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Seit Gründung der Münchner Künstlergruppe SPUR im Jahr 1957 sind fast 50 Jahre vergangen. Mit einer groß angelegten Retrospektive würdigt das Museum Villa Stuck – als erste und federführende Ausstellungsstation – Wirken und Wirkung der Gruppe SPUR, einer der bedeutendsten deutschen Künstlergemeinschaften nach 1945.

SPUR ließ durch ihre kunstpolitisch provokanten Aktivitäten, durch die Verbreitung von Flugblättern und Manifesten sowie durch die Herausgabe ihrer Zeitschrift SPUR Staat und Justiz in Bayern heftig reagieren. Doch trugen der Bildhauer Lothar Fischer (1933–2004) und die Maler Heimrad Prem (1934–1978), Helmut Sturm (geb. 1932) und HP Zimmer (1936–1992) gerade auch dadurch maßgeblich zur künstlerischen Aufbruchstimmung im Deutschland der 1960er Jahre bei.

Die Ausstellung im Museum Villa Stuck mit über 80 Gemälden und Skulpturen, ergänzt durch Papierarbeiten und die SPUR-Zeitschriften, zeichnet die verschiedenen Schaffensphasen der vier Mitglieder der Gruppe SPUR nach. Hauptwerke aus führenden deutschen Museen wie der SPUR-BAU (1963) aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und das Piratenschiff (1964) aus der Sammlung der Kunsthalle zu Kiel sowie großzügige Leihgaben verschiedener privater Sammler und Stiftungen bieten einen umfassenden Überblick über die künstlerische Zielsetzung der Gruppe.

In einer umfangreichen Begleitpublikation sind neue Forschungsbeiträge zur Gruppe SPUR sowie historische Texte, Manifeste und Flugblätter der Gruppe SPUR enthalten. Vor allem der Wiederabdruck der sieben SPUR-Zeitschriften erlaubt ein neues Verständnis des Beitrags der Gruppe SPUR zur Gedankenwelt der Avantgarde der 1960er Jahre. Die von den Künstlern selbst vertriebenen Zeitschriften waren bislang kaum zugänglich und äußerst selten zu finden.

Die Ausstellung und die Begleitpublikation legen die Gruppenaktivitäten im Fokus von Kunst, Gesellschaft und Politik dar und machen sichtbar, welche Kraft und Aktualität von den Kunstwerken damals ausging und heute noch ausgeht. In abgewandelter Form wird die Ausstellung auch im Museum Lothar Fischer, Neumarkt i.d. OPf. (19. November 2006 bis 4. März 2007) und in der Kunsthalle St. Annen, Die Lübecker Museen, Hansestadt Lübeck (25. März bis 17. Juni 2007) zu sehen sein.

Eine Ausstellung des Museums Villa Stuck. Kuratorin: Dr. Pia Dornacher.

Ausstellungstournee Museum Villa Stuck, München 13. Juli bis 22. Oktober 2006 Museum Lothar Fischer, Neumarkt i.d. OPf. 19. November bis 4. März 2007 Kunsthalle St. Annen, Die Lübecker Museen, Lübeck 25. März bis 17. Juni 2007

Publikation – Gruppe SPUR hrsg. von Jo-Anne Birnie Danzker, Pia Dornacher. Texte von Jo-Anne Birnie Danzker, Diedrich Diederichsen, Pia Dornacher, Holger Liebs, Selima Niggl sowie Manifeste und Texte der Gruppe SPUR und der vollständige Abdruck der äußerst seltenen Zeitschriften SPUR 1-7. Erschienen beim Hatje-Cantz Verlag. Grafische Gestaltung und Satz: WIGEL, München. 424 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. ISBN 3-7757-1799-4 Herausgeber Jo-Anne Birnie Danzker, Pia Dornacher

Zur Ausstellung

„Wer in Politik, Staat, Kirche, Wirtschaft, Militär, Parteien, Organisationen keine Gaudi sieht, hat mit uns nichts zu tun.“

Januar-Manifest, Gruppe SPUR, 1961

Die Gruppe SPUR zählt zu den wichtigsten deutschen Künstlergemeinschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Gegründet 1957 von dem Bildhauer Lothar Fischer (1933–2004) und den Malern Heimrad Prem (1934–1978), Helmut Sturm (geb. 1932) und HP Zimmer (1936–1992), findet SPUR zu einer höchst eigenständigen Malerei, die Figuratives mit Abstraktem verbindet. Die vom Museum Villa Stuck organisierte Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Künstlergruppe nach – von den informellen Anfängen bis hin zu Gemeinschaftsarbeiten der Mitglieder Mitte der 1960er Jahre.

