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Eröffnung mit Performance: am Samstag, 18. März 2017 um 18 Uhr
galerie michaela stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien

VERONIKA MERKLEIN | DIE HARD
“...the last thing [Merklein] wants is to be a heroine, but [she] doesn’t have a choice.” (Die Hard)

Das Schaffen der jungen Performance-Künstlerin Veronika Merklein ist stark persönlich konnotiert und trägt eine mutige intermediale Botschaft „So wie ich bin, bin ich nicht totzukriegen.“
In ihrer Ausstellung „DIE HARD“ erzählt sie eine Geschichte über die asymmetrischen Machtverhältnisse, in der der Mensch in seinem sozialen Umfeld nur auf seinen Körper und sein Aussehen reduziert wird. Die Ursachen dafür liegen tief in unserer Gesellschaftsstruktur verborgen, wobei die zwischenmenschlichen Objektifizierungsmuster oft von Machtinstanzen vorgegeben und beeinflusst werden. Laut dem französischen Gesellschaftstheoretiker Michel Foucault wird das menschliche Verhalten in der spätkapitalistischen Gesellschaft nach verschiedenen Prinzipien und in verschiedenen Formen von der Regierung gesteuert. Der Begriff der ‚Regierung’ bezieht sich bei Foucault jedoch nicht auf die staatliche Regierungsmacht, sondern auf die Führung von Menschen im Sinne ihrer Lenkung, Kontrolle und Leitung. Neben diesen verinnerlichten Machtausübungen und den gesellschaftlich kommunizierten Erwartungen, darf man die Kraft der Medien nicht unterschätzen. So entwickelt ein Individuum auch durch die Medien eine Rollenidentität, ein imaginäres Bild von sich selbst, wie es aussehen und sich in sozialen Situationen verhalten soll.

In den Werken “DIE HARD“ und „DIE HARDER“ identifiziert sich Veronika Merklein mit dem Actionheld Bruce Willis, der im Actionfilm Stirb langsam als Polizist John McClane in Einzelgängermanier seinen aussichtslosen Kampf gegen gefährliche Terroristen gewinnt. Die Künstlerin setzt sich mit einer Heldin in ihrem tagtäglichen Engagement gegen Vorurteile und Stereotype gegenüber übergewichtigen Menschen gleich. Pommes und Ketchup spiegeln tief verwurzelte Klischee-Bilder laut denen sich die Übergewichtigen ausschließlich ungesund ernähren und nur Fastfood konsumieren. Ihre inneren Verletzungen werden nach außen getragen, diese sind in Form der großen ketchup-roten Flecken auf dem weißen T-Shirt zu sehen. Auf eigene Rechnung, aber fein und scharfsinnig, verspottet sie ungebildete, schmiegsame Menschen, die sich irreführen und unter Parolen von Supermarktketten (wie aktuell die „Eatkarus“-Werbung von Edeka), Großkonzernen, Ärzten, Ernährungs- und Schönheitsberatern auf Kosten von Selbstbewusstsein und Identität unterwerfen lassen. Ständig von anderen nur aufgrund des eigenen Körpers verurteilt werden, ruft ein auferlegtes Schuldgefühl hervor. Deswegen verkriecht sich der unsichere Mensch beim Essen wie ein Verbrecher. Essen als kriminelle Handlung thematisiert Merklein in der Arbeit „Ohne Titel“. Dabei stützt sie sich formal auf Cindy Sherman`s Fotografie-Serie Untitled Film Stills. Merkleins großformatige Fotografie zeigt dieselbe Narration und Reaktion auf etwas außerhalb des Bildes. Dies reflektiert den Blick, die Körperbewegung, das Kellerlicht und die theatrale Charakterisierung der Dargestellten, wobei der Schwerpunkt mehr in der Charakterisierung, als in der Handlung selbst liegt. Der Betrachter kann eine gewisse Demaskierung der Frau (in den amerikanischen Kriminalfilmen der 40er Jahre) vermuten, Befreiung und Emanzipation aus gesellschaftlichen Zwängen und geltenden Normen. Wie im Film Noir erscheinen hier zwei lasterhafte Antihelden. In zynischer Weise essen sie den ganzen Salat weg und trinken das ganze Wasser aus.

Ihre einzelgängerische Anderssein-Geschichte rundet die Künstlerin mit einer Performance ab, in der sie sich mit Freakshows und dem Motiv der Fat Lady auseinandersetzt. Sie verbindet die Figur der einmal schönen und „normalen“ Cleopatra aus Ted Brownings Film Freaks, die von den anderen verstümmelt wird und jetzt einer Ente ähnelnd in einer Box als eine Kuriosität in Sideshows gezeigt wird, um andere nur scheinbar normale Menschen unterzuhalten mit der Figur der zu bestaunenden Fat Lady jedweder Sideshow, die stets im Superlativ als „heaviest female alive“ - fat & pretty hochsexualisiert angepriesen wird. Mit dem Begriff des Schautriebes setzte sich der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan in seinem Seminar Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse auseinander und entwickelte sein Schema über das Auge und den Blick. Er formulierte teilweise Freuds Theorie um, nach deren das Organ Auge sowohl Befriedigung der Schaulust als auch der Wahrnehmung von den lebenswichtigen Veränderungen in der Außenwelt dient. Nach Lacan spaltet sich das Subjekt im Feld des Sehens aufgrund der Differenzierung von zwei verschiedenen Funktionen des Sehens, einer des Auges und anderer des Blickes, aber es wird gleichzeitig in demselben Feld realisiert.
Der Blick bezeichnet die Schaulust als sexuell bedingten Trieb und das Auge das ichkonforme Sehen. Im Blick spiegelt sich für das Subjekt bedrohendes Begehren des Anderen. Hinter den verschiedenen körperlichen Erscheinungen versteckt, sind wir in erster Linie angeschaute Wesen, die durch den Schautrieb der Anderen aus unserem Umfeld als das Tableau definiert werden.
Um diesen Blick, die Andersartigkeit, diese Schaulust des Anderen herauszufordern, ruht sich die Künstlerin auf einer tiefgelegten Plattform in ihrer kreierten Welt eines dispositiven „Schlaraffenlandes“ aus und fordert von dem Betrachter Verständnis statt Urteil über die Andersartigkeit ab.
Mag. Jelena Grabovac