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Die Kunsthalle Basel präsentiert die Gruppenausstellung Strange Comfort (Afforded by the Profession) mit Maria Thereza Alves, Michel Auder, Ross Birrell und David Harding, Cezary Bodzianowski, Latifa Echakhch, Paul Hendrikse, Dunja Herzog, Cécile Hummel, Nick Mauss, Charlotte Moth, Lorraine O’Grady, Giulia Piscitelli, Vanessa Safavi, Franco Vaccari, Danh Vo und Martin Wong.

Die Ausstellung wurde von Adam Szymczyk in Zusammenarbeit mit Annette Amberg und Roos Gortzak kuratiert, sowie von Salvatore Lacagnina, dem künstlerischen Leiter des Schweizerischen Instituts in Rom, co-kuratiert.

Eine Kurzgeschichte des britischen Schriftstellers Malcolm Lowry (1909-1957) mit dem Titel „Strange Comfort Afforded by the Profession“ (Seltsamer Trost, den der Beruf gewährt) inspirierte diese Ausstellung. Sie wurde erstmalig im Jahr 1953 in der Zeitschrift New World Writing veröffentlicht, 1954 auf Italienisch herausgegeben und schliesslich 1961 in die posthum erschienene Sammlung Hear Us O Lord From Heaven Thy Dwelling Place aufgenommen. Diese Ausgabe von Lowrys späten, lose verbundenen Prosastücken im Stil von Reiseberichten enthält eine Reihe der „italienischen“ Geschichten, die er 1948 nach einer Rom- und Neapelreise schrieb. Dazu gehören auch die Stücke „Elephant and Colosseum“ und „Present Estate of Pompeii“, wobei letztere die Beschreibung einer Führung durch die Ruinen von Pompeji enthält, an der ein kanadisches Paar teilnimmt. Der Titel der Sammlung selbst entstammt einem Fischerlied von der irischen Insel Man.

In „Strange Comfort Afforded by the Profession“ porträtiert Lowry einen Schriftsteller, der das Haus an der Piazza die Spagna in Rom besucht, in dem der englische Dichter John Keats 1821 an Tuberkulose starb. 1909 wurde es in eine Gedenkstätte umgewandelt und beherbergt seither eine herausragende Sammlung von Büchern und Dokumenten zur englischen Romantik, sowie verwandte Kuriositäten und Erinnerungsstücke – darunter auch die Totenmaske von Keats. Sigbjørn Wilderness, der Protagonist der Geschichte, ist „ein amerikanischer Autor mit einem Guggenheim Stipendium in Rom“ und deutlich Lowrys Alter Ego, wenn er die angenehme Dunkelheit des Keats-Shelley-Hauses erforscht, sich Notizen macht und über den dort ausgestellten Manuskripten, Reliquien und Artefakten grübelt. In Lowrys Geschichte entsteht der im Titel angesprochene „seltsame Trost“ durch die Betrachtung unbelebter Objekte und das Lesen von Briefen, Notizen und Dokumenten – Aktivitäten, welche die Technik des Schriftstellers und die Essenz seines Métiers ausmachen. Tatsächlich scheint dieses anhaltende private Studium, zu dem das permanente Sammeln und Infragestellen bestehenden kulturellen Materials gehört – seinerseits ein Gegenstück zum Konsumieren und Produzieren desselben – in der Praxis vieler zeitgenössischer Künstler nach zu klingen. Die Ausstellung in der Kunsthalle Basel bedient sich des „seltsamen Trosts“, der durch die Berufe des Künstlers, Kurators und Schriftstellers gleichermassen bereitet wird – wobei jeder vollkommen eigenständig ist. Sie setzt ihn nicht nur als Mittel zum Ausstellungsmachen, sondern als übergreifende Praxis des Einbindens, Kommentierens und Umformens von Wissen aus unterschiedlichen Bereichen ein, darunter Geschichte, Literatur und Kunst. Dementsprechend teilen die Künstler in dieser Ausstellung eine eigenwillige Herangehensweise an allgemein anerkannte Begriffe der Kulturgeschichte, die neue Interpretationsarten eröffnet und die kritische Neuerzählung konventioneller und akademischer Berichte möglich macht.

