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Die Galerie Sprüth Magers in München rückt mit der Ausstellung “Thank You For The Music” das Thema Musik und ihre jüngere Geschichte in den Mittelpunkt.

“Thank You For The Music” begreift Musik- und Popkultur, deren Vermarktungsmechanismen sowie die Auflösung herkömmlicher CopyrightBeschränkungen als omnipräsente Inspirationsquellen künstlerischen Schaffens. “Thank You For The Music” geht von ihr als globalem Phänomen und festem Bestandteil heutiger Alltagsgserfahrung aus.

Die Ausstellung versucht anhand einer Auswahl von Arbeiten internationaler zeitgenössischer KünstlerInnen, FilmemacherInnen und MusikerInnen Musikkultur in einen breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Darüberhinaus werden ihre Einflüsse und Auswirkungen auf jugendkulturelle Bewegungen als ein Ausgangspunkt unterschiedlicher Abgrenzungs- und Zugehörigkeitsmechanismen verschiedener Avantgarden seit den 1960er Jahren aufgefasst.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung einer Reihe zeitgenössischer künstlerischer Strategien, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit jüngerer Musikgeschichte sowie den Überschneidungen von Musik, Klang- und Bildmedien auseinandersetzen.“Thank You For The Music” veranschaulicht im Sinne eines gegenwärtigen Ausschnitts wechselseitige Einflüsse von Musikkultur und der Praxis bildender Künstler ohne deren weitreichendes Schaffen kathegorisch dem Kontext Musik unterzuorden oder Schnittstellen von bildender Kunst und Musik klassifizieren zu wollen. Ausgansgmaterial sind die jeweiligen künstlerischen Arbeiten, der jeweilige Kontext sowie die damit einhergehende innere Erfahrung.

Die Ausstellung setzt historisch bei den gesellschaftlichen Hintergründen der 60er Jahre “Counter-Culture” Bewegung und der 70er Jahre Punk-Avantgarde an. “Thank You For The Music” greift die Werteketten dieser Epochen als diskursives Element auf und stellt ihnen Arbeiten einer damaligen und heutigen KünstlerInnen Generation gegenüber. Dan Graham weist darauf hin, dass wir “in einer Zeit, in der künstlerische Produktion zunehmend kalkulierter und zunehmend zynischer geworden ist, verstehen (...) dass es wenige künstlerische Ausdrucksformen gibt, die es erlauben das Transzendentale durch visuelle Bilder zu erforschen. In anderen Worten: Die Moderne ist sozusagen beinahe tot. Die Musik, der Rock (...) hat eine Funktion des Piktoralen in der Kunst auf der Suche nach dem Mystischen, dem Transzendentalen übernommen.” (1)

Der Frage nach der Authentizität des Originals sowie dem “recycling” des als authentisch Wahrgenommenen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Kontextverlagerungen verweisen auf ein in der bildenden Kunst allgegenwärtiges Phänomen: existierende kulturelle Information wird editiert, prozessiert, manipuliert und in einem neuen Kontext präsentiert. Wo liegen die Grenzen zwischen Original und Kopie jenseits herkömmlicher Copyrightbeschränkungen? Existieren sie überhaupt noch? Welcome to Copyland! Ehemalige Grenzverläufe erscheinen heute schwer wahrnehmbar geworden zu sein und liegen tief eingebettet in der Popkultur. Die Frage nach der Unterscheidung zwischen “Original” und “Kopie” scheint heute an Relevanz verloren zu haben. Dahingegen werden im Hinblick auf die Verkaufs- und Vertriebsrechte von Kunstwerken die Produktionskontexte, Besitzanspruchsregelungen und vor allem die Copyright-Bestimmungen zunehmend wichtiger. Weil die Produzenten einer künstlerischen Arbeiten aufgrund von Lizenz- und Vertragsvereinbarungen oft alleinberechtigt oder ebenso gleichberechtigt wie der Künstler sind diese am Markt zu plazieren und zu verkaufen, sehen sich viele Künstler in der Folge einer anhaltenden Entwicklung ausgesetzt, selbst die Haltung der Produzenten einnehmen zu müssen. Paradoxerweise sind dadurch für viele Gegenwartskünstler Copyright-Bestimmungen wichtiger geworden, als die künstlerische Autorenschaft selbst.

