouard Manet zeigt sich die überzeugende Qualität der frühen Druckgraphik Max Beckmanns.

Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts findet parallel zu der großen Ausstellung „Max Beckmann. Die Aquarelle und Pastelle“ in der Schirn Kunsthalle (3. März - 28. Mai 2006) statt. Ebenso zeigt das MMK Frankfurt aus diesem Anlass Beckmanns Lithographienzyklus zur „Apokalypse“ gemeinsam mit neuen Arbeiten von Thomas Demand (24. März - 27. August 2006).

Vor dem Hintergrund der aktuellen Frankfurter Beckmann-Ausstellungen veranstalten das Städel und die Schirn am Samstag, dem 6. Mai 2006, von 10.00 bis 18.00 Uhr im Metzler-Saal des Städelschen Kunstinstituts ein Symposium. Unter dem Titel „Was ich will, wird erst am Ende meines Schaffens deutlich werden, als Ganzes gesehen“ wird es ein Forum zur Diskussion des Werkes von Max Beckmann bieten, an dem u. a. Mayen Beckmann, Klaus Gallwitz, Siegfried Gohr, James Hofmaier und Stephan von Wiese teilnehmen werden.

Beckmanns druckgraphische Arbeiten konzentrieren sich auf die Jahre 1911 bis 1925 und 1941 bis 1946 und stehen dabei stets in Wechselwirkung mit den intensiven Bestrebungen des Malers. Von Beginn an nutzte Beckmann das graphische Schaffen im Verständnis der Künstlergraphik, die nicht eine Vorlage reproduziert, sondern eigenständig und in Auseinandersetzung mit den spezifischen Möglichkeiten der jeweils gewählten Technik in Erscheinung tritt. Die frühe Phase seines druckgraphischen Schaffens bis zum historischen Einschnitt des Ersten Weltkrieges findet im Allgemeinen weniger Beachtung als die der folgenden Jahre. Die Ausstellung zur Maler-Graphik seiner frühen Jahre ist mit dem Wunsch verbunden, die Frage nach den besonderen Möglichkeiten zu stellen, die bereits der junge Maler im Medium der Lithographie und schließlich auch im Tiefdruck vorfand und umsetzte.

Nach der Weimarer Studienzeit und ersten Selbstbildnissen begann Beckmann im Jahr 1909 nachdrücklich druckgraphisch zu arbeiten. Im Auftrag Paul Cassirers entwickelte er zunächst neun Illustrationen zum Orpheus-Mythos „Eurydikes Wiederkehr“ von Johannes Guthmann. Nicht Linie und präzise konturierte Formen, sondern inhaltlich aufgeladene Impressionen bestimmten seine Bildwelten, die er bis 1914 vor allem in der Kreidelithographie umsetzte. Die Technik, die Ende des 18. Jahrhunderts bekannt wurde, erlaubt dem Zeichner, sich mit Kreide auf Stein ebenso frei auszudrücken wie auf Papier. Spürbar richtet sich das Interesse Beckmanns in seinen frühen Lithographien auf die dramatische Inszenierung von Licht und Schatten sowie die Bewältigung der räumlichen Weite. Mit einem tonig und weich anmutenden Strich erzeugt Beckmann dabei virtuose Effekte. Die Blätter lassen aber auch erkennen, dass Max Beckmann seine Kompositionen vor dem Hintergrund und in Kenntnis der Werke bedeutender Künstler wie Dürer, Rembrandt und Goya schuf. Als wichtige künstlerische Bezugspunkte für den Umgang mit der Lithographie berücksichtigte er im Besonderen Vorläufer des 19. Jahrhunderts wie Eugène Delacroix und Edouard Manet.

