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„Was ist Design, was ist Kunst“, fragt Jakob Lena Knebl im Gespräch. „Was ist der Körper, was ist Identität“, sind weitere Fragen, deren Beantwortung er offen lässt, aber in ihrem Werk umkreist. Kleidung und Möbel berühren den Körper, sind ihm in Form und Maßen angepasst. Sie sind andere Körper, die dem eigenen antworten, sich ihm entgegenstellen oder anschmiegen. Möbel sind responsiv und performativ. Deshalb sind Dingentwürfe wie Selbstentwürfe, Möbel und Kleider wie dinggewordene Begierden. Design ist demnach ein Fetisch des Körpers wie die Kunst, die sich angeblich davon befreit.

Design und Draperie Vielleicht ist Design heute deshalb zur Alltagsaufgabe geworden, genauso wie Identität. Die Auswahl von Kleidern und des Umraums folgt ehrgeizigen Selbstgestaltungen. Profilierungsdruck und Narzissmus zwingen zum Selbstdesign. Heutige Menschen meinen sich als Urheber ihres Ichs qualifizieren zu müssen, indem sie Gestaltungsideen an sich und den sie umgebenden Räumen anbringen. Attitüden und Kleiderwahl sind Prestige auch wenn Massenkonsum und Konzernprodukte originelles Auftreten kaum mehr möglich machen. Dennoch werden Mode und Möbel immer noch als private Zeichensetzungen verstanden, die kulturell wahrgenommen den Anwendern und Anwenderinnen hohe gesellschaftliche Einkünfte versprechen. Dies betrifft letztlich den Körper selbst, nicht nur das Portionieren und Drapieren von Stoffmengen rund um ihn. Darüber besteht kein Zweifel. Der Körper ist verdinglicht wie die zeigefertige Ware und das feilgebotene Produkt.

Stilschale und Selbsterfindung Jakob Lena Knebl ist ein Künstler, die den Subjektkult rund um Moden und Schaustellungsbedürfnisse auf die Spitze treibt. Aus der Übertreibung gewinnt er Kritik und Ironie. Knebl schafft inszenierte Fotografien, in denen sie ganzkörperbemalt den Betrachter/innen entgegenblickt. Knebl ist dabei unverblümt und nackt. Dabei betont er weniger die Körperpartien als eine artifizielle Figur, kreiert eine dekadente Selbstdarstellung. In manchen Fotos erscheint der Körper der Künstlerin wie ein zur Komik verzerrtes goldenes Kalb. Er ist Goldbarren, Aktie, Götze, Produkt, Kult. Worauf es Knebl ankommt, ist sein Verschwinden unter seinem vermeintlich gesteigerten Wert. Der Körper wird zum Artefakt.

Gewand und Gerüst Bemalt und für das Foto zugerichtet verwandelt sich der Körper in Theater, Strategie und Rhetorik. Knebls Grundgedanke ist die Sinnabwanderung des Gebrauchs. Er will dem Ich gleichsam die Einzigartigkeit durch übertriebene Gestaltung austreiben, sie spricht vom „Tod des Autors“, wohl aus einem Zuviel an unwirklicher Pose. Und er hat Recht. Denn sobald ästhetische Werte und gekünstelte Selbstexpositionen die Funktion überlagern, treten neue, hybride Existenzen an die Stelle. Sie haben weder Namen noch Norm, weder Ich noch Identität. Es gibt sie nur als Schaustücke, als exponierte Wesen, als Vitrinendasein. Dies ist Knebls Absicht. Sie probiert am eigenen Körper, wie sich Design üblicherweise der Dinge bemächtigt. Gewand verwandelt sich in Gerüst, Möbel in Skulpturen, sobald sie an Gebrauchswert einbüßen. Zugleich gewinnen die Gegenstände durch Gestaltung an Selbstbestimmung. Es sind die Dinge, die sich durch den Designkult neben den Menschen emanzipieren. Bei Knebl treten sie über und nahe an den Sektor der Kunst. Sie werden zu Objekten von einem eigentümlichen Zwischendasein zwischen Körper, Design und freier Gestaltung. Und doch bleiben sie unbestimmt.

