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Mel Ziegler ist einer der konsequentesten Vertreter des erweiterten In-Situ Begriffs der 90iger Jahre. In seinen sowohl im Ausstellungsraum als auch im Stadtraum angesiedelten Projekten untersucht er, wie sich die Gegebenheiten des öffentlichen Lebens und der soziale Raum in der Architektur und im "Design" von Städten wiederspiegeln. Im Fokus seiner Arbeit steht dabei die Frage nach den versteckten historischen und sozialpolitischen Manifestationen von Repräsentation. Um diese aufzudecken und zu manipulieren, schafft Mel Ziegler mit den unterschiedlichsten Materialien komplexe Referenzsysteme, in denen individuelle und kollektive Geschichte aufeinander treffen.

Sein Projekt stuffed ist sowohl in der Galerie der Secession als auch in verschiedenen Geschäftslokalen der Wiener Innenstadt angesiedelt und untersucht die Bedeutungspotenziale von Vitrinen und Schaukästen ebenso wie ihre unterschiedlichen Präsentationskontexte in Museen, Ausstellungsräumen und Einkaufszonen inklusive der damit verbundenen Wertzuschreibungen und Besitzverhältnisse.

Die Ausstellungsräume der Secession bespielt Mel Ziegler mit einer Reihe von Biedermeiervitrinen und -schränken aus dem Kaiserlichen Hofmobiliendepot. Er stellt die Vitrinenmöbel, die heute als Teil einer Sammlung in den öffentlichen Besitz übergegangen sind, mit der Schauseite zur Wand, so dass sie sich ihrer ursprünglichen Funktion der Präsentation verweigern und stattdessen selbst zum Ausstellungsobjekt werden.

Vor dem sozialgeschichtlichen Hintergrund eines allgemeinen Rückzugs ins Private war die Wohnung der wichtigste Bereich der Biedermeierkultur (1815 - 1848). Die in der Zeit des Biedermeier einsetzende Industrialisierung ermöglichte nicht nur einer breiteren Bevölkerungsschicht vermehrten Besitz, sondern führte mit dem Anbieten von (Massen-) Waren anstelle der Produktion auf Bestellung auch zu einer veränderten Konsumkultur, die bis heute bestimmend ist. Möbel dienten dem Bürgertum, das nach den napoleonischen Kriegen zwar immer wohlhabender wurde, zugleich aber von politischer Einflussnahme ferngehalten war, zur Schaustellung des eigenen Besitzes.

Während die Bürger ihren Geschmack an dem des Adels orientierten und sich eine Sammlung an Erinnerungsstücken, Porzellan, Glas und anderen Luxusgütern zulegten, fand auf höfischer Seite eine gegenläufige Bewegung der Aneignung statt: Das Biedermeier, das insbesondere in Österreich zur Hochblüte gelangte, ist der einzige vom Adel aufgegriffene Stil in der Möbelgestaltung.

Diese Parameter ihrer historischen Bedingtheit - die Verschränkung von Besitz mit privaten und öffentlichen Repräsentationsräumen - sind auch der zentrale Bezugspunkt für den zweiten Teil des Projektes, der in der Wiener Innenstadt realisiert wurde, und auf den ein Wandtext ebenso wie die umfangreiche Online-Dokumentation verweisen.

Im öffentlichen Raum, genauer gesagt in zahlreichen Geschäftslokalen der Wiener Innenstadt (Kärntnerstraße, Graben und Nebenstraßen), platziert Mel Ziegler ca. 50 zeitgenössische Vitrinen aus dem Bestand verschiedener Wiener Museen. Grundlage für diese Translokation ist Zieglers Beobachtung, dass Vitrinen und Schaukästen nicht nur wesentliches Element der Sprache von Museen und Ausstellungshäusern sind, sondern gerade in Wien auch das Bild der (Innen-)Stadt und der Einkaufszone prägen.

Die Museumsvitrinen sind in die Auslage der Geschäfte integriert und bis an den Rand dicht mit Stroh gefüllt. Auch in den Geschäften vorhandene Vitrinen werden auf diese Weise gefüllt. Das Stroh, golden aber nahezu wertlos und in seiner ländlichen Konnotation seltsam ortsfremd, hinterfragt die Normativität von Wertzuschreibungen, die mit einer Präsentation innerhalb der Konsum- und Warenwelt einhergehen. Es verhindert den Blick in den Präsentationsraum, wo sich sonst die ausgestellten Produkte befinden, und lenkt die Aufmerksamkeit, den umgedrehten Vitrinen in der Secession vergleichbar, auf die Möbelstücke selbst. An der Grenze zwischen Anpreisen und Ausstellen bleibt offen, ob es sich bei den Vitrinenschränken um Gebrauchswaren oder Kunstwerke handelt. Mel Ziegler zeigt die Zusammenhänge und Schnittflächen von Waren- und Kunstpräsentation auf und verhandelt damit verbundene Fragen nach Originalität, Authentizität und Distinktion in der Diskussion um ortsspezifische Kunst.

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Mel Ziegler
stuffed