press release only in german

Wirklichkeitsbeschreibungen spielen heute in der medialen Öffentlichkeit als Dokumentarfilm, Dokufiction oder als künstlerische Praxis im Umgang mit der Realität eine dominierende Rolle. Immer wieder wird dabei auf die Funktion des Dokumentarischen hingewiesen, um einen vermeintlich authentischen und expliziten Zugang zu unserer Lebenswirklichkeit ableiten zu können.

Das Ausstellungsprojekt ‚Staging Documentary’ möchte die dabei offensichtlich werdende vielfältige Problematik der medialen Wiedergabe der Realität zum Ausgangspunkt einer Befragung nutzen, um die Spannungspunkte zwischen der Repräsentation des Wirklichen in der Kunst und der medialen Annäherung an die authentische Vermittlung des Realen zu illustrieren.

Im Zentrum des Projektes steht die Präsentation einer heterogenen Gruppe künstlerischer Arbeiten, die auf einer formalen Ebene Ähnlichkeiten aufweisen, indem sie Wirklichkeit fiktionalisieren und dokumentarische Vermittlungsinstanzen imitieren. Neben den vielfältigen inhaltlichen Ansätzen der Werke wird deutlich, dass die Spiegelung des Realen innerhalb der vorgestellten Arbeiten eine Konstante bildet, ohne dabei die offenkundige Distanz zwischen vermittelter und erlebter Wirklichkeit einholen zu wollen. Trotz dieser kritischen Bezugnahme auf dokumentarische Modelle der Vermittlung von Wirklichkeit gelingt es den Arbeiten gerade durch diese Spiegelung, gesellschaftliche Themen aufzugreifen und diese innerhalb eines reflexiven künstlerischen Wirkungsfeldes neu zu verhandeln.

Die offene Diskussion eines tatsächlich neutralen Zugangs des Dokumentarischen zu unserer Welterfahrung wird durch die künstlerische Bearbeitung von realen gesellschaftlichen Vorgängen bereits auf einer ersten Ebene neu bestimmt, da Kunst immer durch die subjektive Setzung eines Individuums entsteht und damit die Repräsentation von Wirklichkeit als Spiegel realer Vorgänge formuliert werden muss. Deutlich wird im Kontext der Ausstellung weiterhin, welche diskursiven Bezüge zu gesellschaftlichen Themen sich auch innerhalb einer vorgetäuschten Strategie des Dokumentarischen abbilden lassen und welches Instrumentarium die Kunst im Vergleich zu rein dokumentarischen Darstellungsformen als reflexives Medium der Wirklichkeitsbeschreibung anbietet. Als gestaltete Wirklichkeit einer jeweils eigenen Existenz ist das Kunstwerk immer schon fiktionalisierte Form der Weltbeschreibung, auch dort, wo es eine größtmögliche Nähe zu gesellschaftlichen Prozessen der Gegenwart postuliert.

Im Kontext dessen, was wir als Wirklichkeit medial vermittelt erfahren, legitimiert sich Kunst nicht über eine objektive Nachweisbarkeit des Dargestellten im Sinne der Funktion eines Dokumentes, sondern diese artikuliert ihre Qualität über die bewusst assoziative und subjektive Zugänglichkeit zu unserer Lebenswelt. In der künstlerischen Aufnahme dokumentarischer Motive wird die problematische Trennung zwischen Realität und Fiktion ohne BerührungsaÅNngste aufgehoben, um auf die Brüche zu verweisen, die zwischen der Repräsentation von Wirklichkeit und dieser selbst sichtbar werden. Damit postulieren die exemplarisch vorgestellten Arbeiten der Ausstellung ‚Staging Documentary’ einen kritischen Zugang zu der Frage nach den Spannungspunkten zwischen der Repräsentanz der Realität und dem vermeintlich unmittelbaren Zugriff auf Wirklichkeit, wie sie die Dokumentation anstrebt.

Die Arbeiten inszenieren dabei in einer vordergründig paradoxen Schleife eine Fiktionalisierung des Dokumentarischen und reagieren gerade mit dieser dynamischen Bewegung von Distanz und Annäherung an das Reale in besonderem Maße auf soziale, kulturelle und politische Entwicklungen, um diese kritisch zu kommentieren.

Alle eingeladenen Positionen verweisen auf das erkennbare Interesse an dem Spiel mit fiktionalen Modellen, die anhand von pseudo-dokumentarischen Inszenierungen aufgegriffen werden. Wie kann heute durch die Konstruktion von narrativen filmischen Arbeiten das Verhältnis von Realwelt, reiner Imagination und der Anschluss an dokumentarische Erzählformen innerhalb der Gegenwartskunst neu beleuchtet werden? Wie kann diese Verschränkung unterschiedlichster Präsentationsformen durch die Kunst eine Neubestimmung der Zugänge zu unserer zumeist vermittelten Weltwahrnehmung erreichen, ohne dabei dem Anspruch zu folgen, Welt als unmittelbare abzubilden? Inwiefern ermöglicht die hier präsente fiktionalisierte Form des dokumentarischen Stils einen kritischen Zugang zu dem, was wir als Wirklichkeit bezeichnen? Wie verändert sich mit dem Spiel dokumentarischer Formen das Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion? Welche Wirklichkeitsdarstellungen erachten wir als real, wo verläuft die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion und wie können diese beiden Bereiche argumentativ klar getrennt werden?

Im Zentrum steht dabei immer die Frage, wie eine vermeintliche Darstellung von Realität innerhalb einer kritischen künstlerischen Praxis zu einem diskursiven Dokument wird und damit jenseits der Darstellung von ‚Wirklichkeit’ einen neuen Aussagekontext formuliert.

Eröffnung: 12.05.2011, 19:00 Uhr Laufzeit: 13.05. bis 26.06.2011