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„Der römische Erdkreis stürzt.“ So lauteten 396 die entsetzten Worte des Kirchenvaters Hieronymus: Tatsächlich gehört die Völkerwanderungszeit zu den dramatischsten Ereignissen der europäischen Geschichte. Auf kaum einem anderen Forschungsgebiet haben sich unsere historischen Kenntnisse in den letzten Jahren derart erweitert wie bei dieser Epoche des Übergangs von der Spätantike zum frühen Mittelalter.

Der Ausstellungsrundgang Der chronologisch angelegte Ausstellungsrundgang umfasst eine Zeitspanne vom 2. bis zum 6. nachchristlichen Jahrhundert. Er wird ergänzt durch eine animierte Europakarte, die die gewaltigen Völkerbewegungen und Machtverschiebungen dieser Zeit vor Augen führt. Dank der großzügigen Unterstützung von knapp 70 europäischen Leihgebern konnten in Bonn rund 1000 Schmuckstücke, Waffen, Münzen und viele andere bedeutende Objekte versammelt werden.

Konfrontation zwischen den Römern und Barbaren Die ersten beiden Themenräume sind der Konfrontation zwischen den Römern und Barbaren gewidmet. Bereits im letzten Jahrhundert vor Christus hatte sich das Römische Reich als die dominierende Großmacht rund um das Mittelmeer etabliert. Doch seinen Expansionsbestrebungen werden in der augusteisch-tiberischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.) Einhalt geboten. Jenseits von Rhein und Donau formieren sich größere barbarische – Verbände, die an dem Reichtum des Imperiums teilhaben wollen. Barbarische Krieger wurden so zu Gegenspielern römischer Kaiser, deren Bildnisse nachahmenswerte wie unerreichte Standards staatlicher Repräsentationskunst bildeten. In der Ausstellung gelingt diese Konfrontation am Beispiel der goldenen Büste des Kaisers Marc Aurel (ca. 180 n. Chr.) sowie anhand der berühmtesten Beispiele antiker Germanenbildnisse von den Bronzekesseln von Mušov (Tschechien) und Czarnówko (Polen). Die hier gezeigten römischen Waffen, Gebrauchsgegenstände und Luxusgüter aus Gold, Silber und Bronze weckten die Begehrlichkeit der barbarischen Nachbarn.

Plünderungen der Germanen Den nächsten Höhepunkt des Ausstellungsrundgangs stellen die auf breiter Front einsetzenden Plünderungszüge der Germanen im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts dar. Beredtes Zeugnis der Germaneneinfälle ins Römische Reich stellen die so genannten Barbarenschätze aus dem Rhein dar. Doch nicht nur Auseinandersetzung, sondern auch Austausch prägte die Beziehungen zwischen Rom und dem ‚Barbaricum‘: Ihren neu gewonnen Status demonstrierten germanische Krieger mit wertvollen Waffenopfern und prunkvollen Beisetzungen, wie die kostbaren Beigaben aus den so genannten Fürstengräbern dokumentieren. Auf der berühmten Handelsroute quer durch Europa wurde Bernstein − das begehrte Gold des Nordens − von der Ostsee ins Römische Reich geliefert, wo es zu luxuriösen Schmuckgegenständen verarbeitet wurde, wie sie in Bonn zu sehen sind.

Die Hunnen Der plötzliche Einfall der Hunnen in den nördlichen Schwarzmeerraum 375 gilt als der eigentliche Auslöser der Völkerwanderung und leitete eine neue Phase der Auseinandersetzungen zwischen Römern und Barbaren ein. Zur Vermeidung militärischer Konflikte ließ Rom enorme Mengen Gold über die Grenze fließen, was sich noch heute an den reich ausgestatteten Kriegergräbern ablesen lässt: prunkvolle Waffen und Pferdegeschirre, Schmuck und andere Statussymbole dokumentieren das Geltungsbedürfnis barbarischer Eliten.

Eine „neue Welt“ Die Ergebnisse der Völkerwanderungszeit veränderten die politische Landkarte Europas. Die zunehmende Barbarisierung des römisches Heeres und die Bewirtschaftung größerer zusammenhängender Gebiete durch die Neuankömmlinge verwandelt die politischen und wirtschaftlichen Strukturen im Reich grundlegend. Die Verbreitung der christlichen Lehre und ihre neu geschaffenen Institutionen begünstigten die frühmittelalterlichen Reichsbildungen (ab dem 5. Jahrhundert) auf dem Gebiet des Römischen Imperiums. Prächtige Grabbeigaben vermitteln ein differenziertes Bild der romano-barbarischen Kultur zwischen dem Schwarzen Meer und Atlantik. Einen symbolträchtigen Schlusspunkt des Ausstellungsrundgangs bildet das älteste genau datierte Manuskript der Stiftsbibliothek St. Gallen aus dem Jahr 793: Es ist eine Abschrift der Lex Salica, in der der Merowingerkönig Chlodwig I. die Stammesgesetze der Saalfranken erstmals schriftlich festhalten ließ. Damit präsentierte sich der Barbarenherrscher Chlodwig I. als Erbe großer römischer Kaiser und Gesetzgeber.

Kuratoren: Jan Bemmann, Falko Daim Wissenschaftlicher Berater: Dieter Quast Architekten: Ursula Gillmann, Matthias Schnegg

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ROM UND DIE BARBAREN
Europa zur Zeit der Völkerwanderung
Eine Ausstellung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn in Zusammenarbeit mit dem Palazzo Grassi, Venedig und der École française de Rome.
Kuratoren: Jan Bemmann, Falko Daim

Stationen:
26.01.08 - 20.07.08 Palazzo Grassi, Venedig
22.08.08 - 07.12.08 Kunst- und Ausstellungshalle, Bonn