In Zusammenarbeit mit engagierten Verlegern und Druckern in Berlin entstanden 1911 Beckmanns Szenen zum „Neuen Testament“, ein Jahr darauf Illustrationen zum „Bad der Sträflinge“, einem Kapitel aus Dostojewskis „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“. Gedruckt wurden jedoch ebenso Einzelblätter wie „David und Bathseba“ (1911), die „Serenade des Mephistopheles“ (1911) sowie Bildnisse und schließlich Szenen, die der Künstler dem Alltagsleben der Großstadt entnahm. In den folgenden Jahren konzentrierte Beckmann sich auf die Radierung. Es entstanden Blätter mit kräftigen, scharfen Kaltnadellinien wie „Weinende Frau“ (1914). Der Erste Weltkrieg, den Beckmann vor allem in den Techniken der Druckgraphik und der Zeichnung reflektierte, bedeutete nicht nur für seine persönliche Entwicklung einen radikalen Einschnitt, sondern auch für seinen künstlerischen Weg einen vollkommenen Neubeginn. Dieser ist durch eine Wandlung seiner Formauffassung gekennzeichnet und lässt ein von der Zentralperspektive unabhängiges Raumgefüge entstehen. Bis 1925 erscheint in dichter Folge eine Reihe von Mappenwerken, danach bricht die graphische Produktion fast völlig ab. Zur Lithographie sollte Beckmann, in gänzlich anderer Manier, erst wieder in den vierziger Jahren zurückkehren.

Die internationale künstlerische Bedeutung Max Beckmanns, aber auch seine besondere Beziehung zu Frankfurt am Main haben dazu geführt, dass sein Werk immer wieder in Ausstellungen im Städelschen Kunstinstitut zu sehen ist. So wurde bereits 1947, in einer für das kulturelle Leben äußerst schwierigen Situation, im Städel eine Beckmann-Ausstellung mit Gemälden, Zeichnungen und Druckgraphiken ausgerichtet. Beckmann kam 1915 nach Frankfurt am Main. Nach seinem Zusammenbruch als freiwilliger Sanitätshelfer im Ersten Weltkrieg kehrte er nicht in sein Atelier nach Berlin-Hermsdorf zurück, sondern wurde in Frankfurt-Sachsenhausen in der Schweizer Straße 3 von dem Maler Ugi Battenberg, einem Freund aus Weimarer Studientagen, und seiner Frau Fridel bei sich aufgenommen. 1925 wurde Beckmann an die Städtische Kunstgewerbeschule berufen. 1933 sollte er Frankfurt unter den Pressionen der Nationalsozialisten endgültig verlassen. 1937 emigrierte Beckmann nach Amsterdam, 1947 reiste er nach Amerika aus, wo er 1950 in New York verstarb.

Viele graphische Arbeiten überließ Max Beckmann dem befreundeten Ehepaar Battenberg - ein Umstand, dem das Städel letztlich seinen herausragenden Bestand an Beckmann'scher Druckgraphik verdankt. Über 160 seiner Werke wurden Anfang der fünfziger Jahre durch die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut aus der Sammlung Battenberg erworben. Auf diese Weise konnte manches ersetzt werden, was unter der Direktion des mit Beckmann freundschaftlich verbundenen Georg Swarzenski (1906-1937) in die Sammlung des Städel aufgenommen und 1937 beschlagnahmt worden war. Weitere Erwerbungen folgten, darunter auch viele der nun gezeigten frühen druckgraphischen Arbeiten wie die erst im vergangenen Jahr in die Sammlung aufgenommenen Lithographien „Tegeler Freibad“ von 1911 und „Admiralscafé“ von 1912. Zusammen mit ausgewählten Leihgaben und zum Vergleich auffordernden Beispielen von Rembrandt, Delacroix, Manet, Munch, Klinger, Liebermann, Corinth u. a. bieten die in der Ausstellung gezeigten frühen Werke aus dem umfangreichen druckgraphischen Sammlungsbestand Max Beckmanns im Städel dem Besucher ein komplexes Spannungsgefüge zum Verständnis dieser herausragenden Künstlerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts.

KURATORIN: Dr. Jutta Schütt, Graphische Sammlung im Städelschen Kunstinstitut

Pressetext

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Maler-Grafik in Schwarz. Der frühe Max Beckmann
Kuratorin: Jutta Schütt

Max Beckmann Parallelausstellungen in Frankfurt:
- Max Beckmann. Die Aquarelle und Pastelle
03.03.06 - 28.05.06 Schirn Kunsthalle, Frankfurt
- Maler-Grafik in Schwarz. Der frühe Max Beckmann
04.03.06 - 11.06.06 Das Städel, Frankfurt
- Max Beckmann und Thomas Demand
24.03.06 - 27.08.06 MMK Frankfurt