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„Time Lines“ ist der Titel eines neuen Films von Runa Islam, der in der Ausstellung einen zentralen Platz einnimmt. Die 1970 in Bangladesh geborene und in London lebende Künstlerin, die auf der letzten Biennale in Venedig mit ihrer wunderbaren filmischen Projektion von zersplitterndem Porzellan auffiel, zeigt in diesem 17-minütigen Film Situationen, die wie Kapseln durch Zeit und Raum schwingen. Die teilweise kostümierte Szenerie ist hoch über einer modernen Stadt in utopisch-absurden, architektonisch fein gegliederten Stahltürmen angesiedelt, die als Start- und Haltepunkt für Seilbahnen dienen.

„Time Lines“ arbeitet mit Perspektivwechseln, Loops, Spiegelungen und dem Ineinanderschieben von Gegenwart und Vergangenheit, Modell und Realität. Die Kamerafahrten sind gefilmte Zeit- und Raumstrecken, die bruchlose Übergänge von Distanz und Nähe ermöglichen, Verbindungen von A nach B herstellen, die in den Himmel durchkreuzenden Linien der Stahlseile ein sprechendes, abstraktes Bild finden.

Viele Aspekte der facettenreichen Arbeit von Islam tauchen in den im Kunstverein ausgestellten Arbeiten auf. Ganz besonders teilen die hier versammelten Künstler das Interesse für Strukturen, in denen sich verschiedene Zeiten sammeln, teilweise auf unmögliche Art zusammenfallen. So schleicht sich bei Steven Claydon (1969, lebt in London) die Vergangenheit in die neuen Arbeiten des an Anthropologie, Geschichte, Politik und Popkultur interessierten Künstlers ein. Seine rätselhaften, farbig akzentuierten schwarz/weiß-Siebdrucke sind in kurzer Zeit enorm gealtert, seine Zeichnungen sind Verlängerungen von gefundenen Bildern in die Gegenwart. Silke Schatz’ (1967, lebt in Köln) beschäftigt sich generell mit Orten, die für ihre persönliche oder die politische Entwicklung unserer Gesellschaft eine besondere Rolle spielen. Ihre Arbeit als Ganzes ist wie ein Netz, in dem das eine das andere überlagert, und Beziehungen zwischen dem nahen Ich und der in größerer Distanz befindlichen Öffentlichkeit mit großer Präzision geknüpft werden. Sie entwickelt eine neue Arbeit speziell für die Ausstellung, ebenso wie Nairy Baghramian (1971, lebt in Berlin), deren referenzreiche Installationen auf die Kunst- und Wahrnehmungsgeschichte anspielen und Alltagsgestaltung ebenso wie mystische Elemente aufnehmen. Mit John Stezaker (1949, lebt in London) beteiligt sich ein Künstler an der Ausstellung, der in den 70er und 80er Jahren ein Archiv aufgebaut hat, mit dem er einen „time travel“ ermöglicht. Die gefundenen Fotografien, Porträts wie auch urbane Ansichten, verändert er in seinen Collagen auf fast surrealistische Weise – ein merkwürdiges Miteinander von Bildern aus unterschiedlichsten Bereichen, das eine große Faszination ausübt. Gego (*1912 in Hamburg – 1994 in Caracas) hat ein experimentelles, grafisch orientiertes Werk geschaffen, das in fragiler Balance Spuren konstruktivistischer bis konzeptueller Erfahrungen aufweist. Auch hier findet sich ein netzartiges Lineament, in dem sich jede Art von linearer Zeitauffassung auflöst.

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Time Lines
Kurator: Rita Kersting

Künstler: Nairy Baghramian, Steven Claydon, Gego , Runa Islam, Silke Schatz, John Stezaker