press release only in german

° Ohne Wenn und Aber...

Eröffnung: 7 September, 19.00 Uhr

Die sich verändernden Erfahrungen mit Zeit und Raum formten das postmoderne und postkoloniale Subjekt, welches laut Fredric Jameson einem Verlust von Karten ausgesetzt war, und daher geografischen Ausgangs- und Endpunkten weniger Bedeutung beimisst als Zwischenstadien, die in der Regel nur flüchtig wahrgenommen werden, dabei aber trotzdem visuelle, linguistische und kulturelle Interaktionscodes produzieren. Die wirtschaftliche Übergangsbewegung der vergangenen Jahrzehnte erforderte eine verstärkte Konzentration auf verschiedene Signifikationsformen im hauptsächlich urbanen Umfeld.

Bei der Erforschung neuer Denkweisen über die Multiplizität von Subjekt-Positionen, „die bei einer Kritik der gegenwärtigen Gegebenheiten (,Sein’) ansetzt, um sich an die sorgfältige Konstruktion von Mechanismen des Engagements zu machen (,dem Werden’),[1] interessieren wir uns dafür, wie dieses Vorgehen einen „neuen“ Raum ermöglichen könnte. Es sollen relationale Entitäten entstehen, in denen eine Interrelation als „Aktivität des Ent-rahmens stattfindet, […] welche eine Neuschöpfung und Neuerfindung des Subjekts selbst hervorbringt.”[2] Genau an diesem Punkt kann die „Identitätsform” über die „Ich-Andere” Dichotomie und symbolische Grenzen hinaus neu bewertet werden.

Hier stellt sich folgende Frage: Wie manifestiert sich dies alles im Bereich der kreativen Praxis, wie wird es in die Kunsträume gebracht?

Die Offenlegung der schnellen Transformation mehrerer Wendepunkte bei der Suche nach einem Nexus, der neue Lebensformen innerhalb des Rahmens unterschiedlicher Topografien darstellt, ist der Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt Ohne Wenn und Aber, welches sich mit den geopolitischen Implikationen dessen befasst, was die Wände der Ost-West-Trennung bestimmt. Fragen der geopolitischen Topografie werden in spezifischen kulturellen Gegebenheiten untersucht. Letzteres weist auch darauf hin, dass die Empfindlichkeit dieser Themen die Produktion kultureller Räume bezeichnet, die entsprechende Repräsentationspolitiken spiegeln. Daher ist es notwendig, eine künstlerische Diskussionsplattform einzurichten oder zu teilen, als eines der Aufträge dieses vielschichtigen Projekts. Indem radikale Modi der Selbst-Referenzialität diskutiert werden, die keine Wenn und Aber erlauben, und somit Gegenstrategien gegen globalisierte Kräfte entstehen, die den persönlichen Raum einschränken, wirft die Ausstellung Fragen über transkulturelle Formen geopolitischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten auf, die zu einem neuen Abstecken von Terrains auf visueller und diskursiver Ebene führen.

............................. [1] O’Sullivan, S. und Zepke, S. Deleuze and Contemporary Art, Edinburgh University Press, 2009, S. 2 [2] Guattari, F. Chaosmosis: An Ethicoaesthetic Paradigm. Ins Englische übersetzt von Paul Bains und Julian Pefanis, Indiana University Press, 1995, S. 131

Teilnehmende KünstlerInnen:

Esra Ersen Brothers & Sisters / Brüder & Schwestern, Video - 23’20“

In der Videoarbeit Brothers & Sisters fordert Esra Ersen die gewohnten Debatten um das Thema der Migration durch einen vertieften Blick in den Alltag afrikanischer Flüchtlinge heraus, die ihre Pläne einer Reise nach Zentraleuropa nicht realisieren konnten und zu Beginn des Jahres 2000 illegal in Istanbul leben. In diesem Kontext wird Istanbul zum Ausgangspunkt, an dem in der Stadt für den Übergangszustand der Immigrantinnen Transit-bedingungen entstehen, noch über die prekäre politische Agenda des Status quo hinaus.

