press release only in german

Leon Golub (1922 – 2004) war einer der großen politischen Maler Amerikas. Als scharfer Beobachter registrierte er die Brüche und Verwerfungen einer offen oder latent aggressiven Gesellschaft: Rassismus, Straßenkriminalität, die Abgründe des Krieges, physische und psychische Versehrtheit, aufgestaute, unterdrückte Wut. Berühmt wurde Golub durch seine monumentalen, geradezu kinematographischen Gemäldezyklen von Kampfeinsätzen (Vietnam), Söldnertruppen (Mercenaries) oder Folterpraktiken (Interrogations). Es sind Historienbilder ohne Helden, in denen der menschliche Körper als der eigentliche Ort der Gewalt in den Vordergrund rückt. Unter dem Eindruck des 11. September 2001 und des US-amerikanischen „war on terror“ erhielten diese Arbeiten eine neue Aktualität, auf die Golub mit einer letzten Gruppe großformatiger Tableaus reagierte, die 2002 auf der Documenta11 zu sehen war. Die Ausstellung in der Barbara Gross Galerie spannt von dort den Bogen bis zu den intimeren, aber nicht weniger brisanten Arbeiten auf Papier aus Golubs letzten Schaffensjahren.

In Two Heads II (1989), dem frühesten der hier gezeigten Werke, verweist die schrundige Oberfläche des Bildes noch auf den für Golubs Arbeiten der 1980er-Jahre typischen Malprozess: die Farbe wird nach dem Auftrag mit Alkohol gelöst und mit einer scharfen Klinge teilweise wieder abgeschabt. So findet der erschöpfte und verhärmte Ausdruck in den Gesichtern der beiden Männer seine Entsprechung in der zerfurchten, verwundeten Textur des Gemäldes. Die Bedrohung, die in diesem Werk nur in Andeutungen aufscheint, bricht in der großen Documenta-Arbeit Disappear You (2001) oder den Ölstiftzeichnungen Hung und From Out of Hell (2000) explizit hervor: zähnefletschende Hunde, geschundene Körper, die aus dem Ruder laufenden Ordnungsstrukturen der Lager und Gefängnisse, der permanente Ausnahmezustand. Im Alter wandte sich Golub verstärkt dem kleineren Format zu. Die Zeichnungen sind flüchtig, ungeduldig, der Strich wird schnell auf das Blatt gesetzt, die Formen fallen auseinander. Mythologische Motive rufen Golubs frühe Antikenbegeisterung in Erinnerung, und der Einbau sloganartiger Textfragmente erweitert die Bildaussage um Kommentare von mitunter geradezu bissigem Humor. Kollektive, politische Gewalt tritt als Thema zurück – nicht, weil sie sich erledigt hätte, sondern weil Golub sich ihr von der anderen, der privaten Seite nähert.

Diese persönliche Perspektive verleiht den Arbeiten auf Papier bei aller Härte etwas Versöhnliches. Von den Exzessen sinnloser Aggression lenkt Golub den Blick hier auf die kleinen Gesten des Widerstands und des herausfordernden Kräftemessens. Männliche Übergriffe (etwa die des Posers in Not Bad Huh?, 2003) wird mit geladenem Revolver oder offensiver Sexualität beantwortet (You're going to do what?, 2003 und Golden Girl 2, 2003). Der ausgelassene Tanz der bocksbeinigen Faunin mit dem Totenschädel verlacht das Sterben (Danse Macabre, 2004). Die immer wieder auftauchenden streunenden Hunde sind nicht nur apokalyptische Boten, die die Welt bevölkern werden, wenn die menschliche Ordnung zusammenbricht und Verwahrlosung sich ausbreitet, sondern auch Symbole für Freiheit und Wildheit.

Leon Golub, geboren 1922 in Chicago, verstarb 2004 in New York, wo er – nach einem fünfjährigen Paris-Aufenthalt – seit 1964 gelebt und gearbeitet hatte. 1996 erhielt er zusammen mit seiner Frau, der Künstlerin Nancy Spero, den Hiroshima Art Prize. Teilnahmen an der Documenta 1964, 1987 und 2002 sowie den Biennalen Venedig 2001 und 2003. Einzelausstellungen u a.: Museo Reina Sofía, Madrid 2011; The Drawing Center, New York 2010; Chicago Cultural Center, Chicago 2003; Brooklyn Museum of Art, New York 2001; Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent 2000; Irish Museum of Modern Art, Dublin 2000.

Eröffnung Donnerstag, 13. März 2014 19 - 21 Uhr

Gespräch zum Werk von Leon Golub Dr. Martin Engler, Sammlungsleiter Gegenwartskunst im Städel Museum Frankfurt Prof. Philip Golub, Professor für Politikwissenschaften an der American University of Paris Freitag, 4. April 2014, 18 Uhr

only in german

LEON GOLUB Danse Macabre

künstler:
Leon Golub