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Als Werner Spies das Wort vom "Kontinent Picasso" prägte, eine Charakterisierung, die sich sowohl auf das umfangreiche und vielfältige Werk wie auch auf die vielschichtige Persönlichkeit des am 25. Oktober 1881 in Malaga geborenen Künstlers bezog, hat er nicht übertrieben. Allein das symbolistische Frühwerk der Blauen und Rosa Periode zwischen 1902 und 1906, seine Darstellungen der Trinker, der Bettler, Gaukler und Akrobaten mit ihrer melancholischen bis depressiven Stimmung, hätte gereicht, um ihm einen bleibenden Platz in der Kunstgeschichte zu sichern. Aber erst die Erfindung des Kubismus, der Bruch mit dem Formenka-non des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die gleichzeitige Schaffung eines völlig neues Ausdrucksvokabulars, machte Picasso in den Augen vieler Fachleute zu einem der wichtigsten Wegbereiter der modernen Kunst.

Seinen Rang als bedeutendster und berühmtester Künstler des 20. Jahrhunderts gewann Pablo Picasso schließlich, weil er bereit war, den Kubismus für neue Herausforderungen auch wieder aufzugeben. Bereits 1914 begann Picasso wieder naturalistische Motive in sein Werk aufzunehmen und entwickelte in den folgenden Jahren einen klassizistischen Stil, mit dem er an die Werkphasen der Blauen und Rosa Periode anknüpfte. Dieser permanente Stilwechsel definiert ihn zugleich als Maler der Moderne und als dezidierten Vorläufer postmoderner Entwicklungen. Pablo Picasso hat keinen bestimmten Stil mehr vertreten, sondern sich je nach Bedarf immer neue Stilsprachen angeeignet, ohne einmal erreichte Werkstadien völlig aufzugeben. Ein einzelnes Idealbild konnte seinen Vorstellungen von künstlerischer Wirklichkeit einfach nicht mehr gerecht werden. "Welche Wahrheit?", äußerte sich Pablo Picasso in späteren Jahren einmal gegenüber einer Interviewerin, "Die Wahrheit kann nicht existieren. Wenn ich in meinen Bildern nach der Wahrheit suche, kann ich hundert Bilder mit dieser Wahrheit schaffen. Nun, welche ist die wahre? Jene, die mir als Vorbild dient, oder jene, die ich male?"

Die Ausstellung führt in die verschiedensten Regionen des “Koninents Picasso”. Die Sammlung des Sprengel Museum Hannover umfasst heute vierzehn seiner Ölgemälde, fünfzehn Gouachen, Aquarelle und Zeichnungen, zwei plastische Werke und - zählt man alle illustrierten Bücher und Mappen des Künstlers dazu - rund 500 druckgrafische Blätter. Das Haus besitzt eine der umfangreichsten Museumssammlungen Deutschlands mit Werken, die Picassos Schaffen, zwischen 1904 und 1968, zwischen der “Blauen Periode” und seinem Spätstil umspannt.

Pablo Picasso begegnet uns hier als Ahnherr des Konstruktivismus (Nature morte, Stilleben, 1918/1919), als Erfinder des Kubismus (Trois femmes, Drei Frauen, 1908) und der Collage (Tête de femme, Frauenkopf, 1912) und frühzeitiger “Wiederentdecker” der Antike, ihrer Mythen und Idyllen ("La Minotauromachie", Die Minotauromachie, 1935), als von iberischer und afrikanischer Skulptur beeinflußter Bildhauer (Tête de femme, Frauenkopf, 1932), als Vertreter des Phantastischen und Absurden (Poèmes et Lithographies, Gedichte und Lithografien, 1954), als Gestalter des verfremdeten, verletzten und zerstörten Lebens im grausamen 20. Jahrhundert (La femme qui pleure, Die weinene Frau, 1937). Vor allem aber ist er in allen Stilarten und –richtungen der konsequente Verfechter eines allein und immer wieder auf den Menschen und sein Schicksal bezogenen Realismus. Eros und Tod, Diesseitsfreude und Gewalt, Hingabe und Triebhaftigkeit, nicht aber Erlösung und Utopie sind die bestimmenden Pole seiner Kunst.

Nahezu der gesamte Bestand ist 1969 als Schenkung von Dr. Bernhard Sprengel in das Haus gelangt. Weitere Werke, darunter das bedeutende kubistische Porträt von Fernande Olivier "Femme au bouquet" (1909) sind Leihgaben der Stiftung Sammlung Bernhard Sprengel und der Freunde des Sprengel Museum Hannover. Die Picasso-Gemälde der Sammlung dokumentieren die kubistischen Jahre 1908 und 1909, die noch durch die wichtige Collage von 1912 "Tête de femme" ergänzt werden. Weitere Gemälde vertreten beispielhaft die Werkphase der um 1920 entstandenen abstrakten Stillleben und schließlich das spätere Werk, so dass ein umfassender Einblick in Picassos Malerei gegeben ist.

Besonders eindrucksvoll repräsentiert der Bestand der Druckgrafik Picassos Arbeit in allen künstlerischen Techniken. Das Museum zeigt die wichtigsten Blätter aller wichtigen Folgen und Mappenwerke, darunter der "Suite Vollard" (1930-1937), der Illustrationen zu "La Tauromaquia" (1959), die Folge der "347 Gravures" von 1968 sowie herausragende Einzelblätter wie "Le repas frugal" (1904) und "La Minotauromachie" aus dem Jahr 1935.

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Sprengels Picasso
Gemälde, Grafiken und Zeichnungen Pablo Picassos aus dem reichen Picasso-Konvolut des Sprengel Museum Hannover

Künstler:
Pablo Picasso

Kuratoren:
Ulrich Krempel