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Opening days during the festivities of the Berlin Biennial 2-5 June 2016, 11 a.m.- 8 p.m.

WELT AM DRAHT ist der Titel der ersten Präsentation in der neuen temporären Dependance der JULIA STOSCHEK COLLECTION in Berlin. Die JULIA STOSCHEK COLLECTION widmet sich in dieser Ausstellung medienbasierten Werken, die sich mit den Einflüssen und Veränderungen auf unsere gesellschaftliche Realität, Identität und Umwelt seit der Digitalisierung auseinandersetzen.

In 38 Hauptwerken von 20 internationalen Künstlern aus dem Bestand der JULIA STOSCHEK COLLECTION, angefangen von raumgreifenden Videoinstallationen, skulpturalen Arbeiten, einer Performance, einer monumentalen Echtzeitsimulation bis hin zu einer eigens für die Ausstellung produzierten Arbeit des Künstlerkollektivs K-HOLE veranschaulicht diese Ausstellung eine völlig neue künstlerische Formensprache, die erst durch die Digitalisierung ermöglicht wird.

WELT AM DRAHT leitet sich ab vom gleichnamigen zweiteiligen Fernsehfilm aus dem Jahre 1973 des deutschen Filmemachers Rainer Werner Fassbinder (geboren 1945 in Bad Wörishofen, gestorben 1982 in München). Die Handlung des Films ist wiederum nach der Romanvorlage SIMULACRON 3 (dt. Ausgabe WELT AM DRAHT, 1965) des amerikanischen Autors Daniel F. Galoye aus dem Jahr 1964 entstanden.

Am Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung wird nichts dem Zufall überlassen. Angeblich zu Forschungszwecken wird von einem privaten Unternehmen mit Hilfe eines Großrechners eine computeranimierte Welt eingerichtet, in der sich wirtschaftliche und soziale Entwicklungen simulieren lassen, um Prognosen und damit Handlungsentscheidungen treffen zu können. Dieser Großrechner namens Simulacron 1 ist in der Lage, einen Ausschnitt der Realität mitsamt ihren Bewohnern perfekt zu simulieren. Die simulierten Personen haben zwar ein eigenes Bewusstsein, jedoch keine Ahnung, dass sie nur Teil einer virtuellen Realität sind.

Eine der zentralen Arbeiten in der Ausstellung ist die Echtzeitsimulation von Ian Cheng (geboren 1984 Los Angeles, lebt und arbeitet in New York) aus dem Jahre 2015. Sein künstlerisches Werk beschäftigt sich vor allem mit dem Evolutionsprozess in Bezug auf den Menschen, der Wesensart von Mutationen und der damit zusammenhängenden Fähigkeit des Menschen, sich an äußere Bedingungen anzupassen. Die virtuell animierten Echtzeitsimulationen, die im 3-D-Videogame-Design entstehen, dienen Cheng dazu, mikroskopisch wesentliche Mechanismen des komplexen und über Jahrtausende andauernden Evolutionsprozesses für den Rezipient erfahrbar zu machen.
Dabei begreift der Künstler seine Echtzeitsimulationen als „neurologische Gymnastik“, die dem Betrachter an die Erfahrung des fortwährenden Wandels sowie an Zustände der Verwirrung, Beklemmung und der kognitiven Dissonanz gewöhnen sollen. Künstler wie Britta Thie oder das Künstlerkollektiv K-HOLE nutzen in ihren Werken die Bilder der Werbung als primäre Sprache. Konsum- und Produkterfahrung in kapitalistischen Gesellschaften werden zum Subjekt der Kunst.

Jon Rafman, Wu Tsang, Hannah Black und Hito Steyerl hingegen thematisieren die Zerrissenheit in der digitalen Kultur und Subkultur von Online-Communities. Ein weiterer Aspekt der Ausstellung ist die Definition von Sterblichkeit, die besonders in den zwei Videoinstallationen A MINUTE AGO und PALISADES IN PALISADES von 2014 der 1986 geborenen US-amerikanischen Künstlerin Rachel Rose (lebt und arbeitet in New York) als zentrales Motiv erörtert wird. Die Schauplätze und Sujets ihrer Videoarbeiten reichen vom Glass House von Philip Johnson bis hin zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und Darstellungen von Parkgestaltung im 19. Jahrhundert. Die Erzählungen provozieren einen Déjà-vu-Effekt, überlagern sich gegenseitig und offenbaren verschiedene Sichtweisen auf den Tod.

Die Werke der Präsentation vereint ein kritischer Impuls, der die Frage nach Limitierung und Legitimierung der digitalen Technik stellt.

Künstler der Ausstellung:
Ed Atkins, Neïl Beloufa, Hannah Black, Ian Cheng, Loretta Fahrenholz, Cao Fei, Melanie Gilligan, Camille Henrot, Juliana Huxtable, K-HOLE, Josh Kline, Helen Marten, Jon Rafman, Rachel Rose, Timur Si-Qin, Frances Stark, Hito Steyerl, Britta Thie, Wu Tsang, Amir Yatziv