press release only in german

Die iranische Künstlerin Ghazel arbeitet seit den 1990er Jahren zu Fragen von Migration, Exil und (trans-)kulturellen Identitäten. Für ihre Ausstellung im kunstraum lakeside entwickelt Ghazel ihr Projekt «Geopolitics of Roots – No Man’s Land» weiter, das sie 2011 in der Carbon 12 Galerie in Dubai begonnen hatte. Das Projekt besteht zum einen aus zeichnerischen Überarbeitungen von Weltkarten, zum anderen aus einer Serie von Videos. Beide mediale Formen haben hier auch performative Qualitäten. In den Videos mit dem Titel «Black Hole» werden einfache Formen des Schreibens und Zeichnens mit Kreide auf einer Tafel zu Mitteln der Erzählung. Umgekehrt nimmt die Zeichnung in der Serie «Life Span of a Ballpoint Pen» performativen Charakter an, wenn pro Karte und Motiv so lange gezeichnet wird, bis die Füllung eines Kugelschreibers leer ist.

Die gekritzelten Zeichnungen auf den Weltkarten erinnern an Kinderzeichnungen und deren einfache Symbole wie Bäume, Häuser, Koffer, Herzen, Sonnen. Auch der beharrliche Duktus des Kugelschreibers steht der Anmutung von Kinderzeichnungen oder «zustandsgebundener» Kunst («Outsider Art») nahe und verweist so auf psychosoziale Aspekte der rastlosen Existenz von Exilanten und «Displaced Persons». Das zu Motiven verdichtete Gekritzel bewegt sich in ständiger Spannung zwischen einer symbolischen Bewegung über alle politischen Grenzen hinweg und einer Suche nach Orten des Niederlassens, der Verortung, der Zugehörigkeit.

In Ghazels «Black Hole»-Videos treten in kurzlebigen, weil nach Fertigstellung umgehend gelöschten Kreidezeichnungen ähnliche Motive wie in den Karten auf, doch sind diese ergänzt durch schematisch gezeichnete Menschen, die an den Bäumen hängen – an ihre Äste gebunden oder sich an diese klammernd. In anderen Zeichnungen verschmelzen die Äste und Wurzeln mit den Körpern der Menschen oder sie wachsen aus deren Organen hervor. Ghazels Arbeiten artikulieren auf grafische und performative Weise die Spannung zwischen den jeweils ambivalent besetzten Polen der Roots und der Routen.

Ghazel, geb. 1966 in Teheran, lebt in Teheran und Paris. Kunststudium an der Ecole des Beaux-Arts in Nîmes und Studium der Filmwissenschaften an der Université Paul Valery in Montpellier. 2006 wurde sie für den Prix Ricard in Paris nominiert. Ihre Arbeiten befinden sich u.a. im Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, der Cité nationale de l’histoire de l’immigration, Paris, und im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Zu den bekanntesten Arbeiten der Künstlerin zählen die «Me-Series» von sehr kurzen Videos, in denen Ghazel, in den Tschador gekleidet, gleichermaßen absurde wie tragisch-witzige Szenen aus einem transkulturellen Alltagsleben performt, ihre Plakataktionen «Wanted» zur überlebenstaktischen Heiratsanbahnung von «illegalen» mit «legalen» Menschen in Frankreich sowie der Film «Home(stories)», den sie auf Grundlage einer theatralischen Inszenierung zum Problem des Zuhauses/der Heimat mit AsylwerberInnen in Italien realisierte.

only in german

Ghazel 
Geopolitik der Wurzeln – No Man’s Land, Teil 2
Kuratoren: Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber