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Die Ausstellung Fate of Alien Modes beschreibt ein Terrain, das am Schnittpunkt künstlerischer und filmischer Modelle und Diskurse entsteht. Kino und Kunst bringen jeweils verschiedene Produktions- und Repräsentationsformen hervor, die das Projekt in den Vordergrund rückt, um deren innewohnende Mechanismen sichtbar zu machen. Das kuratorische Konzept fasst den kinematografischen Apparat als eine Ökonomie auf, in der sich unterschiedliche Produktionsmodi entfalten, und eröffnet so eine andere Perspektive auf Kunstproduktion. Die Verschiebung der Aufmerksamkeit von einer Ausstellung "über Kino" zu dessen Ökonomien beabsichtigt, die Strukturen, Wechselbeziehungen und Themen zu beleuchten, die zwischen Kino und anderen Formen zeitgenössischer Kultur wirksam werden. Diese Themen werden entlang des Bezugssystems von Kunstinstitutionen entwickelt, indem zeitgenössische künstlerische und kuratorische Praxen reflektiert werden.

Fate of Alien Modes verräumlicht die Diskurse des Kinos, um diese als eine Reihe aktiver Scripts sichtbar zu machen. Statt Kunst und Kino innerhalb der Konventionen von Projektionsräumen und Mini-Kinos zusammenzufassen, basiert die Ausstellung auf einer Reihe aktiver Scripting-Prozesse, die im Gegensatz zu einem abgeschlossenen, monadischen Werkbegriff stehen. Unterschiedlichste Produktionsformen werden hervorgehoben, um der Auffassung entgegenzuwirken, dass der Ausstellungsraum der Secession bloßer "Behälter" von Kunst sei. Stattdessen wird die institutionelle Architektur als fragile Konstruktion und als "räumliche Erzählung" gezeigt. Sie stellt eine diegetische Welt dar, die von den Arbeiten und Produktionen "übersetzt" wird, um so die Ökonomien des Kinos innerhalb eines dreidimensionalen Wechselspiels zwischen Projektionen, Soundarbeiten, Scripts und indexikalischen Archiven zu realisieren und auch freizusetzen.

Die Ausstellungskoordinaten beschreiben einen Raum, der script-basierte Formate, temporäre (Set)-Architektur, Filme und Videos, Soundarbeiten und offene, performative Prozesse beinhaltet - darunter Dreharbeiten zu einem Film - um so die alien modes des filmischen Apparats als eine Collage unterschiedlichster Arbeitsformen und Praktiken offen zu legen.

Die Beiträge wurden innerhalb eines kuratorischen Rahmens entwickelt, der einer einfachen Vorstellung vom Kino als nur einer Leinwand, die Leben vergrößert, entgegengesetzt ist. Sie verwirklichen die komplexe Ökonomie einer Raumordnung, die sich innerhalb spezifischer Produktionsmodi entfaltet. Die Arbeiten befassen sich mit voneinander differenten Subjekten - und auch mit jenen, die angesprochen sind: den BetrachterInnen, der Öffentlichkeit. Eine Reihe von Beiträgen wurde innerhalb eines Dialogs zwischen Kuratorin und KünstlerInnen/ProduzentInnen entwickelt, um so entweder bereits existierende Arbeiten für diesen Kontext neu zu formulieren, oder um neue Beiträge entlang der plot points dieser Ausstellung zu entwickeln.

Fate of Alien Modes reflektiert die Differenzen zwischen Räumen für Kino und Kunst, und verbindet eine Reihe von Feldern und Methoden, um die spezifischen Unterschiede zwischen Produktionsformaten zu registrieren, die entweder filmischer oder künstlerischer Praxis angehören. Die Ausstellung bezieht sich auf den etablierten Dialog zwischen Avant Garde, Kinomoderne und Kunst, um so eine Re-institutionalisierung des Kinos als Machtinstrument im Kunstkontext zu vermeiden. Das Projekt versucht, eine Geschichte der Interaktionen zwischen der Moderne, filmischen Formen und zeitgenössischen Produktionen freizulegen, die in Kunsträumen oftmals in der Sicherheit nostalgischer Reflexionen über das Kino verbleibt. Eine neue Perspektive auf die Gegenstände der Filmgeschichte im Kontext von Kunst eröffnet sich durch einen Fokus auf das Wechselspiel von Effekt und Konflikt zwischen ZuschauerIn, Projektionsfläche und Bildschirm.