Gegen Mitte der 90er Jahre ist auch eine analytische Abgrenzung der ästhetischen Territorien zwischen Kunst, Klang und Musik per se hinfällig geworden. Die Montage und das Recycling vorhandener Kulturobjekte sind zum Ausgangspunkt für neue, künstlerische Produktionen geworden. Mit dem erneuten Einbruch der Popkultur in den Kunstbetrieb und damit auch der Übernahme der Popmusik ins Repertoire der Kunstproduktion entstand Mitte der 90er Jahre der Eindruck eines weitergreifenden Paradigmenwechsels: das Überlagern und Remixen verschiedener Stile und Gattungen selbst schien zur anerkannten Kulturtechnik geworden zu sein (2).

Betrachtet man das Spannungsfeld von Bildender Kunst und Musik innerhalb der letzten zehn Jahre, kann man von einer Art “Sampling-Kultur“ sprechen: existierende Bilder, Klänge und die dazugehörigen Diskurse werden von einer jüngeren Künstlergeneration verändert und zu neuen bildnerischen und musikalischen Formaten verarbeitet. Durch die technischen Möglichkeiten des computergenerierten “Renderings“ bereits existierenden Alltagsmaterials verändert sich Walter Benjamins gedankliches Modell zur technischen Reproduktion des Kunstwerks gegenwärtig in Richtung eines neuen Models der Postproduktion oder des “Field-Recordings“.

Der Titel “Thank You For The Music” ist an die gleichnamige, in der Ausstellung gezeigten Arbeit des finnischen Künstlers und Filmemachers Mika Taanila angelehnt, deren Thematik zu einem konzeptuellen Ausgangspunkt wird: Taanilas narrativ-fiktionale Dokumentation über die Muzak Cooperation befasst sich mit den historischen Ursprüngen des psychoakustischen Phänomens “Muzak”.

Muzak basiert auf einem Mitteltonfrequenz-Spektrum und unterliegt als unfreiwillige Sinneswahrnehmung einer ideologischen Kontrolle, um den Aufenthalt am Arbeitsplatz, in Flughäfen, in Shopping Malls und Aufzügen als angenehmer zu empfinden. Mitteltonfrequenzen scheinen heute zu einem uns alltäglich umgebenden Phänomen geworden zu sein. Originale werden zunehmend vereinfacht und den vorherrschenden Marktmechanismen angepasst. Bereits in den 30er Jahren liess die damals neugegründete Muzak Coorporation verlauten: “Muzak füllt die tödliche Stille”.

Der konzeptuelle Hintergrund der Ausstellung widersetzt sich der Frage nach starren Definitionen, Kathegorisierungen und Abgrenzungen. Auch ist “Thank You For The Music” nicht als Display aktueller Positionen zeitgenössicher Kunst, die sich auf das Thema “Klang” und “Musik” als kreatives Ausgangsmaterial beziehen, zu bewerten. Vielmehr wird versucht, Musikkultur und ihre Referenzpunkte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, diese zeitgenössischen Entwicklungen in der bildenden Kunst gegenüberzustellen und sie in einem von Gemeinsamkeiten ausgehenden Kontext zu präsentieren.

Pressetext

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Thank You For The Music
eine Ausstellung zu Schnittstellen von Kunst und Musik
Orte: Galerie Sprüth Magers, München Sprüth Magers Projekte, München
kuratiert von Johannes Fricke-Waldthausen

mit Saadane Afif, John Armleder, John Baldessari, Matthew Barney / Arto Lindsay, Pash Buzari, Bruce Conner, Sean Dack, Walter Dahn, Jeremy Deller, Thomas Demand, Simon English, Cerith Wyn Evans, Sylvie Fleury, Robert Frank, Liam Gillick / Philippe Parreno, Douglas Gordon, Dan Graham, Andreas Gursky, Stefan Hirsig, Christian Holstad, David Lamelas, Robert Mapplethorpe, Christian Marclay, David & Albert Maysles / Charlotte Zwerin, Jonas Mekas, Jonathan Monk, Simon Moretti, Paul Morrissey, Raymond Pettibon, Zbigniew Rogalski, Steven Shearer, Hedi Slimane, Thaddeus Strode, Mika Taanila, Wolfgang Tillmans, Rirkrit Tiravanija, Essi Utriainen, Banks Violette