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Eröffnung: 7. November l 19 h

Wo verläuft die Grenze zwischen Rationalität und Irrationalität? Die sechs Künstler, die Kuratorin Valerie Smith in ihrer ersten Ausstellung am Haus der Kulturen der Welt zusammenbringt, erkunden psychische Ausnahmezustände, die an den Grenzen der Logik zu neuen Wahrnehmungen der Wirklichkeit führen.

Der Brasilianer Arthur Bispo do Rosário (1911-1989) und der Chilene Juan Downey (1940-1993) sind die Schlüsselfiguren dieser Ausstellung, die eine Perspektive auf alternative Denkweisen und Lebenswege eröffnet. Bispo hat sich niemals als Künstler gesehen, doch sein fester Glaube an Gott und die unermüdliche Vorbereitung auf den Jüngsten Tag materialisierten sich in Ikonen aus Stickbildern und Hospitalmobiliar - dafür wird er heute als zeitgenössischer Künstler bewundert. Downeys Pionierarbeiten in den Anfängen des Videos verbinden eine ironische Haltung gegenüber der Technologie mit der Bewunderung für die Lebensweisen indigener Kulturen im Amazonas: eine Flucht aus den vorgeschriebenen Vorstellungen von Fortschritt.

In einer Auftragsarbeit für das Haus der Kulturen der Welt filmte Javier Téllez (Venezuela/USA) mit Psychatriepatienten der Vivantes-Klinik Neukölln vor dem expressionistischen Einsteinturm in Potsdam seine Version von "Das Cabinet des Dr. Caligari". Durch individuelle Interpretationen klassischer Theaterstoffe und Filmplots bekommen die Schizophrenen, Depressiven und Paranoiden in Téllez Videos und Performances eine Stimme.

Durch Experimente mit bewusstseinsverändernden Drogen versucht sich der polnische Künstler Pawel Althamer von sozialen Konventionen zu lösen. So taucht er ein in vorgeburtliche Welten und animalische Instinkte, um wieder rein zu sein. Mit "So genannte Wellen und andere Phänomene des Geistes" ist seine Arbeit in der Ausstellung betitelt. In François Buchers (Kolumbien/Deutschland) Montagen aus Nachrichtensequenzen und Interviews entsteht ein dichtes Spiel im Spiel zwischen Realität und Fiktion. Im Mittelpunkt steht die gewalttätige Psyche irgendwo zwischen Spannung, Terror und Manipulation. Der Titel seiner Doppelprojektions-Installation "Severa Vigilancia" -Unter Aufsicht - spielt auf Jean Genets Theater der Grausamkeit an: Bei Bucher ist die Grenze zwischen inszenierter und realer Gewalt beunruhigend unbestimmt.

In der Arbeit der deutschen Konzeptkünstlerin Hanne Darboven spielt die systematische Organisation und Präsentation von Zeit eine wichtige Rolle. Durch die strenge Gegenüberstellung der formellen Sprache eines in einzelne Seiten präsentierten Kalenders und der losen Handschrift der Künstlerin in der Arbeit "Kalendergeschichten" wird der Beobachter in einen neuen Wahrnehmungsbereich getrieben, in dem Kontrolle und Bedeutung überschritten werden.

Die Kuratorin Valerie Smith leitet seit April 2007 den Bereich Bildende Kunst, Film und Medien am Haus der Kulturen der Welt. Davor war sie Chefkuratorin und Ausstellungsdirektorin am Queens Museum of Art in New York. 1981-89 arbeitete sie als Kuratorin des Artists Space, einer der führenden Einrichtungen für zeitgenössische Kunst in New York. 1990-93 war sie künstlerische Leiterin der "Sonsbeek 93" in Arnshem, Niederlande. Für ihre Ausstellung "Joan Jonas, Five Works" (2003), die von der New York Times als "faszinierende Schau" bezeichnet wurde, erhielt sie den International Association of Critics Award. Für "Down the Garden Path, The Artists' Garden After Modernism" (2004) wurde Valerie Smith mit dem Emily Hall Tremaine Curatorial Award ausgezeichnet.

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RATIONAL/IRRATIONAL
Kuratorin: Valerie Smith

Mit Werken von Pawel Althamer, Arthur Bispo do Rosario, Francois Bucher, Hanne Darboven, Juan Downey, Javier Téllez