Als sich 1952 drei der zukünftigen Mitglieder der Gruppe SPUR, Fischer, Prem und Sturm, kennen lernten und ihr Studium an der Münchner Akademie der Bildenden Künste aufnahmen, war in der Bundesrepublik Deutschland gerade eine leidenschaftliche Debatte über die Remilitarisierung Deutschlands und den Koreakrieg im Gang. Die Stadt München war bemüht um den Wiederaufbau, die Zeit war geprägt durch die voranschreitende Tilgung von Spuren der Zerstörung und des Leids, der Krise und Instabilität, des Unvertrauten und Unvollkommenen. Die daraus resultierende Amnesie in der »Traumstadt« München, die immer vollkommenere Projektionsfläche des Verlangens nach Repräsentation und ästhetischem Genuss, verschafft ihren kriegsmüden Bürgern Trost und ein Gefühl der Sicherheit. Für eine neue Generation junger Künstler jedoch, darunter die Mitglieder der Gruppe SPUR, ist diese Welt der Illusion und Verdrängung mit der bitteren Realität unvereinbar.

Das SPUR-Manifest aus dem Jahr 1958 gegen die Harmonie lässt sich gewiss vor dem Hintergrund des Beitrages der Gruppe SPUR zu paneuropäischen Bewegungen wie der Situationistischen Internationale (S. I.) begreifen. Ebenso wichtig und notwendig ist es jedoch, die Gruppe und ihren »ehrlichen Nihilismus« (Manifest 1958) im kulturellen und politischen Kontext Deutschlands und speziell Münchens zu verstehen, also im Zusammenhang jener, wie die Künstler selbst es ausdrückten, »Formen, Anschauungen und Werte, die ... trotz der offensichtlichen zweimaligen Katastrophe wieder etabliert werden«.

Die Aktionen, Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Manifeste und sonstigen Veröffentlichungen der Gruppe SPUR verweigern sich jeder dogmatischen oder programmatischen Kategorisierung: »Wir enttäuschen sie, in dem wir uns in keine der bestehenden Systeme einordnen lassen, auch nicht im kulturellen Sektor.« Sie wollten sich weder in eine ideale Welt der Gegenstandslosigkeit zurückziehen, wie sie Hilla von Rebay propagierte, noch in eine transzendentale Abstraktion, wie Willi Baumeister 1950 in den Darmstädter Gesprächen sie vertrat. Während der umstrittene Kunsthistoriker Hans Sedlmayr in seinem Darmstädter Vortrag ein ultra-optimistisches Menschenbild als Antwort auf »das Chaotische« und die »radikale Spaltung des Menschenbildes« fordert, sucht die Gruppe SPUR gerade, Chaos, Spaltung des Menschenbildes und das Optimistische zu vereinen, und zwar in einer anarchischen, multidimensionalen und multifokalen »Malerei der Zukunft«! Das Optimistische kommt vor allen Dingen in einem »Mut zur Farbe« zum Ausdruck.

