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Die Ableitung des Wortes "Kunst" ist nicht eindeutig. Manche behaupten, es komme von "Können" und bestreiten denn auch, dass ein Gegenstand, an dem kein spezielles technisches Können festzustellen ist, ein Kunstwerk sei. Wohl eher leitet sich das Wort "Kunst" jedoch von "Kennen" ab, vielleicht auch von "Künden". Sicher hat Kunst mit dem rätselhaften "Kennen" und mit "Kunde" mehr zu tun als mit dem rein materialistischen "Können".

Kunst umspannt alle Völker und grosse Zeiträume. Was im Verlauf der letzten 25 Jahre im Palazzo zu sehen war, bildete zwar nur einen winzigen Ausschnitt aus der unübersehbaren, gesamten Kunst, die je von Menschen gezeichnet, gemalt, gehauen, gebaut, photographiert worden ist. Aber dieser winzige Ausschnitt gewährt wie ein kleines Guckloch, wenn wir unser Auge nur nahe genug an dieses heranführen, einen Einblick in eine immense Welt. Ideen, Ideale, Utopien, Gedanken, Ahnungen, Gefühle, Obsessionen, Träume waren hier im Palazzo sinnlich erfassbar und eröffneten den Besucherinnen und Besuchern neue Einblicke, Erfahrungen und Erkenntnisse.

Heute wird "Kunst" oft mit "Kultur" gleichgesetzt oder gar verwechselt. "Kultur" ist die Gesamtheit der Lebensformen eines Volkes, einer Gesellschaftsschicht, einer Gemeinschaft. Zur Kultur der Gegenwart gehören das Auto, Fast Food und das Fernsehen ebenso wie der Kunstbetrieb und die zeitgenössische Kunst. Kunst an sich jedoch ist etwas ganz anderes als eine Lebensform. Sie ist eine Methode, sich den Weltgeheimnissen zu nähern und fordert auf, über das Leben und seine Formen nachzudenken, sie allenfalls zu verändern oder zu neuen Ufern aufzubrechen.

Der Palazzo ist keine Kunsthalle, in der die Besucherinnen und Besucher Sitten, Essen und Trinken, Bart- und Haartracht, Mode und Geschmack der aktuellen Zeit studieren, sondern der Palazzo bildet einen Ort, an dem Menschen Werken der Kunst gegenübertreten und deren Sinn zu ergründen suchen. Die Möglichkeiten, diesen Sinn zu ergründen, sind ganz verschiedener Natur. Sie reichen von unvoreingenommener Betrachtung bis zur Hingabe an die Wirkung des Kunstwerks, vom Genuss der Schönheit bis zu den feinsten Deutungen.

Im Namen des Bundsamtes für Kultur beglückwünsche ich die Verantwortlichen des Palazzo und dabei insbesondere Herrn Niggi Messerli, die vor 25 Jahren die Chance des ehemaligen Post- und Telegraphengebäudes erkannt haben und dafür sorgten, dass sich dieses in ein lebendiges Forum für zeitgenössische Kunst verwandelte, das heute in der ganzen Schweiz und sogar über ihre Grenzen hinaus wahrgenommen wird. Der Palazzo ist im Verlauf von 25 Jahren zu einem wahren Partner für das Bundesamt für Kultur geworden.

Wie der Palazzo versucht das Bundesamt im Auftrag der Eidgenossenschaft die Bedingungen, unter denen Schweizer Künstlerinnen und Künstler arbeiten, durch vielfältige Massnahmen laufend zu verbessern. Immer wieder stellten Künstlerinnen und Künstler, die das Bundesamt für Kultur mit Preisen, Werkankäufen, Projektbeiträgen, Ateliers im Ausland und Entsendungen an wichtige internationale Kunstausstellungen ausgezeichnet hatte, hier im Palazzo ihr Schaffen vor. Viele Künstlerkarrieren sind vom Palazzo und vom Bundesamt für Kultur gemeinsam gestärkt worden. Das Bundesamt ist oft erst auf Künstlerinnen und Künstler aufmerksam geworden, als deren Schaffen im Palazzo zu sehen war. Der Palazzo hat immer wieder davon profitiert, dass er für seine Ausstellungen aus dem Kreis der vom Bundesamt ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstler auswählen konnte. Gerne erinnere ich an die zwei Ausstellungen, die das Bundesamt für Kultur gemeinsam mit dem Palazzo hier in Liestal durchführen durfte.