Chesterfield und Roland Rainer Knebls Gegenstrategie besteht in der Affirmation. Er stellt sich selbst als Möbel dar. Hinter der Fassade des Re-Enactment verschwindet das Ich. Was wie ein Werbegag zur Aufmerksamkeitssteigerung aussieht, zelebriert das Verschwinden des Eigenen hinter Maske, Mode und Modell. In Innsbruck zeigt sie eine neue Fotografie, in der er selbst als Chesterfield-Möbel erscheint. Auf den Körper hat sie die typischen Rauten der gepolsterten Möbel gemalt. Haare sind messingfarben, die Hand golden, Ellbogen und Beine wie Knauf und Armleiste. Über und unter dieser gipsernen Kunstfigur ballen sich Knäuel von grünem Samt. Dazu kommen der dunkle, anonyme Raum und eine Selbstpräsentation als fleischliches Juwel in einem sinistren Schaufenster.

Dunkelkammern Knebl erscheint als Möbelobjekt, entwirft jedoch auch solche. Es ist gleichsam die Begegnung in der Mitte. Er selbst wird zum Möbel, in gleichem Maße fertigt sie Möbel, die zum Selbst werden. Knebl benennt diese vermenschlichte Dingkultur präzise mit „Objektophilie“. Manche ihrer Anfertigungen sind aus fragilen Stäben zusammengesetzt, Zeichnungen im Raum gleich, in anderen verdichten sich gepolsterte Teile wie zu gebundenen und drangsalierten Körpern. In Innsbruck zeigt er eine Garderobeeinrichtung von Roland Rainer aus der Wiener Stadthalle. Sie ist ein pulverbeschichtetes Stahlteil in einem mintgrünen Anstrich. Knebl „erweitert“ sie, setzt zusätzliche Stangen und Stäbe. Die ursprüngliche Funktion verbirgt sich mehr und mehr hinter den Zusätzen. Je mehr sie der „Funktion beraubt“ werden (Knebl), desto eher erscheinen sie wie selbstständige skulpturale Elemente. Knebl probiert dies auch an anderen zu Designklassikern gewordenen Objekten, zum Beispiel an Coco Chanels erster Handtasche mit Schulterriemen „2.55“. Umgangssprachlich als „Arm Candy“ bezeichnet, galt erstmals Handfreiheit im Luxussegment nicht mehr als ordinär.

Der Ausstellungsraum wird zur Dunkelkammer und geheimen Bühne. Die Objekte werden wie seltsame Mirabilien in Schatzkammern angestrahlt. Manche wirken wie exquisite Interieurs aus exotischen Wunderkammern. Andere wie Utensilien für fremdartige erotische Praktiken, zerbrechliche Foltergeräte oder luxuriöse Paravents. Samt und Surreales sind majestätisch erleuchtet und erzeugen dennoch ein triftiges Unbehagen.

Thomas D. Trummer

Kurzbiografie von Jakob Lena Knebl: Schwule Sau, KÖR, Wien (2013); OT, Salzburger Kunstverein (2013); „Erfinde Dich selbst“, Kunstverein Wolfsburg (2013); „The only performance that make it all the way …“, Kunsthaus Graz (2013); “Vienna Calling”, Mestrovic Pavillion, Zagreb, (2013); Faceless; Freiraum, Wien (2013); Kunst & Mode, Mumok, Wien (2012); female takeover, Ve.Sch, Wien (2012); Beauty Contest, MUSA, Wien (2012); Reality Manifestos, or Can Dialectics Break Bricks?, Kunsthalle Exnergasse, Wien (2012); Bossing Images, in Kooperation mit Hans Scheirl und Tim Stüttgen, NGBK, Berlin (2012); trans*_homo, Schwules Museum, Berlin (2012); Sense and Sensibilities, Kunstverein Salzburg (2011); Beauty Contest, ACF, New York (2011), Amore Ettore, Viennafair, Wien (2011); Transgression, Beers.Lambert Contemporary, London (2011); Wiener Glut, KIT, Düsseldorf (2011); What´s the Measure?, Glockengasse 9, Wien (2011); Projekcts and Assignments, Saprophyt, Wien (2010); Alte Sachen, in Kooperation mit Markus Hausleitner und Heimo Zobernig, Galerie Christian Nagel, Berlin (2010); Hard To Sell, Good To Have, Palais Sturany, Wien (2010); Becoming; H13 2010, Kunstraum Niederösterreich, Wien (2010); Ich Tier! (Du Mensch), Perla Moda + Dienstgebäude, Zürich (2010); OPEN UP Kommunikartion, Tanzquartier Wien (2009); Mode Francaise, in Kooperation mit Chris Haring, Les Subsistances Lyon, Tanzquartier Wien, Impulstanzfestival Wien und Sommerszene Salzburg (2008-09) www.jakoblenaknebl.com

Eröffnung: Dienstag, 08.04.2014 um 19.00 Ausstellungsdauer: 09.04. – 24.05.2014