press release only in german

Zum vierten Mal präsentiert die Galerie Barbara Weiss Heike Baranowsky in einer Einzelausstellung. Innerhalb dieser Ausstellung werden neue Filme und Fotogravüren sowie eine wandgreifende Bildmontage gezeigt.

Während Heike Baranowskys Aufenthalten in China 2005 und 2006 sind Filmwerke entstanden, die einen Blick auf den Alltag in diesem Land zunächst weniger erzählen lassen als ihn in seiner trügerischen Eigenschaft zeigen, Objektivität zu suggerieren.

Der Schwebezustand zwischen vermeintlicher Objektivität und Voyeurismus, der kulturell gefärbte Assoziationen freisetzt, verfälscht häufig schon die Deutung der Situation, etwa wenn, wie bei dem Werk „Interval“ (2006), unter freiem Himmel ein Megaphon auf einem Stuhl liegt, aus dem in hoher Lautstärke gebetsmühlenartig Worte in der für westliche Ohren so fremden Sprache schallen. Wer Propaganda, wer Indoktrination vermutet oder wer sich an das Skandieren von Parolen auf einer Demonstration erinnert fühlt, steht damit nicht alleine, hat aber dennoch unrecht, handelt es sich hier doch um die Speisekarte des nahe gelegenen Restaurants.

Ein erzählerisches Moment entsteht nachgeordnet durch die Tonspur, die dem gesehenen Bild oft nicht entspricht. Solche Toncollagen schaffen innere Welten, die sich der Bildrealität entziehen. Der Ton öffnet so etwa eine statische Situation, in der der Raum wie auf einer Bühne visuell begrenzt ist, wie bei dem Werk „CUE 1“ (2006), das nur vordergründig Fragen stellt nach Inszenierung oder stiller Beobachtung eines scheinbar alltäglichen Treibens: Menschen gehen ihrer Arbeit nach, Kinder spielen oder posieren. Das Gesehene von fixem Standpunkt aus wird gestört durch die Inkongruenz mit dem Klang, der auch auf scheinbar Situationsfremdes verweist, hier durch Klänge traditioneller Musikinstrumente.

Heike Baranowsky fängt Situationen des chinesischen Alltags ein. So auch für die 16-minütige Filmprojektion „T Square“ (2006), die in Zusammenarbeit mit Waszem Khan entstanden ist. Der Film führt mit einem kaum merklichen Zoom in gleichmäßiger Langsamkeit den Blick auf den Pekinger Tiananmen-Platz, auf dem im allabendlichen Ritual die Staatsflagge eingeholt wird. Der Übergang vom Stadtpanorama hin zum Geschehen an dem historisch und politisch aufgeladenen Ort geht einher mit einer atmosphärischen Veränderung, sowohl durch den Einbruch der Dunkelheit als auch durch die Veränderung der eigenen Sichtweise, die sich vom Betrachten zum Beobachten wandelt.

Der Blick des Westens auf China ist im wesentlichen geprägt von Medienberichten über ein Land zwischen maoistischer Restriktion und globaler Öffnung, über einen Staat mit rasantem Wirtschaftswachstum und nicht zuletzt über das Massaker auf dem Tiananmen-Platz vor nunmehr über 15 Jahren. Es ist ein westlicher Blick, den Heike Baranowsky thematisiert und durch Manipulationen verfremdet. Sie fordert den zweiten Blick heraus, der statische Betrachtung und stetigen Bewegungsfluss durchbricht und so die gewohnte Rezeption des Visuellen stört und erweitert.

Heike Baranowsky wurde 1966 in Augsburg geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Bergen (Norwegen).

Peer Golo Willi

Ausstellungen (Auswahl): 2006/07: Totalstadt. Beijing Case, ZKM/Museum für Neue Kunst, Karlsruhe (Gruppenausst.); 2006: 40 Jahre Video. Digitales Erbe, K21, Düsseldorf, ZKM Karlsruhe et al. (Gruppenausst.); 2005: Blaue Nacht, Kunsthalle Nürnberg, Panorámica, Museo Tamayo Arte Contemporáneo, Mexiko-Stadt; 2004: doku/fiction. Mouse on mars reviewed & remixed, Kunsthalle Düsseldorf (Gruppenausst.) 2003/04: actionbutton. Neuerwerbungen zur Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Hamburger Bahnhof, Berlin, et al. (Gruppenausst.); 2003 American Skies, Galerie Barbara Weiss, Berlin; 2001: Kunst-Werke, Berlin, Loop – Alles auf Anfang, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, P.S.1/MoMA New York (Gruppenausst.); 1998: Galerie Barbara Weiss, Berlin

Pressetext

only in german

Heike Baranowsky
T Square