Innerhalb des Gemeinschaftsgefüges gab es dabei wechselnde Fraktionsbildungen, was beispielsweise die von Sturm und Prem initiierte »Facettenphase« um 1960 exemplarisch zeigt. Erklärtes Ziel aller vier Künstler war es immer, sich selbst und das eigene Werk zur Diskussion zu stellen und die Gruppe als wichtiges und zwingendes Korrektiv zuzulassen. Nicht die Homogenität war gefragt, sondern die Heterogenität der Gemeinschaft. Gerade das Zusammenwirken von verschiedenen Interessen führte zu einer neuen Qualität und 1962/1963 schließlich zur Neuen Figuration. 1963 entsteht der SPUR-BAU, eine Gemeinschaftsarbeit, die als Auftragsarbeit für die Troisième Biennale de Paris angefertigt wurde. Der aus einem bauchig-pilzartig geformten Hauptturm und mehreren kleinen Nebentürmen gestaltete Bau wird von geschwungenen, spiralförmigen Wegen sowie Drähten umkreist, die der Zufahrt zum Gebäudeinneren und zur Plattform des Turms mit Skulpturengarten dienen. Der im Wesentlichen in den Grundfarben Rot, Gelb und Blau größtenteils streifenartig bemalte geweißte Tonkörper gilt als ein Beispiel, wie die urbanistischen Theorien der Situationisten, etwa der Wunsch nach der Errichtung einer Experimentalstadt, umgesetzt werden.

SPUR bejahte die Offenheit und ließ auch andere Künstler oder Schriftsteller von Zeit zu Zeit an ihren Aktivitäten teilhaben. Zu Beginn zeichneten die bildenden Künstler Erwin Eisch (geb. 1927), Gretel Stadler verh. Eisch (geb. 1937) und Dieter Rempt für die SPUR, dann schlossen sich der spätere Mitbegründer der Kommune I in Berlin, Dieter Kunzelmann (geb. 1939) und der Maler Uwe Lausen (1941–1970) an. Im Innenverhältnis empfand man die Gruppe also als Inspirations- und Diskussionsforum, nach außen hin jedoch bot sie Halt und Sicherheit.

Die Aktionen, Publikationen und Provokationen der Gruppe SPUR zogen das Interesse der Münchner Staatsanwaltschaft auf sich. Die sechs Ausgaben der Künstlerzeitschrift SPUR werden allesamt beschlagnahmt und zensiert. Ein gestempelter Aufdruck auf dem Umschlag von Heft Nr. 6 – SPUR IM EXIL – besagt: »Auf Anordnung des Landgerichts München I wurden die beanstandeten Stellen geschwärzt.« Die Gruppe SPUR veröffentlicht daraufhin ein Flugblatt, in dem sie gegen diese »herausfordernde Frechheit« protestiert; Künstler und Intellektuelle wie Guy Debord und Asger Jorn bekunden in Briefen ihre Solidarität; führende Publizisten wie Werner Haftmann, Joachim Kaiser und Walter Jens verfassen Gutachten zugunsten der Künstler. Am 4. Mai 1962 findet der erste SPUR-Prozess statt, bei dem sich Kunzelmann, Prem, Sturm und Zimmer vor dem Amtsgericht München wegen Gotteslästerung, Religionsbeschimpfung und Verbreitung unzüchtiger Schriften verantworten müssen. Da jedoch nicht mehr die ganze Zeitschrift SPUR 6 beanstandet wird, verringert sich das Strafmaß für Kunzelmann und Zimmer erheblich; Sturm wird freigesprochen. Weitere Berufungsverfahren werden Jahre später beendet.

Die Ausstellung im Museum Villa Stuck – kuratiert von Dr. Pia Dornacher und mit-initiiert von Marie-José van de Loo – wird im Ateliergebäude der Villa Stuck präsentiert. In der Villa Stuck befanden sich nach 1945 führende Münchner Galerien und Institutionen, so etwa die Galerie Günther Franke und das Modern Art Museum von Gunter Sachs. Wegweisende Ausstellungen zur Moderne und zur zeitgenössischen Kunst fanden statt, die weit über die Stadtgrenzen hinaus Aufsehen erregten. Auch die Galerie van de Loo zeigte von 1966 bis 1974 im Ateliertrakt der Villa Stuck Arbeiten der SPUR-Künstler. So knüpft die Ausstellung Gruppe SPUR, wie schon die Ausstellung Art of Tomorrow. Hilla von Rebay und Solomon R. Guggenheim, an die nunmehr sechzigjährige Geschichte des Ateliergebäudes der Villa Stuck als Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst an.

Eine Ausstellung des Museums Villa Stuck. Kuratorin: Dr. Pia Dornacher

Die Ausstellung in München wird von der Landeshauptstadt München finanziert und vom Verein zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V. unterstützt. Die Begleitpublikation wird von einem anonymen Mäzen, dem Verein zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V. sowie dem Verein der Freunde des Museums Lothar Fischer e.V. gefördert.

