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Du glückliches Österreich …. Schaffe! Lange schien die österreichische Kunstszene, die ja im Wesentlichen eine Wiener ist, im Schatten anderer großer europäischer Zentren wie London und Berlin zu stehen. So jedoch, frei von jedem überzogenen Hype, konnten die KünstlerInnen in diesem Land in aller Ruhe Werkideen entwickeln, deren individuelle künstlerische Stärken zurzeit eindrucksvoll durch eine Figur wie Hans Schabus repräsentiert werden. Man denke an seine große Werkserie »Das Rendezvousproblem«, 2004 im Kunsthaus Bregenz, oder, aktuell auf der Biennale in Venedig, »Das letzte Land«.

Jenseits einer falsch verstandenen Gruppenzugehörigkeit zeichnet sich sein Werk durch ein spezifisches Material- und Raumverständnis aus, das im weitesten Sinne auch im Schaffen der KünstlerInnen dieser Ausstellung – Marko Lulic, Dorit Margreiter, Nicole Six & Paul Petritsch sowie Gregor Ziviç – erkennbar wird. Ihre Arbeiten entwickeln sich aus einer stark persönlich gefärbten Recherche nach einem Raum, der die emotionale Grundkonstruktion für die realen und medialen Versatzstücke aus skulpturalen, architektonischen und narrativen Bild- und Raumfragmenten bildet.

Unabhängig von aktuellen Kunsttendenzen, die sich stärker an sozialen Handlungen und gesellschaftspolitischen Problematiken orientieren, entwickeln die KünstlerInnen ihre individuellen Erfahrungen als eine sehr subjektive künstlerische Auseinandersetzung mit sich und den Konditionen des Raums. Das künstlerische Klima ähnelt in gewisser Weise den Arbeiten des Regisseurs David Lynch, dessen Film »Wild at Heart« (1990) dieser Ausstellung den Titel verliehen hat. Gemeint ist hier jene ästhetische Mischung aus konzeptioneller Coolness und unberechenbarer, gebrochener Wildheit, die es dieser Generation der Dreißig- bis Vierzigjährigen ermöglicht, bildmächtige Werke zu schaffen, in denen der Betrachter durch den Spiegel des Anderen die Doppelbödigkeit von Nähe und Distanz, von Aufgehobensein und Unbehaustheit physisch und psychisch erfährt.

Die Ausstellung »Tu Felix Austria ....Wild at Heart« führt vier Hauptwerke neuerer Produktion der KünstlerInnen zusammen. Es sind vier eigenständige, kraftvolle Statements, die – wie in der Ausstellung »Remind ...« im Kunsthaus Bregenz – dennoch künstlerisch einen ähnlichen thematischen Grundton anschlagen. Jeder Künstler kann sein Werk in jeweils einem Stockwerk des Kunsthauses präsentieren. Im Erdgeschoss Marko Lulic mit seiner kritischen Huldigung einer allmählich verblassenden Erinnerung an die Architekturmoderne; im 1. Obergeschoss Dorit Margreiter mit ihrer raumfilmischen Rekonstruktion inszenierter Erinnerung; im 2. Obergeschoss Gregor Ziviç mit seinem Raum- Bild-Kosmos privater Obsession; und im 3. Obergeschoss Nicole Six & Paul Petritsch mit ihrer körperfilmischen experimentellen Raumvermessung Zumthor’scher Architektur. Es ist ein schillernder Parcours emotionaler und architektonischer Brechungen.

Marko Lulic geb. 1972 in Wien, in Lika, Kroatien, und Wien aufgewachsen, lebt und arbeitet in Wien.

Marko Lulic rekonstruiert in unterschiedlichen Materialien modernistische Denkmäler und untersucht im Medium Video utopische Momente der Moderne. Sein Interesse gilt dem Verhältnis von Form und Ideologie sowie der Frage, welche Relevanz diesen noch zukommt.

Lulic House No. 1 (Weekend Utopia), 2005 Der Künstler stellt ein Haus als Skulptur im erweiterten Sinn aus, das eine Fortführung seiner Beschäftigung mit der Moderne darstellt. So wie sich seine Objekte der letzten Jahre auf modernistische Denkmäler und Architektur bezogen haben, ist auch die Arbeit »Lulic House No. 1 (Weekend Utopia)« ein konkreter Verweis, in diesem Fall auf Albert Freys House No. 1, Palm Springs, 1940. Die Arbeit wird nach der Ausstellung vom Künstler als Haus an der kroatischen Adriaküste aufgestellt werden. Die Arbeit stellt eine Weiterentwicklung in Lulics Werk dar, die auf seiner bisherigen Auseinandersetzung mit Form und Ideologie aufbaut. Ebenso bezieht sie sich auf den Ausstellungsort, die Prägung Vorarlbergs durch Architektur und auf die Tradition von Künstlerhäusern in der jüngeren Kunstgeschichte.

Dorit Margreiter geb. 1967 in Wien, lebt derzeit in Wien und in Los Angeles.

Dorit Margreiter thematisiert in ihrer Arbeit den durch das Medium Film und die Kamera geprägten Blick auf Architektur und vice versa die durch reale und fiktive Bauten geprägte Erscheinung im Film. Inwieweit handelt es sich bei »Filmarchitektur«, selbst bei realen Sets, um Fiktion, welche Botschaften werden mittels der Auswahl von Schauplätzen und Architektur vermittelt, und inwieweit steuern Gebäude den Blick der Kamera und die Wahrnehmung der BetrachterInnnen?

