Kunstsammlung Jena

Jena Kultur | Städtische Museen Jena, Stadtmuseum & Kunstsammlung Jena | Markt 7
07743 Jena

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Vernissage: Freitag, 28. Mai 2010, 20 Uhr

Im Werk Michael Nitsches tummeln sich Affen, Elefanten, Zwerge, Eisbären, Haifische und allerlei andere Wesen und Mischwesen, die nur schwer oder unmöglich einer bestimmten Gat­tung zugeordnet werden können. Alles ist ungewöhnlich, vieles wirkt grotesk, manches pendelt schrill zwischen Gegensätzlichkeit und Verwandtschaft und es scheint, als wenn ein Traum die Realität in immer neuen Behauptungen überbieten möchte. Michael Nitsche folgt einem obsessiven Gestal­tungs­drang, der nicht nur die Grenzen der Natur ignoriert, sondern auch die eigenen Schöp­fungen mit einem subtilen und zugleich existenziellen Humor in die Welt entlässt. Denn trotz aller sichtbaren Drolerie reiben sich Nitsches Figuren an der Wirklichkeit und die fragilen, in gegensätzlichen Materialien angelegten Körper sind leidenschaftlich ihrem Sein ergeben. Die oftmals surreale Erscheinung und das eigenwillige Tun verstärken dabei den Eindruck des empfindsam Individuellen, so dass viele der Wesen wie Sendboten aus einer anderen Welt daherkommen. Ihr Sein gleicht einem Geworfensein. Viele der Figuren Michael Nitsches sind ort- und ziellos. Sie tasten sich durch Raum und Zeit und erscheinen wie ewige Migranten, die ohne jede Erwartung im Unterwegs zu Hause sind. Leid oder Anklage sucht man jedoch vergeblich, warum auch, man ist eingerichtet, hat alles dabei und traut seinen eigenen Im­pul­sen ohnehin mehr als dem, was man serviert bekommt. Autonomie hat hier sowohl eine bildnerische wie auch eine sozial-philosophische Kompo­nente. Letzt­lich ist der Rest das, was der Wohlstand ausspuckt, das Material der künstlerischen Abbildung. Ein solcher Spagat zwischen praktischer Formgebung und ideeller Behauptung wirkt wie ein Gegen­entwurf zu einer vom Überfluss bestimmten Welt. Das ist dämonisch und alltäglich zugleich. Diese Plastiken sind keine Denk­male der Stärke und Unverletzlichkeit, sie sind anders, außer der Zeit und in jedem Falle „unmonumental“. Die Figuren bestehen aus Kunstpelzen, Plüschtieren, Tierschädeln, Geweihen, Stoffen, Gips und Metallen. All das, dieser enorme Vorrat an Wirklichkeit, wird kräftig durchmischt, mit farbigen Pigmenten aufgehübscht und in einer neuen Existenz entzündet. So erklärt sich das, was wir sehen, letztlich als Produkt unseres Seins und das Fremde, Hybride oder Dämonische ist Teil der von uns gelebten Geschichte. Manche Teile sind fest verbunden, vieles ist bandagiert und existenzielle Nöte, wie man sie vermuten könnte und in Nitsches Plastiken vielleicht hineingeheimnisst, haben vor den sorglos und offen ausgearbeiteten Ge­sichtern keinen Be­stand. Hier schmeichelt kein Raum der Masse, nichts ist von Dauer und das Paraffin nimmt den Körpern die Schwere und enthebt sie dem Druck der Erwartungen. Letztlich bleiben Nitsches Figuren so widersprüchlich, zerfranst und paranoid wie unsere Zeit. Sie speisen sich aus vielen Quellen: Plastisch ausgearbeitete Köpfe thronen auf akrobatischen Hilfs­konstruk­tionen, manch einer stützt sich auf Krücken, andere reiten aufeinander und einige der Figuren staunen über den eigenen Nachwuchs, der ihnen so auffällig unähnlich ist. Das fällt kaum auf und erregt niemanden, in diesem Circus maximus ist jeder ein Original und aufsteigende Irritationen beschreiben nur das Defizit an Fantasie des Betrachters. Michael Nitsches Figuren sind ohne direkte Vorbilder, jedoch haben auch andere Künstler zwischen Arnold Böcklin und Max Ernst, Sandra Munzel und Jonathan Meese ihre Werke durch Fantasien und Visionen bereichert und blieben, wie Nitsche, letztlich bei der Figur. Egal, wo die Ursprünge wuchern, Nitsches Skulpturen und Zeichnungen gehören seit einigen Jahren zu den originärsten Leistungen der deutschen Gegenwartskunst. Michael Nitsche studierte an der HBK Braunschweig und schloss sein Studium 1989 als Meisterschüler ab. Seine Werke wurden in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in Deutschland und den umliegenden Ländern gezeigt. In unserer Ausstellung werden vor allem neue Werke gezeigt, von denen einige direkt für die Ausstellung entstehen.

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Michael Nitsche. Demon Darlings.
Plastiken und Zeichnungen
Kurator: Erik Stephan