Fate of Alien Modes verbindet eine heterogene Auswahl von Formaten und Medien (Zeichnungen, Installationen, Videoarbeiten, Architektur, interaktive Soundinstallationen, Performance, Filme und indexikalische Materialien) mit spezifisch in Auftrag gegebenen Beiträgen. Alle Arbeiten der Ausstellung stehen entweder in Beziehung zu Aspekten von "Projektionsfläche" (als Architektur) und "Script" (als dynamischer Text) oder erfassen und untersuchen die dazwischen entstehenden visuellen, akustischen und narrativen Räume. Viele der international renommierten KünstlerInnen zeigen ihre Arbeiten erstmals innerhalb eines institutionellen Kontexts in Wien.

Die Beiträge reichen von einer Untersuchung der Rolle weiblicher Stimmen und deren Präsenz in den litauischen Massenmedien in der interaktiven Soundarbeit Ruta Remake (2002) von Nomeda und Gediminas Urbonas (TeilnehmerInnen der Documenta11), über die Installation Voice Off (1998) von Judith Barry, die eine Analyse der Geschlechterpolitik im Zusammenhang mit Fragen der weiblichen und männlichen Stimme und der Vorrangstellung des Visuellen im modernistischen (Hollywood)-Kino unternimmt, bis zu einer Zusammenstellung filmtheoretischer Publikationen von den 20er- bis zu den 80er Jahren. Diese Sammlung stellt eine indexikalische Plattform dar und umfasst unter anderem eine Auswahl an Heften des deutschen Magazins Filmkritik, die von Autor und Filmemacher Harun Farocki getroffen wurde (Redaktionsmitglied von 1974 -1984), und der britischen Publikation Screen, die Mark Nash (Herausgeber von Screen 1978 - 81, Filmtheoretiker und Co-Kurator der Documenta11) zusammenstellte. Die Originalausgaben werden von Filmausschnitten, Kommentaren und einer Reihe grundlegender historischer Texte mit einem Schwerpunkt auf den 70er Jahren ergänzt.

Die in Wien lebende (Film-)Architektin Angela Hareiter entwickelt einen Raum zwischen Filmset und Installation, der sich mit Filmbeleuchtung und Special Effect auseinandersetzt. Hareiter entwirft außerdem eine Bühne für die Filmaufnahme der griechisch-österreichischen Künstlerin und Filmemacherin Penelope Georgiou, welche am 5. 6. im Rahmen der Ausstellung öffentlich stattfinden wird. Thomas Bayrle verbindet in seiner Installation Superstars (1993) Mainstream-Kino, Kunst und frühe Formen Neuer Medien, während er gleichzeitig auf ironische Weise die 60er zu den 90er Jahren in Bezug setzt.

Die Arbeiten Jack Goldsteins sind erstmalig in Wien zu sehen. Neben einer Präsentation seiner Plattenproduktionen - darunter die sechsteilige Serie Planets (1984), und eine weitere Serie von neun 7-Inch Singles aus dem Jahr 1976 - wird der 16mm Film MGM (1975) gezeigt. Unerwarteterweise wird diese Präsentation von Goldsteins Arbeiten zur ersten nach seinem plötzlichen Tod im März dieses Jahres.

Der Künstler und Filmemacher Morgan Fisher zeigt den frühen 16mm Film Production Stills (1970), den autobiografischen found-footage Film Standard Gauge (1984), sowie eine Serie von Zeichnungen mit dem Titel Photogenic Drawings (2002). Der Drehbuchautor und Regisseur Rainer Kirberg entwickelt für Fate of Alien Modes eine Auftragsarbeit: einen unvollständigen Film , der die Erzählung von Gustav Klimts Beethovenfries in die Sprache zeitgenössischer Filmgenres übersetzt. Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder eine Stufe im kinematografischen Produktionsprozess darstellt - vom Drehbuch über das Storyboard bis zum realisierten Film.