Grandeur et Décadence d’un Petit Commerce de Cinéma, 2004 Installation,16-mm-Projektion, DVD-Projektion; Farbe, Ton. »Die für die Liverpool Biennale entstandene Film- und Videoprojektion ›Grandeur et Décadence d’un Petit Commerce de Cinéma‹, ein Titel, der auf Godard verweist, reflektiert die Rolle Liverpools als Standort der britischen Filmindustrie, insbesondere als ›Backdrop‹ für Historienfilme, die in anderen Städten wie Dublin und Rom spielen. Promio, der Kameramann (der sog. ›opérateur‹) der Lumière-Brüder, tritt als fiktive Ich-Erzählerin […] auf: Auf dem Weg nach Dublin in Liverpool gelandet, berichtet sie über ihre Reisen in alle Welt, so u. a. auch nach Sankt Petersburg, Athen etc., wo sie den sog. Cinématographen, eine mobile Einheit aus Kamera, Entwickler und Vorführgerät, zum Einsatz bringen sollte. […] Margreiter nimmt den Zwischenstopp Promios zum Anlass, um ihrerseits jene Stadtteile von Liverpool zu dokumentieren, die schon einmal als Filmset für andere Städte gedient haben. Zu sehen in einer Rückprojektion korrespondieren die Aufnahmen mit der per Video dokumentierten Einrichtung eines Filmsets für eine Szene, die 1897 spielt, in genau dem Jahr, in dem Promio nach Dublin reisen sollte. Die verschiedenen Schauplätze hingegen sind mit 16 mm gefilmt.« Ausschnitt aus: Sabeth Buchmann, »Augen auf die Welt«, in: Dorit Margreiter. 10104 Angelo View Drive, S. 29. Hg. von Matthias Michalka, MUMOK,Wien, 2004

Gregor Zivić geb. 1965 in Wien, lebt und arbeitet in Wien.

Gregor Zivić baut eine komplexe, die Grenzen von Malerei, Installation, Architektur, Performance, Fotografie und Video verschränkende und überwindende »Welt«, in der er selbst als Protagonist auftritt und seine Erkundungsreisen und Abenteuer mittels Video und großformatiger Fotografie festhält. In seinen aufwändigen »Architekturskulpturen« vermischen sich Fiktion und Realität, unterschiedliche Raumperspektiven, Farb- und Materialräume, Autobiografisches und Elemente aus Traum und Sciencefiction. Während Gregor Zivić bisher zumeist nur mit fotografischen Arbeiten in Erscheinung trat, realisiert er für das Kunsthaus Bregenz eine umfassende Rauminstallation, welche die BesucherInnen visuell in seine Welt eintreten lässt.

Bob’s Pistol Building, Come Out and Find In, 2004/05 Bestehend aus: Video auf DVD, 4:07 Min., geloopt, Titel: »Bob’s Pistol Building«, 2004/05, Kamera und Schnitt: Georg Schenk und Stephanie Ortner »Pistol Building«: verschiedene Materialien, ca. 6 m lang, 2 m breit, 3,2 m hoch Tribüne: ca. 5 m lang,1,8 m breit,1,4 m hoch Holzrippenkonstruktion: ca. 4 m lang, 4 m breit, 3,8 m hoch Videoschacht: 8 m lang, 4 m breit, 3 m hoch Großfoto auf Plane gedruckt: 4,2 x 9 m Video auf Monitor in »Bob’s Pistol Building«: »Bob«, 2005; Kamera: Christine Hauptstummer Zudem eine freistehende modulare Holzrahmenrasterkonstruktion mit ca. 50 Fotografien

Nicole Six & Paul Petritsch Nicole Six, geb. 1971 in Vöcklabruck; Paul Petritsch, geb. 1968 in Friesach. Zusammenarbeit seit 1997, leben und arbeiten in Wien.

Nicole Six & Paul Petritsch beschäftigen sich seit Jahren mit der menschlichen Raumerfahrung. Zumeist gehen sie von vorgefundenen alltäglichen Situationen aus und durchmessen und erproben diese durch einfache Handlungen und Eingriffe, die sie mittels Video und Foto dokumentieren. Dabei werden existenzielle physikalische, physische und emotionale Grundstrukturen des Seins offen gelegt. Die scheinbar absurden banalen Versuchsanordnungen bilden poetische und eindringliche Parabeln der Conditio humana – thematisieren die Ausgesetztheit des Menschen im Raum, Enge und Weite, Grenzen und Begrenztheit, das der Schwerkraft Unterworfensein, die Angst vor dem Fall, die Sinnhaftigkeit von »Arbeit« und »Tun«.

»... Verunsicherung, Bodenlosigkeit und Schwindelgefühl zeigen sich vor allem in und an Räumen, denen Randmarken und Koordinaten fehlen. Sie zeigen sich aber auch in Situationen, in denen menschliches Handeln und Wahrnehmen einem Scheitern oder zumindest einer heiklen Ernsthaftigkeit ausgesetzt sind. Six/Petritsch versetzen sich – und damit auch die BetrachterInnen im Nachvollzug – in solche Extremlagen ... » Auszug aus: Thomas Trummer, »Gefährdung, Entzug und grundloses Aushalten. Zur Kunst von Nicole Six und Paul Petritsch«, 2005.

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Tu Felix Austria....Wild at Heart
Marko Lulic, Dorit Margreiter, Nicole Six / Paul Petritsch, Gregor Zivic