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Johann König, Berlin präsentiert Michaela Meises vierte Einzelausstellung. Der Titel der Ausstellung Lachende Steine bezieht sich auf Skulpturen, die eine lachende Person mit deutlich erkennbaren Zähnen zeigen. Dieses natürliche Lachen mit leicht geöffneten Lippen wurde im 19. Jahrhundert für kurze Zeit populär, grundsätzlich galt es aber im klassischen Kanon als hässlich und als verpöntes Vanitassymbol.

Vier turmförmige Skulpturen stehen im Hauptausstellungsraum. Die Türme setzen sich zusammen aus mehreren im rechten Winkel ineinander gesteckten Tischlerplatten auf denen jeweils eine runde Plexiglasplatte liegt. Die einzelnen, wie Stockwerke anmutenden Elemente jedes Turms werden optisch durch einen Holzstab verbunden, der durch eine Bohrung in den Plexiglasplatten gesteckt ist. Das mit Aquarellfarbe lasierte geölte Holz zeigt Spuren vorherigen Gebrauchs: Schnitt- und Sägemarken, Löcher, Farbreste und gespachtelte Astlöcher brechen die Perfektion der samtig wirkenden Oberfläche auf.

Auf die Holzplatten hat Meise verschiedene Fotografien, Katalogabbildungen und Textseiten geklebt, die sie gesammelt, archiviert und aus Büchern kopiert hat. Die Etagen der Türme werden als Display genutzt für einzelne Bücher und kleinen Plastiken. Alle Bilder, Texte und Objekte sind assoziativ zusammengestellt und verweisen auf das Thema Lachen in der Skulptur. Das Recherchematerial reicht zeitlich von kleinen auf Kopf und Beine reduzierten Statuetten, sogenannten Baubos aus hellenistischer Zeit, über Abhandlungen von Helmuth Plessner und Henri Bergson über das Lachen bis hin zu Abbildungen eines Pantomimen aus einem amerikanischen Lehrbuch.

Die vier Türme entsprechen vier Gedankengebäuden und ergeben sich aus der inhaltlichen Gliederung des Materials: Meise hat sie Tour de Rire (Turm des Lachens), Tour de Cri (Turm des Schreis), Tour de Lecture (Turm des Lesens) und Tour de Corps (Turm des Körpers) benannt.

Die vier Türme erscheinen wie möbelartige Raumstrukturen, die zugleich Bildträger, Architekturmodell und Skulptur sind. Die Strenge der minimalistischen Konstruktion wird aufgebrochen durch die gewollt provisorische Art der Verarbeitung und der Betonung des Handwerklichen. Die einfachen Formen dienen als Träger von Informationen, die collageartig verschiedene Informationsebenen miteinander verbinden und ein komplexes Verweissystem in Erscheinung treten lassen.

Das Video Lettre to the Eltern im kleineren Ausstellungsraum beschäftigt sich mit dem französischen Bildhauer Jean Baptiste Carpeaux und einer seiner bekanntesten Skulpturen, dem Neapolitanischen Fischerjungen; der als lachende Skulptur der Ausgangspunkt für Michaela Meises Recherchen ist. Carpeaux verfasste 1857 einen melodramatischen Brief an seine Eltern, in dem er Ereignisse seiner Italienreise schildert und während der auch die genannte Plastik entstanden ist. Carpeaux war einer der ersten Künstler des 19. Jahrhunderts der offensiv die Vervielfältigung seiner eigenen Skulpturen vorangetrieben und überwacht hat. Besonders die populäre Figur des Neapolitanischen Fischerjungen hat er in unzähligen Größen, Materialien und Varianten in seinem Atelier anfertigen lassen. Im Video sieht man verschiedene Versionen der Skulptur, die die Künstlerin in Museen fotografiert hat, andere Abbildungen stammen aus Katalogen und Büchern. Zu der Abfolge der zum Teil animierten Bilder wird der Brief dreimal vorgelesen, einmal im Wechsel auf Deutsch und Französisch von Dirk von Lowtzow und Nadira Husain und zum Schluß in Englisch von Josephine Pryde.

Michaela Meise (*1976) hat an der Städelschule Frankfurt a. M. studiert. Ihre Arbeiten wurden zuletzt in Einzel- und Gruppenausstellungen im Badischen Kunstverein („Ding und Körper“, 2009) , im Chelsea Art Museum, New York („Modern, Modern“ 2008), Basis e.V. Frankfurt (2008) und Greene Naftali, New York (2009) gezeigt. Für 2010 ist eine Einzelausstellung im Grazer Kunstverein geplant.

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Michaela Meise
Lachende Steine