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Schon während seiner Studienzeit in Dresden von 1999 bis 2004 fand er zum Holzschnitt. Seitdem ent-stehen unter anderem in dieser traditionellen Technik Porträts, Alltagsszenen und unspektakuläre Stillleben. Jedoch gilt sein beson-deres Interesse einem typischen europäischen, hier konkret ost-deutschen Stadtmotiv der Nach-kriegszeit: dem Plattenbau. Als Bild, als Reliefmontage oder als mit Drucken überzogene Kuben erstehen die ungeliebten Kinder des Bauens im Kunstraum. Parallel zur Druckgrafik zeichnet er in einem comicartigen Stil Erlebtes aus der Welt der Jugendkultur, aus dem Fundus des DDR-Kitsches und des trivialen Raumschmucks. Letzterer schmückte ab und an die Flure der Blöcke oder die Wände der Bewohner in den Wohnblöcken.

Egal ob in Ost oder West, der Bau von Unmengen Neubauwohnungen mit einem standardisierten Platten- oder Wohnzellensystem linderte mehr oder weniger wirkungsvoll den Mangel an Wohnungen bzw. an bezahlbaren Wohnungen. Gleichzeitig sorgten die Arbeiterschließfächer oder –regale, die Wohnklos oder Fickzellen - oder wie sonst die Leute dazu sagten - für eine Uniformierung, Verhässlichung und Deurbanisierung der Städte. Sie standen in der DDR auf der grünen oder sauren Wiese, im Stadtkern zerfiel die Altbausubstanz nach dem Motto: Ruinen schaffen ohne Waffen. Nach 1989 haben vor allem die ostdeutschen Städte mit sinkenden Einwohnerzahlen zu kämpfen. Die Arbeitsplätze fielen massiv fort. Es blieb und bleibt für viele nur der Wegzug. Wer es sich leisten kann, nimmt einen Kredit auf und zieht in ein Eigenheim auf dem Ackerland. Diese Siedlungen ähneln wiederum den Bauten, aus denen die „Bauherren" fortzogen: einem umgekippten Hochhaus. Die Tendenz in Richtung zum sozial schwachen oder politisch heiklem Getto ist nicht wegzudiskutieren. Die Kommunen reagieren darauf mit mehr oder weniger geplantem Abriss, mit teuren Sanierungen und mit Modernisierungen.

Doch solche sozialen Probleme finden sich nicht in den Plattenveduten von Jan Brokof. Er wuchs in einem Wohnkomplex von Schwedt auf, in einer Stadt, die zu 80 Prozent durch den II. Weltkrieg zerstört wurde. Den Rest der Altbauzerstörung besorgte der real existierende Sozialismus. Der Künstler lebte in einem Zehngeschosser, der den Abrissplänen des Stadtumbaus zum Opfer fiel. Brokof scheint dem Standardwohnungen Typ P2 keinen Vorwurf zu machen. In einer anrührenden Installation aus verräumlichten Holzschnitten hat er zum Beispiel ein Jugendzimmer auferstehen lassen. Auch sonst sind seine menschenleeren Hochhäuser und Fünfgeschosser nicht hypercleane Wohncontainer. Manchmal erhalten die Blöcke sogar verschiedene „Verhübschungen" mittels Vorhänge, Fensterschmuck und Blumentöpfe.

Die liebevoll mit Gartenzwergen und anderen Nettigkeiten ausstaffierte Loggia wird ebenso mal porträtiert – aber nicht deren Besitzer diffamiert. Ansonsten sind die gereihten und gestapelten Wohneinheiten und Blöcke ein wenig aus der Geometrie gefallen, beharren aber schließlich stur und bedrückend auf diesen Stereotypen. Formal betrachtet sind diese Wohnblöcke seine biografisch geprägten Variationen auf das konstruktivistische Thema: Quader hochkant und Quader liegend, Variationen des rechten Winkels und des Vierecks. Dennoch ist etwas spätromantisch Einfühlsames nicht auszuschließen, wenn an den Rändern die Platten zerbröseln, die Fenster tiefschwarze Vierecke bilden und einen mysteriös anstarren und wenn die wehrhaft weißlichen Balkon-brüstungen an verlassene Festungen erinnern. Der Betonklotz hat Seele, auch wenn sie bedrückend erstarrt ist. Die „Farbe" der Drucke umkreist die porösen, ein wenig stumpfen Grautonlagen zwischen Schwarz und Weißgrau. Da seine solide, klare Holzschnitttechnik sich technisch und stilistisch nicht selbst feiert, übernimmt sie bei ihm die klassische Funktion einer Reproduktionstechnik. Dadurch gelingt ein gewisser dokumentarischer Blick für den das Motiv wesentlicher ist als dessen effektvollste Darstellungsweise. Jan Brokof zeigt in der Tristesse der ostdeutschen Wohnarchitektur eine fatale Vertrautheit, weil vielleicht eine erzwungene Gleichförmigkeit eine solche hervorrufen kann.

Text / Kurator: Armin Hauer

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HINTERLAND
Jan Brokof (1977), Dresden
Gast: Theo Boettger (1975), Berlin
Objekte, Zeichnungen, Drucke
Ort: PACKHOF DES MUSEUMS
Kurator: Armin Hauer