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Kunstwerke sind phänomenal, historisch unwirksam, praktisch folgenlos. Das ist ihre Größe. Gottfried Benn, 1925

Ich sehe nicht ein, dass Malen und Denken einen unüberbrückbaren Gegensatz ergeben sollen. Jean Hélion, 1939

Es geht mir um die unmerklichen Verschiebungen zwischen der fotografierten Wirklichkeit und dem Gefühl der Irrealität dieser Wirklichkeit. Jacques Monory, 1969

Jahreszahlen sind Zufall und bleiben es, wie fortlaufende Nummern auf Kartoffelsäcken. Sie sagen nichts über den Inhalt aus, allenfalls etwas über das Alter. „68“ ist auch nach vierzig Jahren ein Reizwort geblieben in der politisch-gesellschaftlichen Debatte, kaum allerdings im Kunstdiskurs.

Anlass für einen subjektiven Blick auf einige Kunst-Positionen jener Zeit. Die von der Galerie Eva Poll zusammen mit der Kunststiftung Poll in Berlin konzipierte Ausstellung will die unterschiedlichen Ansätze der Mitte der 60er Jahre in Paris und Berlin agierenden Künstler aufzeigen, deren direkter Zugriff auf die Realität damals wie heute für viele als ein Ärgernis empfunden wird – für Künstler damals wie heute eine überlebens- notwendige Reaktion.

Kunst hat ein Recht auf Gegner und ist, weil sie Kommunikation ist, immer auch eminent politisch. Gleichwohl waren die Künstler vor 40 Jahren nicht Vordenker einer Revolte, sie haben auch die Künste nicht neu erfunden. Aber – und das zeigt auch diese kleine Zusammenstellung – Kunst kann, mit Horst Bredekamp formuliert, weit nach außen wirken, wenn sie radikal bei sich bleibt und sich auch nicht abdrängen lässt weder in Kampfzonen noch in Freiräume.

In Paris waren es vornehmlich Künstler von außerhalb (wie Mailand, Madrid), die nach Stil und inhaltlicher Ausrichtung der Narrativen Figuration nahestanden (wie man in Frankreich, zunächst verharmlosend, den Kritischen Realismus bezeichnete); die Auseinandersetzung mit Marcel Duchamp begann hier, z.B. in der Gemeinschaftsarbeit Aillaud, Arroyo, Recalcati über Leben und Sterbenlassen oder: Das tragische Ende von Marcel Duchamp, als die gesellschaftlichen Spannungen zunahmen und das kulturelle Klima sich zusehends politisierte, dann aber einen gesellschaftskritischen Realismus auf der Grundlage von Pop Art und Fotografie entwickelten. Ähnlich in Berlin, hier aber sehr viel stärker orientiert am Realismus der Zwanziger Jahre (George Grosz oder Otto Dix), am Menschenbild in Trauer und Protest.

Gezeigt werden Arbeiten aus den Jahren 1966 bis 1972 von Gilles Aillaud, Eduardo Arroyo, Ulrich Baehr, Paolo Baratella, Vlassis Caniaris, Rafael Canogar, Equipo Crónica, Erro, Peter Klasen, Jacques Monory, Wolfgang Petrick, Peter Sorge, Wolf Vostell u.a.

Aus der Distanz zeigt sich, dass Ende der 60er Jahre weder Schmuck und Dekor noch Politik den Kern künstlerischer Inspiration bildeten, sondern die Ästhetik und die Bildstrategien der Massenmedien und der neuen Kinowelten. Parallel zu diesem Blick auf die Vielfalt künstlerischer Arbeitsweisen in der Galerie der Kunststiftung „Großes Kino, kleines Kino. 1.968 Bilder“ mit FilmStills und Fotografien von und mit Hanns Zischler. All senses must get into the act – mit Happenings und sit ins setzte die Protestbewegung von 1968 vorrangig auf performative Mittel. Der Aktivismus hat für das Sehen und die Spontanität des Auges sensibilisiert. Diese Mediencollagen wiederum bildeten dann oft auch die Vorlagen, die von den Künstlern des kritischen Realismus als Arbeitsmittel benutzt worden sind. Ob 1968 tatsächlich ein Epochenjahr war wie 1933, 1945 oder 1989 wird sich noch zeigen. Es war in jedem Fall eine Zeit der Öffnungen, der Aufbrüche. Vieles war gleichzeitig möglich geworden, besonders in der Kunst. Heinz Ohff hatte das damals euphorisch mit „pluralistisch“ beschrieben. Fragen nach der Wirksamkeit von Avantgarden wurden gestellt, den ästhetischen Betrieb störende Haltungen hervorgehoben. Es gab Reibeflächen, Kritiker, die diesen Namen noch verdienten, Museumsleute, Kunsthistoriker, die einigen Dingen auf den Grund gingen. Damals begannen wir mit der Galeriegründung auch unser Abenteuer mit der Kunst.

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Um 1968
Berlin – Mailand – Paris
25 Positionen
Malerei Grafik Skulptur
17. Mai – 31. Juli 2008
Eröffnung: 16. Mai, 19 Uhr
Galerie Eva Poll

Künstler: Gilles Aillaud, Eduardo Arroyo, Ulrich Baehr, Paolo Baratella, Vlassis Caniaris, Rafael Canogar, Equipo Cronica , Erró , Peter Klasen, Jacques Monory, Wolfgang Petrick, Peter Sorge, Wolf Vostell

Großes Kino, kleines Kino
1.968 Bilder
Stills und Fotografien
von und mit Hanns Zischler
24. Mai – 31. Juli 2008
Eröffnung: 23. Mai, 19 Uhr
Kunststiftung Poll in Berlin