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Die Idee zu human-ism(e) stammt von Florent Bex, vom Museum van Hedendaagse Kunst in Antwerpen, der auch die Auswahl der Künstler vornahm. Unter dem Titel "Reality Revisited" realisierte Florent Bex bereits 1997 drei Ausstellungen in Köln, Davos und Barcelona, in denen er eine neue Generation belgischer Künstler vorstellte.

Es ist überraschend zu sehen, so schreibt Bex, daß der Mensch in den letzten Jahren aufs Neue in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit vieler Künstler gerückt ist. In der zeitgenössischen Kunst, vor allem in Belgien, spielen das Figurative und das Erzählerische eine große Rolle. An der scheinbar klassischen Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur formuliert sich eine grundlegende Skepsis gegenüber einer zunehmend komplexeren und beunruhigenderen Welt. Der Blick richtet sich sowohl auf das Individuum, das auf sich selbst gestellt sein Gleichgewicht sucht, wie auch auf die problematischen zwischenmenschlichen Beziehungen. Befremdliche Bilder stellen existentielle Fragen oder visualisieren das Spektrum menschlicher Gefühle zwischen Liebe, Angst und Hoffnung, Zärtlichkeit und Gewalt, spielerischer Ironie und tiefem Ernst.

Auch wenn für alle in human-ism(e) vorgestellten Künstler so etwas wie die "condition humaine" als Quelle der Inspiration dient, sind ihre Werke, Form und Inhalt sehr unterschiedlich. Sie gehen von bisweilen traumatischen, historischen, politischen, religiösen oder sexuellen Erfahrungen aus. Die Grenze zwischen der persönlichen und der kollektiven Geschichte wird durchlässig.

Das Schlüsselelement in vielen Arbeiten Belinde De Bruyckeres (1964) ist seit 1991 eine einfache Stoffdecke. Labil gestapelt auf einem schmalen Sockel, eingeschlossen in oder drapiert über metallene Käfige, sowohl hart als auch sanft wirkend, fungiert die Decke als universelle Metapher für Schutz und Geborgenheit. Decken stehen für häusliche Wärme, aber auch für das letzte Eigentum vieler Flüchtlinge dieser Welt, die uns regelmäßig in den aktuellen Nachrichten begegnen.

Im Video "pursuit" von Wim Catrysse (1973) sehen wir einen halbnackten Mann hastig vor uns wegkriechen, immer die Dunkelheit auf der linken Seite suchend. Wie ein gehetztes Tier scheint er der Kamera entfliehen zu wollen. Wim Catrysse läßt in seinen Arbeiten alles erzählerisch Ausschmückende weg. Die Handlungen seiner Protagonisten scheinen inkonsequent, ja tyrannisch - gefangen zwischen Ursache und Wirkung.

Michel Huisman (1957) baut Automaten. Sein "pig", eine rechteckige Blechfigur mit sechs geräucherten Schweinsohren auf dem Rücken, bewegt sich auf dünnen Vogelfüßen durch den Raum und schwenkt in seinem Rüssel eine Taschenlampe. Plötzlich steht "pig" still. Die eigene Bewegung hat die Verbindung zur Steckdose unterbrochen. Das Maschinelle, Automatische steht bei Michel Huisman nicht für eine zukunftsgläubige technische Rationalität, sondern für eine an die Tradition der Romantik und des Surrealismus anknüpfende Weltsicht, in der alltägliche, geheimnisvolle und sakrale Elemente gleichwertig nebeneinanderstehen.

Edward Lipski (1966) reduziert seine figürlichen Objekte auf Urformen oder absolute Begriffe, die er anschließend manipuliert und in ihr Gegenteil verkehrt. Die "Ratten" (1997) sind zwei nackte Tiere mit einer kosmetisch perfekten rosa Hautoberfläche in einer zärtlichen, menschlich anmutenden Umarmung. Die Umschlingung der winzigen Hände und die Berührung der Münder stehen als Zeichen der Liebe dem Gefühl des Ekels gegenüber.

Das Fragmentarische, das Guy Van Bossches (1952) Malerei prägt, beruht auf der Nutzung fotografischer Momentaufnahmen. Die Ausschnitthaftigkeit der Bilder und die Isolierung des dargestellten Gegenstands fokussieren den Blick auf zentrale Wesensmerkmale. Verlassene Interieurs wechseln sich ab mit ländlichen und urbanen Umgebungen, in denen die menschliche Figur entweder abwesend ist, oder nur stellvertretend durch ein Kleidungsstück in Erscheinung tritt. Auch in zeitlicher Hinsicht kommt das Ausschnitthafte zum Tragen. Guy Van Bossche führt uns Geschichten ohne Anfang und Ende vor.

Jan Van Oost (1961) schafft ebenso morbid wie perfekt ausgearbeitete Objekte. Wir finden einen auf dem Boden liegenden Frauenkörper, der in schwarze Seide gehüllt ist. Der Kopf zeigt keine Gesicht, nur lange schwarze Haare. Das Sichtbare verweist unmittelbar auf eine dahinterliegende symbolische Bedeutung. Jan Van Oost kultiviert die Melancholie des schönen Scheins und verhüllt die erkennbare Wirklichkeit.

Ludwig Vandevelde (1957) stellt sowohl theoretische als auch praktische Fragen zum Abbildungsproblem in der Bildhauerei. Für "Die 12 Monate" schlug der Künstler aus einer alten Eiche die Falten eines immer wieder anders aufgehängten Tuchs. Seine romantischen Bukett- und Blumenskulpturen der letzten Jahre und die durchfurchten, in Ton gestalteten Portraits erscheinen wie aus der Erinnerung auftauchende Bilder.

Ria Paqcuée (1954) bedient sich der Fotografie, um Bilder zu schaffen, die wie aus dem Leben gegriffen scheinen. Ende der 70er Jahre wurde der öffentliche Raum in seiner banalen Alltäglichkeit zum Ort für zahlreiche Aktionen und Performances. Ihre neuen Fotografien "In search of the unknown" zeigen die zerstörten Gesichter von Reliefskulpturen auf Grabplatten. Es sind fragmentarische Geschichten über das Ephemere (Kurzlebige), die Vergänglichkeit und die Einsamkeit.

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Human-ism(e)
Kurator: Florent Bex

mit Guy van Bossche, Berlinde De Bruyckere, Wim Catrysse, Michel Huisman, Edward Lipski, Jan Van Oost, Ria Pacquee, Ludwig Vandevelde