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In mannigfacher Weise und in allen Medien kreist das Schaffen des grossen Künstlers Dieter Roth immer wieder um das Selbst. Eine Sonderausstellung im Aargauer Kunsthaus versammelt nun seine Selbstbildnisse aus allen Schaffenszeiten.

Dieter Roth (1930-1998) war einer der grossen Universalkünstler des 20. Jahrhunderts. Er war Grafiker, hat Möbel entworfen, gemalt, gezeichnet, Plastiken und raumgreifende Installationen gemacht, mit allen möglichen Materialien gearbeitet, er war als Dichter und Musiker tätig, hat Künstlerbücher herausgegeben, gefilmt, fotografiert, gesammelt usw. 2003 fand die erste grosse Retrospektive nach dem Tod des Künstlers statt. Sie wurde vom Schaulager Basel organisiert, in Basel, Köln (Museum Ludwig) und New York (MoMa) gezeigt und bot reichen Einblick in das weit verzweigte künstlerische Werk. Weitere systematische Aufarbeitungen des Rothschen Universums stehen bislang aus.

Ein zentrales Thema im Werk von Dieter Roth ist das Selbstbildnis. In mannigfacher Weise und in allen Medien kreist das Schaffen dieses Künstlers immer wieder um das Selbst. Zuweilen ironisch, oft auch sehr unerbittlich befragt Dieter Roth mit bildnerischen Mitteln aber auch in Tagebüchern und autobiografischen Texten sich und sein Tun, seine künstlerische Arbeit ebenso wie die alltäglichen Verrichtungen.

Obwohl das Thema bei Dieter Roth sehr nahe liegt und Selbstbildnisse in seinem Werk omnipräsent sind, hat bisher niemand diesen zentralen Aspekt aufgegriffen. Die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus versammelt nun Selbstbildnisse aus allen Schaffenszeiten. Sie ist retrospektiv angelegt und umfasst das ganze Spektrum der Medien, denen sich Dieter Roth bediente. Die Ausstellung setzt mit frühen zeichnerischen Selbstbildnissen ein, die der junge Künstler in seiner Ausbildungszeit geschaffen hat. Sie hat einen ersten Höhepunkt in den Schokoladebüsten der späten 1960er Jahre und findet in den Folgejahren ihre Fortsetzung in der umfangreichen Werkgruppe "Selbstbildnis als…", die das eine Selbst in eine unendliche Reihe verschiedener "Selbste" aufsplittert und damit die Heroisierung des Individuums radikal in Frage stellt. Mit zunehmendem Interesse Dieter Roths, die Lebensereignisse in künstlerischer Form festzuhalten, bekommen die Tagebücher im Spätwerk grosse Bedeutung und nehmen teilweise die Stelle von Selbstbildnissen ein. Die Ausstellung mündet schliesslich im grossen Panoptikum der 128-teiligen Videoinstallation "Solo Szenen" von 1997-1998, in der die autobiographischen Beobachtungen und Reflexionen in einer rückhaltlose Darstellung der eigenen Person und des eigenen Lebens kulminieren.

Dieter Roth hat die radikale Selbstbefragung zu seinem wichtigsten Thema gemacht. Die Unerbittlichkeit, mit der er die eigene Person ins Zentrum seines Werkes stellt und sie gleichzeitig mit allen Mitteln dekonstruiert, ist einzigartig in der Geschichte dieses Genres. Die Ausstellung versteht sich damit einerseits als ein fundierter Beitrag zur Beschäftigung mit dem Werk von Dieter Roth, sie stellt mit dem Selbstbildnis anderseits aber auch ein Thema zur Diskussion, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für viele Künstlerinnen und Künstler fraglich geworden ist und das nur mit ganz dezidierten Stellungnahmen wie derjenigen von Dieter Roth überhaupt weiterentwickelt werden konnte.

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Dieter Roth
Selbste
Kuratoren: Stephan Kunz, Dirk Dobke