Chronologie der Gruppe SPUR

1952 Heimrad Prem, Helmut Sturm und Lothar Fischer lernen sich bei der Aufnahmeprüfung an der Akademie der Bildenden Künste in München flüchtig kennen.

1957 Am 28. Juli gründen im italienischen Cosio d’Arroscia u. a. der Pariser Lettrist Guy Debord, der dänische CoBrA-Mitbegründer Asger Jorn und der italienische Maler Pinot Gallizio die Situationistische Internationale (Internationale Situationniste).

In der Ausstellung Atelierschau der Gruppe junger Künstler aus München und Berlin zeigen die späteren SPUR-Mitglieder zusammen mit anderen Künstlern im Pavillon Alter Botanischer Garten erstmals gemeinsam ihre Arbeiten.

1958 Anfang des Jahres findet man den Gruppennamen buchstäblich auf der Straße, als einige Mitglieder der SPUR über ihre Namensfindung diskutieren und dabei auf ihre eigenen Spuren im Schnee aufmerksam werden. Im Sommer beteiligen sich die SPUR-Künstler an der Ausstellung im Schwabinger Kunstzelt (1. Juli bis 5. Oktober), einer Mischung aus Bierzelt und Ausstellungsort anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt München. Asger Jorn wird auf die Arbeiten der SPUR aufmerksam.

Im Herbst geben die SPUR-Künstler im Eigenverlag eine Grafik-Mappe heraus, für die Heimrad Prem, HP Zimmer, Helmut Sturm, Dieter Rempt, Lothar Fischer und Erwin Eisch Radierungen anferti-gen. Ergänzt werden die Arbeiten durch Texte von Asger Jorn, Hans Platschek, Franz Roh und Conrad Westpfahl.

1959 Die SPUR wird vom Berufsverband der Bildenden Künstler eingeladen, im Münchner Völkerkunde-museum eine Ausstellung mitzugestalten. Zur Eröffnung von Extremisten – Realisten (23. Januar bis 8. März) kündigt man den Philosophen Max Bense als Redner an. Es kommt zum so genannten Bense-Skandal: Bense – der von der Einladung nicht wusste – wird durch ein Tonband ersetzt, das HP Zimmer mit zusammenhanglosen Versatzstücken aus Benses Schriften besprochen hat.

Vom 17. bis 21. April findet nach den Konferenzen in Cosio d’Arroscia und Paris im Jägerzimmer des Schwabinger Gasthofs »Herzogstand« die 3. Konferenz der Situationistischen Internationale statt. Die Gruppe SPUR wird offiziell als »deutsche Sektion« in die Bewegung aufgenommen.

Ausstellung in der Galerie van de Loo, Gruppe SPUR (17. Oktober – 21. November)

1960 Anfang des Jahres verlassen Eisch und Stadler die Gruppe SPUR. Die Gruppe SPUR stellt Arbeiten in der Ausstellung Junge deutsche Kunst im Ulmer Museum aus.

Im August erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift SPUR.

Dieter Kunzelmann, der spätere Mitbegründer der Subversiven Aktion sowie der Kommune I, stößt im Spätsommer auf die Gruppe SPUR, als diese – wie gewohnt – in Schwabinger Lokalen unterwegs ist, um ihre Zeitschriften und Manifeste zu verteilen.

Im September stellt die SPUR in der 1959 gegründeten Essener Dependance der Galerie van de Loo aus. Ende September reisen Prem, Sturm und Zimmer zur 4. Konferenz der Situationistischen Internationale, die vom 24. bis 28. September in London stattfindet.

Im November gibt die SPUR die zweite Ausgabe ihrer Zeitschrift, SPUR 2, heraus. Bereits im Dezember erscheint die dritte Ausgabe der SPUR-Zeitschrift. Im selben Monat sucht Uwe Lausen über HP Zimmer den Kontakt zur SPUR.