Ersens künstlerische Praxis, die sich vor allem um Interaktion und Sichtbarmachung der „demografischen Politik” dreht, spielte für die Vorproduktion dieser speziellen Arbeit eine wichtige Rolle. Ersen begann zu filmen, nachdem sie vier Monate lang Dialoge geführt hatte, welche die existenzielle Ambivalenz der ProjektteilnehmerInnen definierten, und sie hat sich auf eine Kritik an den gegenwärtigen Zuständen (‚Dasein’) eingelassen, welche die übertünchte Ignoranz der Immigrationsphänomene innerhalb der Türkei in subjektiven Geschichten spiegeln.

Kurzbiografie: Die kunstlerische Praxis von Esra Ersen befindet sich mitten in der Begegnung und im Dialog, die sie auslost. Nach einer Phase der Erforschung der entsprechenden Themen und Umstände, die sie reflektieren möchte, teilt sie Zeit, Raum und Erleben mit den Personen ihrer Projekte. In ihren Werken stellt sie Konzepte wie Integration, Regeneration, Gentrifizierung, Rehabilitation, soziale Demokratie und Machterhaltung in Frage, indem sie sich auf die Gemeinschaften unter diesem Einfluss bezieht. Zu ihren Einzelausstellungen gehören: „Passengers“, Tanas (Berlin, 2009); „Elsewhere“, Kunsthaus Baselland (Basel, 2007); „Esra Ersen“, Frankfurter Kunstverein (Frankfurt, 2006); Works 1998-2005, OK Centrum für Gegenwartskunst (Linz, 2005); „If You Could Speak Swedish…“, Moderna Museet (Stockholm, 2001). sie hat ihre Arbeit im Rahmen zahlreicher Gruppenausstellungen und Festivals gezeigt wie der 27th Sao Paulo Biennial (2006), the 4th (1995) and 8th (2003) Biennial of Istanbul, Liverpool Biennial (2006), the 4th Kwangju Biennial (2003) and the Manifesta 4 Europe Biennials (2003).

Daniel Knorr Architecture Bucureşti 2001/2005, Fotografie

Die Arbeit „Architecture Bucureşti 2001/2005“ besteht aus 26 fotografischen Unikaten von Nea’ Costică, einem Porträtfotografen von der Straße, der nach Anweisungen des Künstlers fotografierte. Die Fotografien zeigen urbanes Ödland und den Bau sowie die Dekonstruktion neuer und alter Gebäude. Die Phase der urbanen Transformation von Bukarest wird auf diesen Bildern dargestellt, die mit einer altmodischen Plattenkamera entstanden und damit auf die Einzigartigkeit jeder Fotografie verweisen. Die Fotos gibt es sowohl im Positiv- wie Negativdruck, sie zeigen so die Ambivalenzen der sich verändernden urbanen Gestalt Bukarests. Die Schwarz-Weiß-Bilder vermitteln einen geisterhaften Eindruck der Stadt, in der noch immer Korruption und undurchsichtige Geschäfte ablaufen. Den Standards der EU zu entsprechen, fällt der Stadt nicht leicht, die lange Zeit als der beste Ausdruck kommunistischer Megalomanie galt und sich allmählich an die übergeordneten europäischen Normen anpasst. Reformen in der Stadtplanung werden zu einer schwer zu bewältigenden Aufgabe im Hinblick auf die Vergangenheit und Zukunft der Stadt.