In seiner Arbeit Two Impossible Films (1995) beschäftigt sich der Künstler Mark Lewis mit der Geschichte von Filmen, die nie realisiert wurden - darunter Sergei Eisensteins Plan, Karl Marx' Werk Das Kapital für die Leinwand zu adaptieren und Samuel Goldwyns Idee, Sigmund Freud nach Hollywood zu holen und als Drehbuchautor einer psychoanalytischen Liebesgeschichte zu gewinnen.

Der Künstler, Autor und Filmemacher Isaac Julien (Teilnehmer der Documenta11) zeigt eine neue Arbeit, die spezifisch für Fate of Alien Modes konzipiert wurde. Lost Boundaries (2003) basiert auf Super8-Archivmaterial, das im Rahmen der Dreharbeiten zu The Passion of Remembrance (1986) entstand. Bei diesem Film handelt es sich um die erste Produktion des britischen Sankofa Film Collective, dessen Gründungsmitglied Julien war. Sein neuer Dokumentarfilm BaadAsssss Cinema (2002) über das Genre des Blaxploitation-Films (Interviews mit Pam Grier, Isaac Hayes, Melvin Van Peebles u.a.) wird in Anwesenheit des Regisseurs als Teil der Ausstellung am 1. 6. in einer österreichischen Erstaufführung im Wiener Filmmuseum zu sehen sein.

Die Ausstellung umfasst zudem Originaldrehbücher und Materialien zu Freak Orlando (1981) der Regisseurin und Documenta11-Teilnehmerin Ulrike Ottinger, sowie die zeitgenössische Bearbeitung und Analyse eines Drehbuchs des Psychoanalytikers Siegfried Bernfeld aus dem Jahr 1925 durch den Wiener Filmtheoretiker Karl Sierek. Darüber hinaus sind eine Reihe von Publikationen innerhalb der Ausstellung und in der Buchhandlung der Secession zugänglich.

Im Hauptraum der Secession befindet sich ein Kino, dessen Programm methodisch und indexikalisch historische Grundlagen erforscht, indem jeder Film einen Produktionsaspekt des filmischen Apparats behandelt. Das Programm beinhaltet den Klassiker Hotel Monterey (1972) von Chantal Akerman, Harun Farockis frühes Werk Erzählen (1975, Co-Regie: Ingemo Engström), den fiktiven Dokumentarfilm Shulie (1997) der Filmemacherin Elisabeth Subrin, Babette Mangoltes wegweisende Arbeit The Camera: Je or La Caméra: I (1977), Isaac Juliens Looking for Langston (1989) und Portrait of Shirley Clarke (1996) des Autors und Filmemachers Noël Burch (Co-Regie André S. Labarthe), sowie eine Filmauswahl von Mark Nash, welche auf einem Programm basiert, das vom Filmmagazin Screen für das NFT (National Film Theatre) in London im Jahr 1978 zusammengestellt wurde; darunter Michael Snows Rameau's Nephew by Diderot (1974), Blackbird Descending von Malcolm LeGrice (1977) und History Lessons von Straub/Huillet (1972).

PUBLIKATION: FATE OF ALIEN MODES 128 Seiten, 38 Farbabbildungen, 54 s/w Fotos Texte: Judith Barry, Thomas Bayrle, Noel Burch, Ingemo Engström, Harun Farocki, Morgan Fisher, Anne Friedberg, Penelope Georgiou, Matthias Herrmann, Isaac Julien, Rainer Kirberg, Otto Kränzler, Mark Lewis, Babette Mangolte, Mark Nash, Ulrike Ottinger, Constanze Ruhm, Karl Sierek, Michael Snow, Elisabeth Subrin, Nomeda und Gediminas Urbonas, Karsten Visarius Secession 2003, ISBN 3-901926-54-2