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Eröffnung: 27. Oktober 2016, 19 Uhr

Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, schuf zwischen 1910 und 1965 eine Vielzahl von Fotomontagen und Collagen, die auf faszinierende Weise die Gestaltungsprinzipien seiner Architektur verdeutlichen. Diese meist großformatigen Arbeiten sind jedoch weit mehr als skizzenhafte Begleiter architektonischer Entstehungsprozesse: Sie sind eigenständige Kunstwerke, die die baulichen Visionen des in Aachen geborenen Architekten zeigen. Im Kontext von moderner und zeitgenössischer Kunst präsentiert die Ausstellung mit rund 50 Leihgaben aus dem MoMA, dem New Yorker Museum of Modern Art, weltweit erstmalig in diesem Umfang die Collagen des international renommierten Architekten.

Kaum eine bildnerische Technik reflektiert die ästhetischen Prinzipien, den Zeitgeist und das Lebensgefühl der Moderne wie die der Collage und Montage. Der durch Krieg, Revolution und Industrialisierung geprägte Erfahrungs- und Wahrnehmungs-wandel schlägt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleichermaßen in Zeitungen und Magazinen, in den bildenden und darstellenden Künsten nieder. Schon früh kamen Collage und Fotomontage auch in der Architektur zur Anwendung. Unter dem Einfluss von Dada, Konstruktivismus und De Stijl nutzte Mies van der Rohe wie kaum ein anderer Architekt diese neuen Bildtechniken, um seine künstlerischen Ideen zum Neuen Bauen zu visualisieren.

Abrupte Blickwechsel, die Freiheit von Perspektive, Ort und Zeit, das Montieren von vorgefundenen Elementen und eine auf verschiedene Materialien konzentrierte Ästhetik, wie sie bei Mies zum Einsatz kommen, stehen in einem historischen Kontext zu Künstlern wie Kurt Schwitters, Theo van Doesburg, Hans Richter und Laszlo Moholy-Nagy, um nur einige Protagonisten der künstlerischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu nennen, die in der Ausstellung die Werke von Mies kontextualisieren.

Die Ausstellung spannt ihren zeitlichen Bogen von einem ersten, noch von Ludwig Mies van der Rohe und seinem Bruder Ewald Mies gemeinsam eingereichten Entwurf für das Bismarck-Denkmal am Rhein (1910) über seine visionären Entwürfe für Glashochhäuser in Berlin (1922) und seine Tätigkeit in den USA ab 1937/38 bis hin zu seinen späten Werken wie dem Entwurf für die Neue Nationalgalerie in Berlin aus den 1960er Jahren. Die Präsentation der Werke folgt dabei einerseits der Chronologie der Entwurfe und Projekte von Mies, andererseits beleuchtet sie den zeithistorischen und kunstlerischen Kontext.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den fließenden Grenzen zwischen bildender Kunst und Architektur: Mies verwendete in fast allen Collagen Reproduktionen von Kunstwerken befreundeter oder sehr geschätzter Künstler, deren Werke er zum Teil selbst sammelte und die im Kontext seiner Ästhetik für ihn offenbar eine besondere Bedeutung hatten. Werke z.B. von Paul Klee, Wilhelm Lehmbruck, Georges Braque und Aristide Maillol integrierte er bevorzugt in seine Collagen. Ausgewählte Kunstwerke einiger dieser Künstler werden ebenfalls in der Ausstellung gezeigt, um den freien und innovativen Umgang des Architekten mit der Kunst zu verdeutlichen.

In der Ausstellung werden biografisch, chronologisch und werkbezogen die Strategien, Innovationen und Formulierungen des Architekten über mehr als ein halbes Jahrhundert entfaltet. En passant wird die Ausstellung von Werken zeitgenössischer KünstlerInnen begleitet, die sich wie Sarah Morris, Thomas Ruff, Julia Weißenberg, Iñigo Manglano-Ovalle, Christian Odzuck, Mischa Kuball unmittelbar mit Mies’ Schaffen auseinandersetzen oder eigens Kunstwerke für die Schau konzipiert haben.

Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Publikation, herausgegeben von Andreas Beitin, Wolf Eiermann und Brigitte Franzen, die erstmalig die Collagen und Fotomontagen von Ludwig Mies van der Rohe monografisch behandelt. Zahlreiche international renommierte Autoren (u.a. Martino Stierli, Barry Bergdoll, Dietrich Neumann, Lutz Robbers, Adrian Sudhalter) werden aus verschiedenen Perspektiven die Werke kontextualisierend untersuchen.

Die vom Ludwig Forum konzipierte Ausstellung findet statt in Kooperation mit dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, wo sie vom 26. Februar – 28. Mai 2017 zu sehen ist.

Ausstellungsidee: Brigitte Franzen
Kuratoren: Andreas Beitin und Holger Otten
Projektleitung und kuratorische Assistenz: Lena Büchel und Anna Pickel