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In ihren Werken konfrontiert die amerikanische Malerin Rebecca Morris Elemente von coolem Formalismus mit einem auffällig handwerklichen Einsatz von Material und Farbe. Sie schafft vielschichtige und kraftvolle Gemälde voller kunsthistorischer und alltagsnaher Referenzen, die eine sehr persönliche und aktuelle Vorstellung von Abstraktion vermitteln. Nach ihrer Einzelausstellung in der renommierten Renaissance Society in Chicago 2005 zeigt die Galerie Barbara Weiss neue großformatige Gemälde der in Los Angeles arbeitenden Künstlerin.

Die ausgestellten Werke zeigen in mehrschichtigem Farbaufbau aus Öl- und manchmal auch Sprayfarbe undefinierbare ornamenthafte Farbformen auf meist dunklem Hintergrund. Die amorphen, teils runden, tropfenförmigen oder auch eckig-spitzen Farbcluster, die Rebecca Morris von oben auf die liegende Leinwand aufgetragen hat, sind nahtlos aneinandergesetzt, angeschnitten übereinander geschichtet oder isoliert voneinander gemalt und ergänzen sich zu collagehaften Bildern, die an Patchworkdecken, gestapelte Tapetenreste, Auslagen von Halbedelsteinen oder bunten Drops auf Samt erinnern.

Eine besonders deutliche kunsthistorische Referenz in mehreren Bildern der Ausstellung sind die orphistischen Farbscheiben-Gemälde, die Prismas Electricos (1915/16) der Künstlerin Sonia Delaunay-Terk. Diese spielte gemeinsam mit ihrem Mann Robert eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Geometrischen Abstraktion. Berühmt wurde sie jedoch weniger als Malerin als durch die praktische Anwendung ihrer ästhetischen Prinzipien auf Wandteppiche, Bucheinbände, Möbel und Innendekorationen. Nach dem Krieg eröffnete sie einen Modesalon. Hinter dem Einsatz von Sprayfarbe, mit dem Rebecca Morris auf das (sub)kulturell aufgeladene Medium Graffitti verweist und ihren Motiven gleichzeitig eine starke Tiefenwirkung, Weichheit und Flüchtigkeit gibt – im Gemälde Untitled (#04-06), 2006, erscheinen die in Silber und Gold gesprayten Farbflecken wie schwebende Meteoritenklumpen - kann man eine Referenz auf die heute nur noch wenig bekannte Malerin Hedda Sterne (geb. 1916) vermuten. Sterne, die in mehreren ihrer Gemälde neben Ölfarbe auch Acrylspray verwendte (z. B. in Black Cloud, 1959), ist die einzige Frau auf dem legendären, 1951 in der populären Zeitschrift „Life“ veröffentlichten Gruppenfoto „The Irascibles“, das die erste Generation der männlichen Vertreter der „New Yorker Schule“ als Formation ablichtete.

„There is no style“, „there is no school“ lautete 1958 die Proklamation des Editors der Zeitschrift „Art News“, Thomas B. Hess, um der schwelenden Kritik der Künstler des Abstrakten Expressionismus entgegenzukommen, die sich dagegen verwehrten, in ihrer Bildsprache verallgemeinert zu werden. Dieses verneinende Motto könnte man auch auf die Künstlerin Rebecca Morris anwenden – denn sie meidet in ihren Gemälden einen cleanen, selbstreferenziellen und zwanghaften Stil von Abstraktion. Vielmehr kultiviert sie mit einem unkonventionellen Mix aus in verschiedene Sphären weisenden Referenzen, die auch außerhalb des Modernismus liegen, mit handwerklichen Kniffs und bewussten „Mistakes“, sowie dem Einsatz „wirklicher“ Materialien, eine Präsenz und Spannung, die den Betrachter zu einem spontanen Urteil herausfordern.

„Cool ist es, wenn ich darüber verfüge, vor und zurücktreten zu können. Nicht alleine mit meinem Ödipus-Trauma auf freiem Feld. Dieses Verfügen nicht nur über die Momente, über die ich eh verfüge, die subjektiven, sondern auch über die, über die ich nicht verfüge, die Objektivität und Historizität meiner Sprachen und Hintergründe, ist sicher das eigentlich Überraschende, aber auch Unterhaltsame, Entspannende an der Arbeit von Morris: Sie zeigt uns, dass man als zeitgenössisches Subjekt einen entlastenden Bezug auf Vorgängigkeiten vollziehen kann, der nicht religiös und traditionalistisch ist, sondern das Gegenteil, modern.“ (Diedrich Diederichsen über Rebecca Morris’ Malerei, im Ausstellungskatalog Rebecca Morris: Paintings 1996-2005, The Renais-sance Society at the University of Chicago, 2005)

Barbara Buchmaier

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