Kurzbiografie: Daniel Knorr, geboren in Bukarest, lebt in Berlin. Er repräsentierte Rumänien auf der 51. Bienniale di Venezia 2005. Neuere Einzelausstellungen waren u.a. in der Kunsthalle Fridericanum, Kassel (2010) und der Kunsthalle Basel (2009) zu sehen. Knorr wurde in zahlreichen Gruppenausstellungen präsentiert, zu den jüngeren gehören: The Promises of the Past, Centre Georges Pompidou, Paris; Early Years at Kunstwerke, Berlin; Liverpool Biennial (alle im Jahr 2010). Er nahm außerdem an der manifesta 7 in Rovereto and an der Periferic 8 in Iasi 2008 teil. Knorrs Arbeit wird in mehreren privaten und öffentlichen Ausstellungen in München, Zürich, Antwerpen und Wien gezeigt.

Aglaia Konrad Desert Cities, Fotografie

Aglaia Konrad richtet ihren Blick unvermittelt auf Städte wie Kairo, Alexandria und Anwar el Sadat. Diese Fotografie ist keine klassisch architektonische oder Dokumentarfotografie: Sie betrachtet die Dinge ungeschmückt und lenkt unsere Aufmerksamkeit direkt auf die Geschichte des realen Settings. Die Fotografien zeigen die Anwendung „modernistischer” Prinzipien auf die architektonische Entwicklung verödeter Landschaften. Sie werfen ihr Blitzlicht auf einen unwahrscheinlichen Dialog zwischen importierten Modellen und einheimischen Elementen, Konstruktionen und Sites, Ödland und Gemeinschaften, Modernität und Tradition (Katalogbeschreibung). Menschen, die in diese Gebäude ziehen, suchen nach einer neuen Exklusivität für soziale wie auch Lebensstandards. Viele dieser neuen Wohnungsprojekte aus den 1990er Jahren zerfallen schon zu Ruinen und werden verlassen, was Fragen über die Notwendigkeit derartig riesiger Vorhaben weit entfernt von traditionellen Verkehrsrouten aufwirft. Wie werden wir auf Ödland aufmerksam und wie leicht werden die Träume utopischer Orte zerstört? Konrads Fotografien bezeugen diese ungewöhnlichen Entwicklungen.

Kurzbiografie: Aglaia Konrad, geboren in Salzburg, lebt in Brüssel in Belgien. Von 1990-1992 studierte sie an der Jan van Eyck Academy in Maastricht, wo sie auch von 2001 bis 2008 mit beratender Funktion forschte. Seit 2007 ist Konrad Gastdozentin an der Hoogeschool Sint Lukas in Brüssel. Zu ihren jüngsten Einzelausstellungen gehören: 2010 Ecole des Beaux Arts, Nancy, Frankreich; 2009 Museum für Gegenwartskunst, Siegen, Deutschland; 2008 Gallery Nadia Vilenne, Lüttich, Belgium Open Cities; Open Space, Art Cologne, Köln, Deutschland. Ihre Gruppenausstellungen sind u.a.: Psychoanalysis – Gazes on Photo and Video Art from Austria, Tokyo Wonder Site, Tokio; 2 ½ dimensional: film featuring architecture, de Singel, Antwerpen, Belgien (2010); A Story of the Image, Singapur (2009).

Unterstützt von:

BM:UKK Stadt Wien - Kulturabteilung MA 7

Über uns: Geöffnet Freitag, Samstag 13.00 - 18.30 Uhr und an den übrigen Wochentagen nur nach Vereinbarung. Freier Eintritt

Open Space Zentrum für Kunstprojekte Lassingleithnerplatz 2 A – 1020 Wien Österreich

(+43) 699 115 286 32

Für mehr Information: office@openspace-zkp.org

http://www.openspace-zkp.org

Open Space - Zentrum für Kunstprojekte will einen Ort grundlegender, zeitgenössischer Kunstpraxis schaffen, der sich als Beitrag zu einer neuartigen und ständig weiterentwickelten Modellstrategie für grenzüberschreitende, interregionale Projekte begreift.

only in german

Ohne Wenn und Aber...
Projektkuratoren: Gülsen Bal, Walter Seidl

Künstler: Esra Ersen, Daniel Knorr, Aglaia Konrad