Geht etwa der gute Geist für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Kultur und dem Palazzo sogar in eine Zeit zurück, in der ein Prophet, der behauptet hätte, dass das 1892 in Liestal erbaute Post- und Telegraphengebäude einst in ein Forum für zeitgenössische Kunst verwandelt würde, keine grosse Zukunft gehabt hätte? Wer weiss, vielleicht hat der Architekt Hans Wilhelm Auer die künstlerische Bestimmung seines Post- und Telegraphengebäudes in Liestal erahnt und verpasste ihm deshalb Formen und Dekor, die sich auch an der Oper in Dresden und am Burgtheater in Wien, die beide von seinem Lehrer Gottfried Semper errichtet worden sind, finden lassen. Vergessen wir nicht, dass Hans Wilhelm Auer hier am Palazzo einen Baustil entwarf und erprobte, den er wenige Jahre später beim Bau des von ihm geplanten Bundeshauses in Bern konsequent angewendet hat.

In Liestal steht somit mit dem Palazzo der ältere Bruder des Bundeshauses in Bern. Auch das Bundeshaus in Bern erinnert stark an die Theater- und Opernhausarchitektur von Gottfried Semper. Ob jedoch auch das Bundeshaus einst zu einem Kulturforum wird, wage ich nicht zu behaupten, auch wenn es bereits jetzt schon in seinem Innern Szenen zu beobachten gibt, die an Theater- oder Opernaufführungen erinnern.

Auf jeden Fall war es konsequent, wenn vor 25 Jahren Herr Bundesrat Hans Hürlimann mit der Zusprache einer namhaften Summe aus der Bundeskasse mithalf, dass aus dem Post- und Telegraphengebäude in Liestal der Palazzo entstand. Konsequent war es auch, dass der Palazzo über lange Jahre hinweg regelmässig in den Genuss eines vom Bundesamt für Kultur angewiesenen Betriebsbeitrags kam. Es bleibt zu hoffen, dass diese Tradition trotz den Turbulenzen, welche die Bundeskasse zur Zeit erlebt, recht bald wieder aufgenommen werden kann.

Ich beglückwünsche den Palazzo herzlich zu seiner 25jährigen Erfolgsgeschichte und wünsche Ihnen allen heute Abend viele gute Begegnungen mit den Künstlerinnen und Künstlern, den Kuratorinnen und Kuratoren und insbesondere auch mit Herrn Niggi Messerli, ohne deren Mitwirken der Name "Palazzo" leer und nichtssagend geblieben wäre. Ich freue mich auf die kommenden 25 Jahre Palazzo und denke, dass ich mit dieser Freude nicht allein bin!

Urs Staub, 2004

Pressetext

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le salon
Jubiläumsausstellung 25 Jahre Palazzo 1979-2004

mit Matthias Aeberli, Urs Aeschbach, Victor Bächer, Silvia Bächli, Annette Barcelo, Carlo Baratelli, Simon Beer, Ruth Berger, Ueli Berger, Simone Berger, Carlos Varela, Daniel Berset, Aldo Bonato, Peter Brunner-Brugg, Ruth Buck, Samuel Buri, Coghuf, Agathe Coutemoine, Pascal Danz, Yan Duyvendak, Christoph Fierz, Fischli / Weiss, Sylvie Fleury, Corsin Fontana, Heinrich Gartentor, Michel Grillet, Mireille Gros, Alex Hanimann, Eric Hattan, Lori Hersberger, Candida Höfer, Roland Hotz, Bruno Jakob, Daniela Keiser, Beat Klein, Hendrikje Kühne, Rahel Knöll, Dieter Leuenberger, Dieter Linxweiler, Claudio Magoni, Ursula Bohren Magoni, Rachel Mahler, Al Meier, Stephan Melzl, Ernst Messerli, Gianni Motti, Thomas Müllenbach, Bessie Nager, Jos Näpflin, Karim Noureldin, Olivia, Simone Oppliger, Thomas Popp, Gilles Porret, Allan Porter, Ray Mond, Dino Rigoli, Pipilotti Rist, Christian Rothacher, Christoph Rütimann, Claude Sandoz, Ruedi Schill, Monika Günther, Laurent Schmid, Albrecht Schnider, Markus Schwander, Kurt Sigrist, Dieter Seibt, Alex Silber, Beat Streuli, Cédric Teisseire, Francis Traunig, Emmanuelle Villard, Francois Viscontini, Selma Weber, Cécile Wick, Laura Weidacher, Anna Wiesendanger, Alfred Wirz, Hans Witschi, Mireille Wunderly