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Fernando Sánchez Castillo (geb. 1970 in Madrid) untersucht in Film, Skulptur und Performance die Wirkmacht von Geschichte und Geschichtlichkeit. Propagandistische Mechanismen von Denkmälern, aber auch politische Mythen stehen auf dem Prüfstand und werden durch teils satirische Eingriffe in ihrer Funktionsweise entlarvt. In der Remise und auf dem Hof des Kunstverein Braunschweig zeigt Sánchez Castillo seine neueste Arbeit Guernica Syndrome (2012), die bereits im Matadero Madrid für eine breite öffentliche Diskussion sorgte: Azor, die Freizeit-Yacht des ehemaligen, spanischen Diktators Francisco Franco, wurde unter Anleitung des Künstlers in eine mehrteilige Skulptur aus Metall zerlegt. Ein Film dokumentiert zudem den Umformungsprozess.

Konkrete Spuren der Vergangenheit dienen Sánchez Castillo meist als Ausgangspunkt und Material seiner Analysen und Transformationen. Mit Guernica Syndrome wagt sich der Künstler jedoch an ein äußerst brisantes Relikt der jüngeren spanischen Geschichte, das vergessene oder unverarbeitete Ereignisse in den Fokus rückt. Die Yacht war Machtsymbol und politische Bühne Francos: Hier hielt er wichtige politische Unterredungen ab und traf sich 1948 mehrmals mit Juan de Borbón, dem spanischen Thronfolger. Nach Francos Tod im Jahre 1975 ging die Yacht in den Besitz des Staates über; es folgte 1985 ein großer Skandal als der amtierende Ministerpräsident Felipe González einen Sommerurlaub auf dem Schiff verbrachte. In einer Auktion versteigerte die Regierung die Azor später für einen geringen Preis unter der Bedingung, dass sie danach verschrottet wird. Der neue Besitzer versuchte dennoch das Schiff als Attraktion auszustellen, es als Veranstaltungsraum und politischen Pilgerort zu etablieren – jedoch erfolglos. 2011 erwarb schließlich Fernando Sánchez Castillo die Azor und ließ sie in eine mehrteilige Skulptur aus über 40 Metall-Quadern, dem Schiffsmast, zwei Bänken und weiteren Einzelteilen zerlegen, die zusammen nun „die letzte Reise“ antreten.

In dieser neuen Form und Funktion nimmt die historisch und emotional aufgeladene Yacht Francos formal Bezug zur Minimal-Art und ihrem Streben nach Logik und Objektivität. Gleichzeitig fragt Guernica Syndrome nach den Strategien der Vergangenheitsbewältigung sowie der Verdrängung und Glorifizierung von Geschichte. Wie beeinflussen Macht und ihre Inszenierung unsere Gegenwart? Wie wirkt sich die Diktatur Francos bis heute auf Land und Bevölkerung aus?

Fernando Sánchez Castillo gehört zu den bekanntesten spanischen Künstlern der Gegenwart. Einzelausstellungen widmeten ihm unter anderem das Centro de Arte Contemporáneo de Málaga (2011), das Centre d’Art Contemporain Genf (2007) und das MARTa Herford (2006). Zudem war er bereits an vielen internationalen Gruppenausstellungen beteiligt, unter anderem im Palais des Beaux Arts Brüssel und dem O.K. Centrum für Gegenwartskunst Linz.

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Fernando Sanchez Castillo
Gernica Syndrome
Ort: Remise