1961 Im Januar verfasst die SPUR – nun mit Dieter Kunzelmann – anlässlich der Ausstellung Engagierte Kunst, die am 13. Januar im Kunstverein München eröffnet wird, das so genannte Januar- bzw. Gaudi-Manifest. Das Bayerische Kultusministerium erteilt der Gruppe Ausstellungsverbot im Haus der Kunst. In Reaktion auf das Ausstellungsverbot im Haus der Kunst gibt die SPUR der nächsten Ausgabe ihrer Zeitschrift, SPUR 4, den Untertitel Die Verfolgung der Künstler.

Ebenfalls im Januar wird Avantgarde ist unerwünscht als Flugblatt der Situationistischen Internationale im Theater Münchner Kammerspiele von den Rängen geworfen.

Im Frühjahr kommt es zu einem Konflikt zwischen Künstlern der Galerie van de Loo, dem Galeristen und der Situationistischen Internationale. Die SPUR entscheidet sich für die Situationistische Internationale. Ihr gelingt es jedoch in der Folge, die Wogen zu glätten und – zumindest intern – den Kontakt zu van de Loo aufrecht zu erhalten.

Die 5. Ausgabe der Zeitschrift SPUR trägt den Untertitel Spezialnummer über den Unitären Urbanismus. Innerhalb eines Unitären Urbanismus, als zentralem Begriff der situationististischen Theorie, fordert man die Anwendung aller situationistischen Methoden zur Konstruktion eines Milieus, womit eine einzelne Situation genauso wie ein gesamter Lebensraum gemeint sein kann.

Während des Aufenthalts in Drakabygget in Schweden gestalten Prem, Sturm, Zimmer, Kunzelmann und Nash mit SPUR 6 unter dem Titel SPUR IM EXIL eine weitere Ausgabe der SPUR-Zeitschrift. Von Drakabygget reisen Kunzelmann, Nash, Prem, Sturm und Zimmer nach Göteborg, wo sie vom 28. bis 30. August an der 5. Konferenz der Situationistischen Internationale teilnehmen. Im September brechen

die SPUR-Künstler nach Italien auf. Dort entsteht im Oktober mit Lothar Fischer als Redakteur und von dem Mäzen Paolo Marinotti finanziell unterstützt SPUR 7 Album per disegno, die siebte und letzte Ausgabe der SPUR-Zeitschriften.

Im November – die SPUR ist mittlerweile wieder in München – erfolgt die Beschlagnahmung aller noch greifbaren Exemplare der SPUR-Zeitschriften Nr. 1 bis Nr. 6, insgesamt 129 Exemplare, durch das Sittendezernat.

1962 Im Januar erscheint das so genannte SPUR-Buch Band 1 in einer Auflage von 270 Exemplaren. Es enthält die SPUR-Historie, alle sieben Ausgaben der SPUR-Zeitschriften sowie einige Manifeste. Im Februar wird die Gruppe aus der Situationistischen Internationale ausgeschlossen.

Im Frühjahr sind Arbeiten der Gruppe SPUR in zwei Ausstellungen zu sehen, so in Einzelpräsentationen in der Galerie van de Loo in München und im Graphischen Kabinett Dr. Hanna Grisebach, Heidelberg. HP Zimmer ist am XVIII. Salon de Mai im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris beteiligt.

Am 4. Mai findet der erste SPUR-Prozess statt, bei dem sich Kunzelmann, Prem, Sturm und Zimmer vor dem Amtsgericht München wegen Gotteslästerung, Religionsbeschimpfung und Verbreitung unzüchtiger Schriften verantworten müssen. In der offenen Erklärung »Unsere Antwort« vom 4. Mai reagieren die SPUR-Künstler auf die Vorwürfe. Im Herbst verlässt Kunzelmann die Gruppe wegen ideologischer Differenzen. Als am 7. November der zweite SPUR-Prozess ansteht, verfügt man über wohlwollende Gutachten von dem Kulturkritiker der Süddeutschen Zeitung Dr. Joachim Kaiser, dem Kunsthistoriker Dr. Werner Haftmann, dem Professor für Klassische Philologie Walter Jens und dem ehemaligen Akademielehrer Prems, Professor Josef Oberberger. Die Verteidiger plädieren auf Freispruch. Da jedoch nur wenige Textstellen und nicht mehr die ganze Zeitschrift SPUR 6 beanstandet werden, verringert sich das Strafmaß für Kunzelmann und Zimmer und lautet nunmehr: fünf Wochen auf Bewährung. Sturm wird freigesprochen. Weitere Berufungsverfahren ziehen sich bis Mitte der 1970er Jahre hin und werden schließlich mit der Ablehnung einer Verfassungsbeschwerde am 4. April 1975 beendet.

