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Marina Abramoviç hat in ihren Performances die Grenzen ihres Körpers und ihres Bewusstseins immer wieder aufs Neue ausgelotet und Tabus in Frage gestellt. Die Experimente mit Medikamenten, ihre Schmerzerprobungen oder die Einbeziehung des Publikums führten sie bis zur totalen Erschöpfung und bargen ein hohes persönliches Risiko. Für ein Projekt im Solomon R. Guggenheim Museum New York im November 2005 wählte sie fünf wegweisende Performances der 1960er und 1970er Jahre aus, die sie in einer jeweils siebenstündigen Performance wiederholte. Neben Performances von Vito Acconci, Joseph Beuys, VALIE EXPORT, Bruce Nauman und Gina Pane führte sie eine eigene frühe Performance aus dem Jahr 1975 wieder auf sowie eine neue, bisher noch nicht gezeigte. Für Abramoviç bedeutete die Beschäftigung mit den Performances das Annehmen und Ausfüllen einer für sie fremden Rolle. Die Videoaufzeichnungen dieser Serie werden nun erstmals in Deutschland in der Kunsthalle Fridericianum gezeigt. Die Ausstellung wird von einem Symposium begleitet, welches die aktuellen Tendenzen und Entwicklungen innerhalb der Performancekunst untersucht.

How to perform? Wiederaufführung und Dokumentation in der Performance-Kunst Symposium am 6. Mai 2006, Kunsthalle Fridericianum, Kassel

Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Seven Easy Pieces von Marina Abramovic veranstaltet die Kunsthalle Fridericianum am 6. Mai 2006 ein eintägiges Symposium, das sich auf das Wiederaufführen von Performances als ein Akt der Neu-Positionierung einer historischen Situation konzentriert und aktuelle Entwicklungen innerhalb der Performance-Kunst beleuchtet. Die Ausstellung präsentiert erstmalig die Videodokumentation der Wiederaufführung von sieben Performances, die Marina Abramovic im Solomon R. Guggenheim Museum New York im November 2005 durchführte. Es handelte sich hierbei um inzwischen historische Performances von Bruce Nauman (Body Pressures, 1974), Vito Acconci (Seed bed, 1972), VALIE EXPORT (Action Pants: Genital Panic, 1969), Gina Pane (The Conditioning, 1973), Joseph Beuys (Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, 1965) sowie um zwei Performances von Marina Abramovic (Lips of Thomas, 1975 und Entering the Other Side, 2005). Marina Abramovic performte Seven Easy Pieces vor Publikum jeweils sieben Stunden, an sieben aufeinander folgenden Tagen auf.

Ganz gleich ob als Live-Performance dargeboten, wie im Guggenheim Museum oder in Form von Aufzeichnungen wie in der Kunsthalle Fridericianum, das Wesen von Seven Easy Pieces als eine Serie bemerkenswerter Performances aus den 1960er und 1970er Jahren, die vor einem gegenwärtigen Publikum lebendig werden, bleibt identisch. Die Ausstellung Seven Easy Pieces und die bisherige Praxis der Dokumentation von ephemerer Kunst rufen einige relevante Fragestellungen hervor denen sich das Symposium aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähert. Von zentralem Interesse sind hierbei Fragen der Vermittlung, der Positionierung, der Wiederaufführung und Dokumentation von Performances in ihrem historischen und aktuellen Kontext.

Wiederaufführung und Dokumentation – Liegt die Zukunft der Performance-Kunst in der Vergangenheit? So könnte die provozierende Zuspitzung lauten, die das Symposium inhaltlich strukturiert und in einzelnen Themenfeldern anreißt. Das Wiederaufführen einer Performance bedeutet nicht nur das bloße Nachstellen oder Wiederholen, es bedeutet auch, das Wissen über die erste Realisation und die genauen Umstände der Aufführung aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren. Es setzt sich ab von einem einfachen Imitieren oder Rezitieren, da es in den meisten Fällen auf kollektive oder individuelle Erinnerung aufbaut und dadurch immer eine Übersetzungsleistung voraussetzt – aus der Geschichte in die Gegenwart, von einem Erzähler zu einem anderen, von einem Performer zum nächsten, von einem Publikum zu einem neuen.

Performance-Kunst steht in einem besonderen Verhältnis zu Zeit, Raum und Publikum. Der Zugang zu klassischen Performances aus den 1970er Jahren kann heute zwar nur über deren Dokumentation, Relikte und deren Wiederaufführung erfahren werden oder bleibt gänzlich verborgen. Viele zeitgenössische Performance-Künstler integrieren den Prozess der Dokumentation in ihrer Aufführung mit ein, wobei andere Künstlerinnen und Künstler auf die Besonderheit des spezifischen Moments insistieren, in dem die Performance stattfindet. Das Symposium widmet sich den Fragestellungen, die sich aus Dokumentation und Wiederaufführung ergeben, sowie Fragen nach der Autorschaft und Authentizität. Woher stammt der Wunsch, historische Performances erneut aufzuführen? Wie werden Bedeutung und Erfahrung durch die Wiederholung einer Performance neu vermittelt? Kann man dann noch von einer ‚originalen’ Performance sprechen?

Referentinnen und Referenten - Marina Abramovic (Künstlerin, New York) - Maja Bajevic (Künstlerin, Sarajevo und Paris) - Monica Bonvicini (Künstlerin, Berlin) - Erika Fischer-Lichte (Theaterwissenschaftlerin, Direktorin des Instituts für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin und dort Leiterin des Sonderforschungsbereichs Kulturen des Performativen, Berlin) - Judith Hopf (Künstlerin, Berlin) - Steven Henry Madoff (Kunstkritiker und Autor, New York) - Sandra Umathum (Theaterwissenschaftlerin, Berlin) - Dorothea von Hantelmann (Kunsthistorikerin und Kuratorin, Berlin)

Pressetext

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Marina Abramovic: Seven Easy Pieces
Ausstellung und Symposium

06.05.06 Symposium "How to perform?"
ReferentInnen: Marina Abramovic, Maja Bajevic, Monica Bonvicini, Erika Fischer-Lichte, Judith Hopf, Steven Henry Madoff, Sandra Umathum, Dorothea von Hantelmann