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»Je weiter die Ausstellung entfernt war, desto mehr musste ich darüber sprechen, je näher sie rückte, desto weniger musste ich dazu sagen. Und heute kann ich schweigen, weil alle Dinge da sind.« – Es ist der Tag der Eröffnung des österreichischen Pavillons auf der Biennale 2015 in Venedig. Heimo Zobernigs Bemerkungen während der Pressekonferenz sind weder Irreführung noch Attitüde, sondern kluge Selbstbeschreibung. In wenigen Worten umreißt er seine künstlerische Methode. »Vieles taucht auf und wird wieder verworfen«, sagt Zobernig. »Es stellen sich Fragen wie ›Funktioniert es in diese oder in eine andere Richtung?‹.« In dieser Auseinandersetzung stehe er sich selbst als kritischer Gesprächspartner immer zur Verfügung. Zobernig baut Bühnen, fertigt Skulpturen, tüncht Ausstellungswände, bemalt Leinwände, dreht Videos und tritt in Performances auf. Stets geht es ihm um die Frage, wie aus Komplexität Einfaches herauslösbar und dieser Verlauf zugleich sichtbar wird.

Heimo Zobernig zählt zu den herausragenden Künstlern der Gegenwart. Wie kaum ein anderer prägt er nicht nur die Kunstszene im eigenen Land, sondern ebenso erfolgreich den internationalen Kunstdiskurs und Ausstellungsbetrieb.

Seine Laufbahn beginnt Zobernig mit kleinformatigen Gemälden und schwarz lackierten Kartonobjekten. Die geometrischen Bilder sind Reaktion auf die ungestüme Kunst der 1980er Jahre, die wilde Malerei und ihren Subjektkult sowie die Faszination für das Künstlertum. Seine Gemälde sind Antworten auf die Utopien, die sich seit der Moderne mit der strengen Form verbinden. Auch in seinen Skulpturen nutzt er einfache Mittel der Aufdeckung, um geschichtliche Aufladung sichtbar zu machen. Die Objekte sind aus billigen Materialien wie Pressspan, Styropor oder Karton, manche davon unfertig und nur teilweise weiß gestrichen. So wirken sie oft wie erste Modelle, schlichte Prototypen, billige Platzhalter. Ausstellungsbehelfe, die wenig Beachtung finden, werden von ihm bearbeitet. Sockel, Stellwände, Bühnen und Tribünen finden sich im Zentrum seiner Arbeit oder werden lapidar ihrer Funktion übergeben. Bereits 1999 war eine Arbeit von Heimo Zobernig (zusammen mit Ernst Strouhal) im KUB zu sehen. Er hatte den ausgemusterten Zettelkatalog der Wiener Nationalbibliothek als minimalistisches Ensemble nach Bregenz bringen lassen. Der Schlagwörter- und Autorenkatalog veranschaulichte die menschliche Proportion und Handhabung, zugleich stand er für den ihm wichtigen Gedanken von Schema, Ordnung und sprachlicher Kategorisierung.

In seiner aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt Heimo Zobernig im 1. Obergeschoss eine Vielzahl unterschiedlicher leerer Regale. Für den Künstler sind Regale Skulpturen mit angewandter Bedeutung. Sie zeigen eine Beziehung zum menschlichen Maß. Darum sind sie nicht nur Behelf, sondern immer auch ein »Gegenüber«, wie er es nennt. Das 2. Obergeschoss durchteilt ein schwarzer Vorhang, der eine Symbiose mit der KUB Architektur eingeht. Der schwere Moltonvorhang bildet einen Raum im Raum. Die Besucher, die aus dem Personenaufzug kommend oder über den Treppenaufgang den Raum betreten, werden vor die Entscheidung gestellt, ob sie den neu entstandenen Raum innerhalb der Stoffbegrenzung erfahren oder einen Blick in den Raum hinter dem Vorhang werfen möchten.

Die Installation im österreichischen Pavillon für die Biennale in Venedig 2015 ist eine Antwort auf historische Bedingungen und architektonische Vorgaben. Anstatt sich pompös bei der Nationalitätenschau zu präsentieren, wurden nur wenige Veränderungen an der Ästhetik und den bestehenden Proportionen vorgenommen. Eine Decke wurde auf 360 Zentimeter herabgehängt, ein Podest erhöhte den bestehenden Boden. In der Ausstellung im Kunsthaus Bregenz setzt Zobernig seine Überlegungen zur Biennale fort. Im 3. Obergeschoss wiederholt er seinen Eingriff und passt sie der Architektur von Peter Zumthor an. Ein Teil der Glasplatten der KUB Decke wird dafür entfernt und die schwarze Decke, die bereits im Hoffmann’schen Pavillon auf der Biennale zu sehen war, stattdessen integriert, wodurch Einblicke in das Innenleben der KUB Architektur oberhalb der Glasdecke ermöglicht werden. Die Abmessungen werden dabei eins zu eins von Venedig übernommen.

Die Skulptur, die ursprünglich in Venedig vorgesehen, dort jedoch nicht ausgestellt worden war, ist in Bregenz erstmals zu sehen. Es ist der Guss einer menschlichen, aus verschiedenen bearbeiteten Schaufensterpuppen zusammengesetzte Figur, die Verletzungen, Verschraubungen und Fertigungsspuren zeigt. »Sie ist etwas größer hergestellt, um wirklich zu wirken«, sagt Zobernig. Die menschliche Form ist ein neuer Schritt weg von der Reduktion zurück zur Komplexität – die Komplexität der menschlichen Wahrnehmung, der menschlichen Figur und historischen Erinnerung.