Kunstsammlung Jena

Jena Kultur | Städtische Museen Jena, Stadtmuseum & Kunstsammlung Jena | Markt 7
07743 Jena

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Vernissage: Freitag, 3. Dezember 2010, 20 Uhr

Das Werk der Videokünstlerin Martha Colburn nimmt, thematisch und formal, eine Sonderrolle in der aktuellen Kunst ein. Zu ihren bevorzugten Arbeitsgebieten gehören Politik, Geschichte, Kultur und Sexualität. Dabei schreckt sie nicht vor brisanten Themen zurück, die sie mit originären und ungewöhnlichen filmischen Techniken in eine provokante und kritische Bildsprache überträgt. Viele der Filme haben nicht nur durch die Art der Entstehung und Umsetzung einen sehr persönlichen Charakter, sondern überzeugen auch durch die von Leidenschaft, Witz und einem schier überbordenden Einfallsreichtum getragene Inszenierung. Oftmals konterkariert Colburn in ihren Filmen bestimmte Bereiche der populären und politischen Kultur. Dabei sind die Videos gleichermaßen humorvoll und verstörend. Durch den Mix verschiedener Techniken – Found Footage, Collage, Malerei auf Glas, Trickfilm- und Dokumentarfilmtechniken – generiert sie ein surreal gebrochenes Panorama unserer Realität, das von eben jenen Bildern, Nachrichten und Ereignissen bestimmt wird, die uns täglich erreichen. Viele dieser Informationen werden in Handlungssträngen verdichtet, andere leuchten wie Kometen auf und bereichern die Fülle der von Durchdringungen und Überlagerungen gespeisten Videos. Zu ihrem Werk zählen über 40 Filme und Anima­tionen, daneben zahlreiche Collagen und Perfor­mances. Martha Colburn wird 1972 in Gettysburg, Pennsylvania (USA) geboren und besucht ab 1990 das Maryland Institute College of Art in Baltimore. Dort kommt sie mit der experimentellen Musikszene in Kontakt, gründet (zusammen mit Jason Willett) die Punk-Rock-Band The Dramatics und verarbeitet deren Musik in einigen Filmen. Die Motivation zum Filmemachen entsteht unter anderem aus dem zufälligen Fund alter 16 mm-Lehrfilme, deren Oberflächen sie verfärbt, zerkratzt oder verfremdet. Die Filme „Acrophobic Babies” und „Feature Presentation”, beide von 1994, sind frühe Beispiele dieser Arbeitsphase, in der altes Film­ma­terial verwertet und nach dem Prinzip einer Found Footage in den neuen Film einging. Um 1995 entdeckt Martha Colburn das Super-8-Filmformat für ihre Arbeit und wechselt zu dieser Technik. Ab Mitte der 1990er Jahre arbeitet Martha Colburn mit Marionetten und verschiedenen Animationstechniken, die ihren Filmen einen auffälligen und originären Charakter verleihen. Der Film „Killer Tunes” (1995) ist eine ihrer ersten Animationen: Die im Film durch Marionetten ersetzten Mitglieder der Band The Dramatics werden aufgrund ihrer todbringenden Musik von Außerirdischen entführt. Seit einigen Jahren werden Martha Colburns Filme zunehmend komplexer: Sie erprobt neue Formen, Materialien und Konzepte, nutzt Puppenspiel, Collage und Glasmalerei und verdichtet die Inhalte und die Choreografie der Filme. Im Jahre 2000 erhält Colburn ein Stipendium an der Rijksakademie van beeldende kunsten (Reichsakademie der Bildenden Künste) in Amsterdam. Während ihres Aufenthaltes in den Niederlanden verwirklicht sie zahlreiche Film- und Musikprojekte. Mit dem deutschen Techno-Artisten Felix Kubin produziert sie das Ge­meinschaftswerk „Groscher Lansangriff: Big Bug Attack“ (2002). Neben Gerippen, Totenschädeln, pornografischen Darstellungen und verschiedenen anderen Bildern nimmt die Musik eine wichtige Position ein. Große Teile des Films sind handkoloriert. 2005 kehrt Martha Colburn in die Vereinigten Staaten zurück und lebt und arbeitet seither in Long Island City, New York. In ihren neuesten Filmen setzt sie sich kritisch mit der amerikanischen Identität, der Geschichte Amerikas und aktueller Politik auseinander. In einigen Filmen wird die heutige Innen- und Außenpolitik der USA mit bestimmten historischen Situationen konfrontiert. So vereinigt der Film „Destiny Manifesto“ (2006) frühe Darstellungen von amerikanischen Grenzgebieten mit Kriegsbildern aus Afghanistan. Der Film „Meet Me in Wichita“ (2006) ist eine Parodie des Filmklassikers „Der Zauberer von Oz“, in der, abgesehen von Filmheldin Dorothy, alle Charaktere durch Osama Bin Laden ersetzt werden. In den letzten Jahren hat Martha Colburn neben ihren Filmen zahlreiche Animationen für Musikvideos entworfen. Martha Colburn gehört zu den facettenreichsten und ungewöhnlichsten Video-Künstlern unserer Zeit. In der Ausstellung werden vor allem neue Filme und Col­lagen erstmals in Deutschland gezeigt.