Eine Ausstellung mit demselben Titel wurde bereits am 8. Mai 2010 in Rom eröffnet. Sie fand im Schweizerischen Institut in der Via Ludovisi und dem Keats-Shelley-Haus an der Piazza di Spagna statt, sowie an weiteren Orten, die sich in Gehdistanz davon befinden. Dazu gehören das Buchantiquariat C.E. Rappaport in der Via Sistina, der Garten vor der Kirche St. Isidore in der Via degli Artisti, sowie ein etwas entfernter gelegener Ort von historischem Interesse: der nicht-katholische Friedhof in der Via Caio Cestio, wo Keats begraben liegt. Hier fand am Abend nach der Eröffnung die Aufführung der Komposition für Violine „Lift Me Up For I Am Dying“ von Ross Birrell statt. Die Ausstellung in Rom, die noch bis zum 25. September dauert, wurde ebenfalls von Adam Szymczyk und Salvatore Lacagnina kuratiert und präsentiert Arbeiten von Maria Thereza Alves, Ross Birrell und David Harding, Nancy Davenport, Moyra Davey, Jimmie Durham, Dunja Herzog, Cécile Hummel, Goshka Macuga, Franco Vaccari und Danh Vo.

Die Ausstellungen in Basel und Rom überschneiden sich zwar zeitlich und zeigen teilweise dieselben Künstler, auch tauchen in Basel Variationen von in Rom gezeigten Arbeiten auf (im Fall von Maria Thereza Alves werden gar dieselben zwei Filme in beiden Städten gezeigt), aber dennoch ist die Kunsthalle weder die zweite Station der Ausstellung nach Rom noch eine Folge davon. Vielmehr ergänzen sich die beiden Projekte und weisen gleichzeitig wichtige Unterschiede auf. In Rom wurde die Lesart der ausgestellten Arbeiten durch die historische Besonderheit der Schauplätze im Hinblick auf die bestehenden Erzählungen, die an die Kulturgeschichte der jeweiligen Orte gebunden waren, überbestimmt und durch die allgemeine sowohl historische als auch gegenwärtige Beschaffenheit Roms als eine Gesamtheit an touristischen Schauplätzen weiter konditioniert. Im Gegensatz dazu erstreckt sich die Ausstellung im Erdgeschoss der Kunsthalle Basel über eine Folge weisswandiger Galerien und die einheitliche Erscheinung der Räume wirkt der historischen und narrativen Dimension in vielen der gezeigten Arbeiten entgegen. Die Ausstellung ist vom Kontext, den sie in Rom hatte, abgelöst und die Kurzgeschichte, die ihr das Stichwort gab, ist nicht länger ihre bestimmende Referenz.

Aus dieser zeitlichen und geografischen Verschiebung resultieren neue Aspekte, die in der Basler Ausstellung erforscht werden: das vage Déjà vu, das sich aus der Tatsache ergeben mag, dass einige Künstler ihre Arbeiten gerade erst in Rom gezeigt haben, wird wohl dadurch noch verstärkt, dass auch zwei der Arbeiten (von Charlotte Moth und Latifa Echakhch) integriert wurden, die ursprünglich Teil von „After Architects“, der vorhergehenden Gruppenausstellung in der Kunsthalle Basel, waren. „Strange Comfort (Afforded by the Profession)“ versucht die festen Parameter einer Gruppenausstellung und die Regeln, die ihre Inszenierung bestimmen, zu hinterfragen. Auch wenn sie es den Künstlern zugesteht, Arbeiten zu zeigen, ohne sie in ein vorgefasstes Thema zu zwängen, kann die Ausstellung als Zusammenstellung von Richtlinien gesehen werden: ein institutionelles, organisatorisches, strukturelles und visuelles Regime, das seinen Teilnehmern – Machern und Betrachtern gleichermassen – den seltsamen Trost eines geführten Weges mit vielen Windungen und plötzlichen Abzweigungen bereitet. Ein Fragment der „Reise, die niemals endet“ (Lowry) und keine Auflösung kennt.

Die Ausstellung wurde realisiert in Zusammenarbeit mit: Istituto Svizzero di Roma.

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Strange Comfort
(Afforded by the Profession)

Künstler:
Maria Thereza Alves, Michel Auder, Ross Birrell & David Harding, Cezary Bodzianowski, Latifa Echakhch, Paul Hendrikse, Dunja Herzog, Cecile Hummel, Nick Mauss, Charlotte Moth, Lorraine O´Grady, Giulia Piscitelli, Vanessa Safavi, Franco Vaccari, Danh Vo, Martin Wong.