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Gottfried Bechtold (geboren 1947 in Bregenz) gehört zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten in Österreich. Im Rahmen großer Werkauftritte internationaler Künstler widmet ihm das Kunsthaus Bregenz eine umfangreiche Einzelausstellung. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich Gottfried Bechtold in seinem Werk im Wesentlichen mit der Erweiterung des Kunstbegriffs, vor allem der Skulptur. Seine künstlerischen Wurzeln liegen in der Tradition europäischer und amerikanischer Kunst der 1960er und 1970er Jahre, in den Zugängen von Künstlern wie Joseph Beuys, Wolf Vostell und Franz Erhard Walther sowie auf der anderen Seite Walter De Maria, Robert Morris und vor allem Robert Smithson.

Ausgehend von der Bildhauerei und beeinflusst von der Kunst des Postminimalismus, der Land Art und Konzeptkunst experimentierte Gottfried Bechtold anfangs mit unterschiedlichen Medien wie Fotografie, Film und Video. In seinen Aktionen, Performances, Objekten und Textarbeiten ging es ihm vor allem darum, die physischen, psychischen, physikalischen, sozialen, politischen und damit im weitesten Sinne die öffentlichen und ästhetischen Grenzen künstlerischen Tuns zu untersuchen und neu zu definieren. Wichtig ist ihm bei allem forschenden und experimentellen Charakter seiner Arbeiten die Frage nach der skulpturalen Form und ihrer an Realzeit und Realraum orientierten konzeptuellen Schlüssigkeit.

Gleichzeitig geht es ihm immer darum, sein künstlerisches Tun nicht als reines Denkmodell zu isolieren, sondern auf ein möglichst breites Publikum hin zu öffnen. So sucht er stets den Bezug zur Realität, zu Menschen, zu alltäglichen Prozessen, zu allgemein verständlichen physikalischen Regeln und zu den entscheidenden Faktoren seines Werks, zu Zeit und Raum. Das heißt, dass seine Aktionen, Skulpturen, Filme, Objekte und Textarbeiten immer auf die rezeptive Hauptrolle des Betrachters und Benutzers angelegt sind.

Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen unter anderem die „Interkontinentale Skulptur“ (1985/87) für den Vorplatz des Austria Center in Wien, die Serie der „Reisebilder“ (1971), die Arbeit für die documenta 5 „100 Tage Anwesenheit in Kassel“ (1972), „Betonporsche“ (1971 und 2001), der Weg auf der Vorburg von Schloss Tirol (2001) und „Signatur 02“ (2002). Hinzu kommen zahlreiche Installationen für den öffentlichen Raum, unter anderem für die Universität Konstanz, für das Medienhaus Vorarlberg, die Lichtarbeit in der Verwaltung der Vorarlberger Kraftwerke AG und aktuell die Skulptur „Ready-maid“ für den neu gestalteten Vorplatz des Festspielhauses Bregenz.

Unter dem Titel „Reine und gemischte Zustände“ zeigt Gottfried Bechtold im Kunsthaus Bregenz vier Werkgruppen. Den Auftakt bildet das neue Skulpturenensemble „Elf Elf“ von 2006 auf dem Vorplatz des Kunsthauses im Rahmen der KUB-Arena. Jeder der insgesamt elf Abgüsse eines aktuellen Prototyps der Porsche-911-Serie wurde vor dem Guss durch eine eng anliegende Tuchabdeckung verhüllt, was die Paradoxie der Verwandlung eines Objekts für extreme Geschwindigkeit in eine Betonskulptur noch einmal steigert.

Vor genau 35 Jahren, am 10. Oktober 1971, hatte Gottfried Bechtold in der Galerie Krinzinger in Bregenz den ersten Betonporsche als Abguss seines eigenen Fahrzeuges präsentiert. 2001 folgte der „Crash-Porsche“, und nun finalisiert Gottfried Bechtold seine jahrelange Auseinandersetzung mit dem Mythos Auto und der Idee der Bewegung. Nach einer zwei Jahre dauernden Kraftanstrengung höchster Präzision kommt es zu einer Art monumentalen Schlussfassung, mit der er das Projekt Porsche zum endgültigen Stillstand bringt. Dazu gehört auch die Skulptur im Erdgeschoss. Sie zeigt den originalen Porsche-Carrera-S-997-Prototyp, der als Gussmodell für die Betonporsches diente, in komprimierter Form als Resultat der Verdichtung in einer Schrottpresse.

