press release only in german

Dieter Krieg (1937-2005)

Dieter Krieg wurde 1937 in Lindau geboren. Er studierte bei HAP Grieshaber an der Karlsruher Akademie und erregte in den 60er-Jahren bereits durch den radikalen Gestus seiner Malerei Aufsehen.

Getragen von einem sich ständig erneuerndem Impetus und mit einer allseits gegenwärtigen Bereitschaft zum Risiko entstand in den darauf folgenden vier Jahrzehnten ein Werk, dessen Position immer wieder aufschreckte, verstörte und in der Kunstkritik nicht nur auf einhellige Zustimmung stieß. Es bewegte zu jeder Zeit die Gemüter und provozierte unterschiedlichste Reaktionen. Doch der Erfolg und die hohe Reputation, die Dieter Krieg all die Jahre genoss, ist nicht nur an den zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen, an denen er teilnahm, ablesbar, sondern auch an dem Lehramt als Professor an der traditionsreichen Kunstakademie in Düsseldorf, das er fast 25 Jahre innehatte und aus dessen Lehrtätigkeit zahlreiche Schüler mit großen internationalen Karrieren hervorgegangen sind.

Ende der 70er-Jahre brach Dieter Krieg die strenge, reduzierte Form seiner Malerei auf und überführte sie in eine malerische Wort- und Gegenstandswelt. Er trieb jetzt die malerische Form der Dinge an eine Grenze, an der Bekanntes in Befremden, auch Unbehagen sich verkehrte. Ins Monumentale getrieben, wurden Gegenstände aus ihrer real existierenden Welt erlöst und in einen Bildraum gestellt, in dessen emotional und psychisch aufgeladenem Kraftfeld sie eine neue Existenz erhielten. Zum Bildgegenstand konnte der menschliche Körper werden, oder Dinge, die in Bezug zu diesem stehen, Dinge, die der Mensch braucht, gebraucht und deren veränderte Zustände Leben, Krankheit oder Tod symbolisieren. Dieses Bildvokabular, das u. a. Kerzen, Thermometer, Salatköpfe, Fleischstücke, Eimer Buchstaben, Watte, Schriftzüge und vieles mehr umfasst, wurde von Krieg über Jahrzehnte beibehalten, erweitert und immer wieder neu bearbeitet.

Die grandiose Darstellung von Gegenständen, denen ihre Vieldeutigkeit und Lebensbedeutsamkeit nicht von vornherein anzusehen war, ist die intellektuelle und malerische Leistung Dieter Kriegs. Ein großes Kraftfeld war dabei die Literatur. Der höchst belesene Maler Dieter Krieg benutzte die Literatur nicht als zusätzliche Autorität. Vielmehr waren die Worte aus Texten von Proust, Joyce, Sartre, Schmidt und anderen Autoren die Matrix einer vielschichtigen Malerei. In der Größe seiner Bilder ging es ihm nicht um Überwältigung. Vielmehr war seine Kunst eine Form des künstlerischen Parallelunternehmens zur Realität - und da ging es ohne große Bilder nicht ab.

Schon frühzeitig stellte Dieter Krieg in wichtigen Galerien und Museen aus, u.a. 1978 (zusammen mit Ulrich Rückriem) im Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig (Kurator Klaus Gallwitz). Zu seinem Werk erschienen zahlreiche Kataloge und Buchpublikationen. 2004 gründete er zusammen mit seiner Frau Irene (gestorben 2004) die Stiftung Dieter Krieg, die das künstlerische Werk bewahrt und Publikationen und Ausstellungen organisiert.

Die Ausstellung in den Kunstsaelen konzentriert sich auf den Bereich der Sprache, der Worte, die in Kriegs Werk eine wichtige Rolle spielen. Im Zentrum stehen zwei Bildtische aus dem Jahr 1993, je 160 x 750 cm, Acryl auf Leinwand, auf denen „vertikal“ und „negativ“ zu lesen ist. Diese Worte, die sich auf Sartres Analyse des kataleptischen Sturz von Flaubert beziehen, werden konfrontiert mit den späten Leinwandbildern aus 2004, die unter gänzlichem Verzicht auf die Farbe das gesamte Motivrepertoire Dieter Kriegs verändert durcharbeiten. Und symptomatische, das Werk wie durch einen Brennpunkt beleuchtende Arbeiten aus den Sammlungen Oehmen und Bergmeier, ergänzen die Ausstellung und beleuchten in einer Form der ausgedehnten Konzentration diesen Aspekt des Werks von Dieter Krieg.

Krieg spielt in seinem Werk, wie Eduard Beaucamp schreibt, „als der gleichsam intellektuelle Zweig der Pop-Art, der sich vor allem auf den Ahnen Magritte beruft, mit den wechselnden Modalitäten und Differenzen der malerischen Repräsentanz“. Die Kunst Dieter Kriegs erscheint auf den ersten Blick wie ein Widerspruch zum Begriff der hohen Kunst und hat doch im Innersten mit ihr zu tun. Wenn man von Understatement im Ästhetischen sprechen kann, dann in Bezug auf diese großformatigen, nur scheinbar überwältigenden Bilder. Eduard Beaucamp: „Interessant sind die Wege, Methoden und Möglichkeiten, die seine Kunst gesucht und erschlossen hat und die zum Weiterdenken auffordern. Dieter Kriegs Werk könnte eine ästhetische Debatte neu eröffnen.“

Klaus Gerrit Friese

Ein Ausstellungsprojekt von: Aanant & Zoo, Berlin / Sammlung Bergmeier / Sammlung Oehmen / Stiftung Dieter Krieg, Stuttgart

only in german

Dieter Krieg
Vertikal, Negativ