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Das Museum ordnet, sammelt, bündelt, reflektiert und schließt aus. Es schafft sich Bezugssysteme und baut daraus Kartografien einer lesbaren Welt. Im Sinne ihrer erzieherischen Gründungsidee, klärt das Museum auf und bildet aufgrund von Fakten und Bezügen eine Deutung des eigenen Seins in der Bedingtheit der Umgebung. Das Museum wie auch jede Ausstellung mit den darin enthaltenen Dingen, formt sich damit zu einem reduzierten Abbild der Welt, wird zum Katalysator eines möglichen Verständnisses und zum Offenbarer abstrahierter Wirklichkeiten, die insbesondere in der zeitgenössischen Kunst im Sinne Foucaults in einer doppelten „Raum-Zeit-Gebundenheit“ stehen und sowohl in der Anordnung wie auch werkimmanent in einer zeit- und institutionsgeschichtlichen Auseinandersetzung zu sehen sind. Gerade in jüngerer Zeit haben Künstler/innen diese Aufgabe des Wissensspeichers immer wieder kritisch hinterfragt, auf seine Ausschließlichkeit und Ausschließbarkeit hin untersucht und haben museales Sammeln als eigene künstlerische Strategie erkundet.

Seit Urzeiten haben Menschen den Versuch unternommen, die verwirrende Mannigfaltigkeit und Gleichzeitigkeit ihre Eindrücke, Beobachtungen und Gefühle zu ordnen, ihnen eine beständige Form und Systematik zu geben. Die ältesten menschlichen Ordnungsartefakte sind Tierknochen, die regelmäßige, rhythmische Ritzungen und sogenannte Zählsteine, die gleichmäßig aufgetragene, ockerfarbene Punkte aufweisen. So wurden Dinge gesammelt, bearbeitet und nach einem bestimmten Muster archiviert, um sie dem Vergehen der Zeit zu entziehen. Das Ziel war unter anderem, die Welt um sich herum in ihrer verwirrenden und überfordernden Komplexität besser zu verstehen und zu durchschauen und im besten Falle weiterzuvermitteln und über die eigene Lebenszeit hinaus gelten und bestehen zu lassen. Das Ziel der Ordnungsprinzipien war also Wissen darzulegen und übergeordnete Erkenntnis zu schaffen: Erkenntnis darüber, wie die Welt funktioniert, funktioniert hat und mit logischer Konsequenz und größtmöglicher Sicherheit funktionieren wird.

Mit dem Entwerfen oder Erfinden einer Ordnung wird jedoch gleichzeitig eine Aussage mit erzeugt, wie die Welt ist und wie sie nicht ist. Jeder Versuch, ein Ordnungssystem zu entwerfen, hat also ontologische Implikationen. Er begründet eine Sichtweise beziehungsweise ein Weltbild. Genau hier liegt der Punkt, an dem Bilder für die Konstruktion von Ordnungen und für die Erzeugung einer Ontologie eine zentrale oder entscheidende Rolle spielen. Bilder sind Weltbilder, indem sie durch ihre spezifische Konstruktion Weltverhältnisse erzeugen, hervorbringen und sichtbar machen. Kunstwerke, welche Ordnungen herstellen oder systematische Strukturen entwickeln, erzeugen ein geordnetes Bild von der Welt.

In diesem Sinne befragt die Ausstellung die Art und Weise, wie zeitgenössische Kunst Ordnungssysteme entwirft und legt einen Fokus auf den Akt des Vermessens. Dieser kartografische Prozess, der zum reduzierten Abbild von Verbindungen und Sinnzusammenhängen führt, gilt als Sinnbild und als der Spiegel der menschlichen Gehirnstruktur mit dem zur Diskussion gestelltem Ziel einer übergeordneten Wissensstruktur. Damit wird letztendlich auch die Frage nach einer Differenz zwischen wissenschaftlichen Wissensordnungen und künstlerischen Wissensordnungen zum verdeckten Thema der Ausstellung. Künstlerische Systematisierung trachtet nämlich hauptsächlich danach, eine ästhetische Erfahrung ordnender Querverbindungen zu ermöglichen, sodass einerseits die Welt, wie sie sich den Künstlern und Künstlerinnen in ihren Arbeiten darstellt, besser verstanden werden kann, und andererseits das Selbst, das Teil der Welt ist, wichtige Aspekte seiner persönlichen, sozialen und kulturellen Identität erwirbt

In den Arbeiten der unterschiedlichen Künstler/innen werden Zusammenhänge an der eigenen Bedingtheit des Körpers, des Materials, der Zeit, des Raumes und auch einer ästhetischen Erfahrung ge- und vermessen. In einem Zeitrahmen von den späten 1960er Jahren bis heute tun sich für den Raum der Ausstellung wiederum Bezüge auf, die rückwärtsschauend und in sich ganze Kosmen auflisten und sich sowohl wissenschafts- wie auch kultur- und kunstgeschichtlich bedingen.