1971 waren die Reisebilder entstanden, die laut dazugehörender Legende von Aufenthalten in verschiedenen europäischen Ländern stammen. Sie zeigen den Künstler mit seinem Porsche vor jeweils wechselnden Gebäuden, die in Wahrheit in Vorarlberg stehen. 2001, 30 Jahre danach, wiederholt Gottfried Bechtold diese Serie unter anderen Vorzeichen. Nun schlüpft der Fotograf von 1971 in die Rolle des Künstlers: Während er zusammen mit einer neuen Version des Sportwagens vor den zum Teil völlig veränderten Gebäuden von damals als Hauptfigur auf den Bildern zu sehen ist, schlüpft der Künstler in die Rolle des Dokumentaristen. Insgesamt 17 Paare der so genannten „Standbilder“ von 1971 und 2001 bilden die Werkgruppe im 1. Stockwerk.

Das 2. Stockwerk präsentiert sich mit neuen Arbeiten der Serie „Ready-maid Dianas“ (2005/06) als „klassischer“ Skulpturensaal. Mehrere polierte und oberflächenbehandelte natürlich gewachsene Baumgabelungen lösen Assoziationen an Unterkörper und Beine von Frauen aus.

Den Abschluss der Schau bildet im 3. Stockwerk die raumbezogene Arbeit „Kalt Warm“ von 2006. Sie gehört in die Reihe der zahlreichen von physikalischen Gesetzen determinierten Skulpturen Bechtolds. Einen Vorläufer hat das Werk in der Arbeit „Ofen in der Kühltruhe“ (1973). Dabei reguliert ein Elektroofen die Temperatur in der Truhe auf genau 0 Grad Celsius. Das damals auf bloße Wahrnehmung beschränkte Konzept erweitert Bechtold hier ins für den Betrachter Erleb- und Erfühlbare. Zwei vollkommen identische minimalistische Objekte aus Stahl sind durch eine entsprechende technische Vorkehrung als extreme Wärme- und Kälteobjekte erfahrbar.

So schließt sich der Kreis für eine große Werkinszenierung, bei der Gottfried Bechtold Kernideen seines Werks so aktualisiert und finalisiert, dass zentrale Werkbegriffe wie Zeit, Raum, Material und Realität zur erfahrbaren Gegenwart des Betrachters werden.

KUB-Publikation Gottfried Bechtold Reine und gemischte Zustände Das Katalogbuch, das anlässlich der Ausstellung Gottfried Bechtolds erscheint, wird den großen Soloauftritt des österreichischen Bildhauers und Konzeptkünstlers in den Mittelpunkt stellen. Die auf dem KUB-Platz und in den vier Stockwerken präsentierten Werkgruppen, »Elf Elf«, »Standbilder«, »Physik« und »Skulpturen«, zeigen den aktuellen Stand seiner Auseinandersetzung mit einem erweiterten Skulpturenbegriff. Jeder der vier Werkgruppen sind kleine Essays von namhaften Autoren aus den Fachgebieten der Soziologie, der Physik und der Kunstgeschichte vorangestellt; den Hauptessay schreibt der seit langem mit dem Werk Bechtolds vertraute Robert Fleck, Direktor der Deichtorhallen Hamburg. In der Grafik von Walter Nikkels findet Bechtolds konzeptuelles Kunstverständnis seinen gestalterischen Gegenklang.

Reine und gemischte Zustände Deutsch/englisch Hrsg. von Eckhard Schneider Grafik: Walter Nikkels Mit Essays von Robert Fleck, Dirk Baecker, Sylvia Taraba, Josephine Gabler und Gerhard Grössing ca. 136 Seiten, ca. 26 × 21 cm, ca. 60 Farbabbildungen Erscheinungstermin: Oktober 2006

Gottfried Bechtold 1947 geboren in Bregenz, Österreich. Lebt und arbeitet in Bregenz.