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In der inzwischen mehr als 10 Jahre währenden Zusammenarbeit zwischen Ann und Jürgen Wilde und dem Sprengel Museum Hannover, das sich glücklich schätzt, die fotografische Sammlung von Ann und Jürgen Wilde als Dauer-leihgabe beherbergen zu dürfen, markiert diese Ausstellung mit Arbeiten von Les Krims und Ugo Rondinone einen Schritt in eine neue Richtung. Nach zahlreichen Präsentationen, die seit 1993 vor allem Fotografinnen und Fotografen der 1920er Jahre gewidmet waren, zeigen wir mit I don’t live here anymore von Ugo Rondinone erstmals eine künstlerische Arbeit aus der jüngsten Vergangenheit. Sie ist einer Reihe von Fotografien des amerikanischen Fotografen Les Krims aus den späten 1960er / frühen 1970er Jahren gegen-übergestellt und eröffnet in diesem Raum eine Folge von dialogischen Präsen-tationen, in der jeweils zwei Generationen von Bildkünstlern unter thema-tischen Gesichtspunkten aufeinander treffen werden.

Der Schweizer Künstler Ugo Rondinone, der von 1986 bis 1990 an der Universität für Angewandte Künste Wien studierte, ist vor allem für seine hyperartifiziellen Rauminstallationen bekannt. Nicht selten verwandeln sie die Ausstellungsräume in Bühnenbilder, in denen die Betrachter zu Schauspielern werden. Die Aufführungen, an denen sie auf diese Weise teilhaben, verhandeln oftmals ein sich zwischen Muße und Langeweile bewegendes Zeitmaß, das mit der Erfahrung des Pop gesättigt ist. Diese Inszenierungen ermöglichen irri-tierende Ambivalenzen der Selbsterfahrung, für die sich der Künstler als Projek-tionsfläche und ambivalente Identifikationsfigur anbietet. „Ugo Rondinone be-dient sich gerne kollektiv verständlichen Motiven, die eindeutige Assoziationen evozieren und das sinnliche Erleben bildhaft unterstützen. Ganz gleich ob Fotografie, Landschafts- oder Kreisbild, Comics, Skulpturen oder Installationen – Rondinones Spiel mit ästhetischen Alltagsphänomenen rufen eine Betroffen-heit hervor, die letztlich die Rolle des Künstlers als Vermittler von authenti-schen Ich-Erlebnissen im Zeitalter der Massenkultur und medialer Omnipräsenz hinterfragen.“ (Anne Helwing)

In der umfangreichen 1995 begonnenen Serie I don’t live here anymore, der die hier ausgestellten Blätter aus der gleichnamigen Edition zuzurechnen sind, montiert Rondinone mittels digitaler Bildbearbeitungssprogramme sein eigenes Konterfei auf fotografische Darstellungen aus dem Modekontext. Die oft androgyne Körperlichkeit der weiblichen Models kommuniziert mit der oft melancholischen, sich jeglichem Schönheitsklischee entziehenden Physiognomie des Künstlers. Die immer an mehr oder weniger anonyme Sehnsuchtsprojektionen gebundenen Bilder der Werbemaschinerie der Modeindustrie werden angeeig-net und individualisiert, indem ihre Künstlichkeit demonstrativ gesteigert wird. „Rondinone ist zweifelsohne Gegenwartsromantiker, aber gleichzeitig auch Exi-stenzialist, was sich einander zu widersprechen scheint. Er konfrontiert uns mit Sehnsuchtsmetaphern von einem unmittelbaren Bezug zur Welt und ihrer Realität, wie sie sich in den ’Global Issues‘ Identität, Sexualität und Liebe vielleicht am unmittelbarsten und am deutlichsten manifestieren.“ (Jan Winkelmann)

Auch die fotografischen Arbeiten des Amerikaners Les Krims verhandeln, wenn auch auf ganz andere Weise, die Absurdität des Alltäglichen und unerfüllte Sehnsüchte als offensiv irritierende Wirklichkeitsinszenierungen und Projektionen. Dabei greift er nicht selten auf Stereotypen der Aktfotografie bzw. gängige Klischees menschlichen Zusammenlebens zurück und setzt diese in groteske, nahezu anekdotische Inszenierungen um. Die Bilder von Weiblichkeit, die Les Krims dabei entwirft, sind nicht zwingend als männliche Phantasien zu identifi-zieren, da sie oft wie melancholisch-absurde Inszenierungen eines weiblichen ICHs in verschiedenen Lebensphasen auftreten. Auch Les Krims formuliert damit eine Androgynität des Blickes, die die Positionierung der Betrachter gegen-über dem fotografisch Fixierten verunsichert. Die bräunliche Tönung der Foto-grafien eröffnet zudem einen weiten historisierenden Referenzraum, indem die eigenwilligen fotografischen Entwürfe des Künstlers trotz ihrer stark narrativen Strukturen wie allgemeingültige kafkaeske Beschreibungen des Menschseins in der Moderne erscheinen.

Sowohl Ugo Rondinone als auch Les Krims erzählen damit, wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise und im zeitlichen Abstand von ca. 30 Jahren, von Ironie und Melancholie als Grundhaltung gegenüber den Zumutungen einer entfremdeten Gegenwart.

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Ugo Rondinone / Les Krims
Sammlung Ann und Jürgen Wilde
Kuratorin: Inka Schube