1963 Im März malen Fischer, Prem, Sturm und Zimmer im Auftrag Willi Bleichers das Esszimmer in dessen Landhaus in der Nähe von München aus.

Im Juli wird die Gruppe SPUR von Marinotti zur Gruppenschau Visione Colore in das Centro Interna-zionale delle Arti e del Costume im Palazzo Grassi eingeladen. Für die Ausstellung wird die Gruppe mit einer Saalgestaltung beauftragt. Mehrere Wandgemälde entstehen (Canal Grande Crescente).

Im September wird die Gruppe SPUR zur Troisième Biennale de Paris, Nouveaux Espaces im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, eingeladen. Die Künstler konzipieren im Maßstab 1:78 das Modell für den SPUR-BAU, einen utopischen Architekturentwurf, den sie laut ihrer Modellerläuterungen aber durch-aus als »realisierbares Projekt« verstanden wissen wollen. So soll der Bau ein großes Kulturzentrum mit Galerie, Skulpturengarten, Bibliothek, Theater- und Konzertsaal, Kino, Restaurants, Hotels und Bars be-herbergen. Die Künstler knüpfen dabei an die situationistischen Theorien eines Unitären Urbanismus an.

1964 Im März ist SPUR auf der Ausstellung Junge deutsche Kunst der Gegenwart, Salon Comparaisons im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris vertreten, die anschließend zum Kunstverein München geht.

Prem und Fischer sind ab dem 27. Juni mit Einzelarbeiten auf der documenta III in Kassel vertreten.

Im Oktober bestreitet die SPUR ihre einzige Ausstellung in den USA in der New Yorker Galerie Osborne.

1965 Auf Einladung des Salon de la Jeune Peinture bringen Prem und Sturm Anfang des Jahres Arbeiten der SPUR nach Paris.

Im März sind die SPUR-Künstler mit ihren Arbeiten beim Augsburger Frühjahrssalon (8. März bis 11. Mai) vertreten. Dort stoßen sie auf die Künstler der Gruppe WIR, die von Helmut Rieger, Florian Köhler und Heino Naujoks 1959 – also nur zwei Jahre nach SPUR – in München gegründet wurde und der sich 1961 noch Hans Matthäus Bachmayer und Reinhold Heller angeschlossen hatten. Ab April arbeiten die Künstler punktuell zusammen.

Im April findet in der Wohnung von Vera und HP Zimmer in der Milbertshofener Straße 10 eine über mehrere Tage dauernde letzte gemeinsame Malaktion der vier SPUR-Künstler statt.

Im Mai halten die Gruppen SPUR und WIR die Grundsätze für ihre gemeinsame Arbeit fest.

Ab September ist in der Münchner Galerie van de Loo die Ausstellung Gruppe SPUR. Bilder und Plastiken zu sehen.

1966 Die Künstler von SPUR und WIR bilden unterschiedliche Teams, beispielsweise Sturm/Köhler/Naujoks, die zusammen an Antiobjekten arbeiten.

Nach seiner Rückkehr nach München im Mai distanziert sich Prem vom Gruppengeschehen. Auch Fischer zieht sich in der Folge sukzessive zurück. Im September lädt die Galerie van de Loo zur ersten Einzelausstellung der Gruppe unter ihrem neuen Namen GEFLECHT in die großzügigen Räume der Villa Stuck ein, die van de Loo seit diesem Jahr zusammen mit anderen Münchner Galerien gemietet hat.

Pressetext

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Gruppe SPUR 1957-1965
Eine Ausstellung des Museums Villa Stuck
Ausstellungsleitung: Jo-Anne Birnie Danzker
Kuratoren: Pia Dornacher, Marie-Jose van de Loo

Gruppe SPUR (Lothar Fischer, Heimrad Prem, Helmut Sturm, HP Zimmer)