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»Academy« und »Art« sind ein Thema der Stunde. Neugründungen von Akademien und Universitäten werden diskutiert. Die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist nämlich nicht nur eine Geschichte von Individuen, sondern auch von Kollektiven, Gruppen, Kreisen und (institutionellen und informellen) Schulen. Akademien und Universitäten haben Geschichte gemacht, indem sie hervorragende Künstlerinnen und Künstler versammelten und eine Lehre entwickelten. Orte der Lehre und Produktion wie die Kunstgewerbeschule in Wien, das Bauhaus in Weimar, die WChUTEMAS in Moskau, das Black Mountain College in North Carolina und die Hochschule für Gestaltung in Ulm haben die Entwicklung der Kunst mindestens ebenso beeinflusst und geprägt wie schöpferische Einzelpersönlichkeiten.

In den 1970er und 1980er Jahren entwickelte sich das Department of Media Study an der State University of New York at Buffalo zu einem solchen Ort der Lehre und Vermittlung im Bereich der Medienkunst, vielleicht die einflussreichste Schule für Medien im 20. Jahrhundert. Unter der Leitung des Gründers Gerald O’Grady unterrichteten dort die mittlerweile kanonisierten strukturalistischen Avantgardefilmer Hollis Frampton, Tony Conrad und Paul Sharits, der Dokumentarfilmer James Blue, die Videokünstler Steina und Woody Vasulka sowie Peter Weibel.

Das gesamte Spektrum der Medienkunst – vom fotografischen Bild zur Diainstallation, von der Musikperformance zur Film- und Videoperformance, vom Film zur Filminstallation, vom Videotape zum Video-Environment, von der Computergrafik zur interaktiven Installation – wurde von ihnen in umfangreichen Werkblöcken frühzeitig und wegweisend vorbereitet und verwirklicht. Dabei wurde auch die gesellschaftliche Rolle der Medien, insbesondere die des Fernsehens, und deren partizipatorische Möglichkeiten erkannt und für künstlerische, teils auch politische Projekte genutzt. Alle Mitglieder der Buffalo Faculty waren nicht nur Praktiker, sondern auch Theoretiker. Theoretisch fundiert begleiteten sie in Vorträgen, Essays und Publikationen die künstlerischen Entwicklungen und Fragestellungen ihrer Medien.

Die Ausstellung am ZKM wird erstmals einen umfassenden Einblick in diese wegweisende Kunstentwicklung der 1970er bis 1980er Jahre geben, die für die weitere Entwicklung der Medienkunst so entscheidend war und bis heute stilprägend ist. Ideen und Konzepte der damaligen Zeit erschließen sich über die eigens für die Ausstellung konzipierte Architektur, ein Studio-Labor. Sie ermöglicht, die zeitbasierte Kunst des bewegten Bildes in neuartigen Formen (das Kunstwerk sowohl als auratisches Objekt wie auch als Studienmodell) zu rezipieren, zu analysieren und nachzuempfinden.

Das Department of Media Study at Buffalo und der Einzug des technischen Bildes in die Kunst

Die Bedeutung des Department of Media Study at Buffalo für das Zeitalter der Medien ist vergleichbar mit dem Einfluss anderer historischer Institutionen auf die Kunstgeschichte. Seine Gründung fällt in eine Zeit, in der es noch keine Hochschulen oder Institute gab, die sich explizit einer Kunst aller Medien widmeten und gleichzeitig auch deren theoretische und kulturelle Analyse zum Bestandteil ihres Curriculums machten. Die Beteiligten waren Pioniere, die als erste vor dem Hintergrund einer sich ändernden Bildauffassung – zwischen Foto, Film, Video und Digitalbild – lehrten und forschten und dabei den Wechsel von den raumbasierten zu den zeitbasierten Künsten (wie z. B. die Musik) und die damit implizierten Veränderungen der Kunstpraxis mit vollzogen.

Am Beispiel der in der Ausstellung vertretenen Kunstschaffenden und ihrer individuellen Positionen erschließt sich der gesamte Horizont der ästhetischen Problemstellungen und -lösungen, die sich mit dem Einzug des technischen Bildes in die Kunst stellten. Was die Faculty dabei für die Medienkunstgeschichte so einzigartig macht, ist die Tatsache, dass sich in den einzelnen künstlerischen Ansätzen durchaus Gemeinsamkeiten, wie Wahrnehmungszentrierung, Maschinenästhetik, mathematische Sensibilität, Sprachspiele, die Offenheit gegenüber dem jeweils anderen Medium etc., finden lassen. Die Künstler definieren sich nicht mehr über »ein Medium«, sondern suchen im Laufe ihrer künstlerischen Entwicklung die Verweise und Referenzen auf andere Medien und experimentieren mit neuen Präsentationsformen.

Der Titel »MindFrames« zeigt an, dass in dieser Zeit und an diesem Ort die Referenzrahmen der Medienkunst neu gesetzt und erweitert wurden und der Wandel von der Filmkunst zum Diskurs des (visuellen) Codes vorangetrieben wurde. Die Ausstellung lehrt, die Kunst der Medien und damit die Medien selbst zu verstehen.

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: Gerald O’Grady, Hollis Frampton, Paul Sharits, James Blue, Tony Conrad, Steina, Woody Vasulka ,Peter Weibel

Kuratiert von Woody Vasulka, Steina, Peter Weibel mit Thomas Thiel.

Die Ergebnisse der Ausstellung werden in einer umfangreichen wissenschaftlichen Publikation präsentiert, die 2007 bei The MIT Press in englischer Sprache erscheint. Zahlreiche Abbildungen, Quellentexte der Künstlerin und der Künstler, bisher unpublizierte Interviews, Essays und andere Zeitdokumente entwerfen ein umfangreiches Panorama der Pioniere der Medienkunst am Department of Media Study an der State University of New York, Buffalo. Herausgeber: Woody Vasulka und Peter Weibel.

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