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Galerie Nagel Draxler
Weydingerstr. 2/4
10178 Berlin

Abdulnasser Gharem "Smart Obedience / Kluger Gehorsam"

12.09.2020—01.11.2020 Eröffnung: Freitag, 11. Sept., 12–21 Uhr

Die Galerie Nagel Draxler Berlin freut sich Smart Obedience / Kluger Gehorsam, unsere erste Einzelausstellung mit dem saudischen Künstler Abdulnasser Gharem anzukündigen.

Abdulnasser Gharem gilt als einer der führenden zeitgenössischen Künstler Saudi-Arabiens. Geboren 1973 in der Nähe von Khamis Mushait im Süden Saudi-Arabiens, war Gharem einst Oberstleutnant in der saudi-arabischen Armee. In den 1990er Jahren verbrachte er seine freie Zeit im Künstlerdorf Al-Meftaha, wo er sich von der traditionellen Malerei entfernte und sich hin zu einer performancebasierten und konzeptuellen Praxis entwickelte. Heute nimmt Gharems sozialkritisches Werk eher subtile Formen der Kritik an, um einem repressiven System nicht in die Hände zu spielen.

In seiner Arbeit The Safe bezieht sich Gharem auf die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul im Jahr 2018. The Safe besteht aus einer zellenartigen Installation mit gepolsterten Wänden, die an psychiatrische Kliniken erinnern. Auf einem Seziertisch liegen Gummistempel und an der Wand hängt das großformatige “Gemälde” Smart Obedience, das die saudische Flagge in verschiedenen Grautönen zeigt. Für Gharem sind Stempel nicht nur Gegenstand, sondern auch Material und Werkstoff seiner Arbeiten. Seine Gemälde bestehen aus unzähligen Gummistempeln, die Gharem in Buchstaben und Zahlen zerlegt und aus ihnen versteckte und zumeist spiegelverkehrte Botschaften formt. Die eierschalenfarbene Markise, ist ein direktes visuelles Zitat der Eingangstür der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul. Sie wurde durch die mediale Berichterstattung zu einem wiedererkennbaren Objekt, das mit dem brutalen Mord an Jamal Khashoogi in Verbindung steht.

Die beiden Werke Hospitable Thinking und Personal Holocaust zeigen Landkarten. Sie sind Blicke von oben auf das, was Abdulnasser Gharem als die arabische Welt bezeichnet, und auf eine Nahaufnahme von Israel und Palästina, die Assoziationen zu einem der längsten andauernden und umstrittensten Konflikte der Welt weckt. In Hospitable Thinking fügt Gharem einen unvollständigen gelben Bogen hinzu, der einen goldenen Regenbogen andeutet. Dieselbe Farbe verwendet er, um Jerusalem hervorzuheben. In die Komposition sind 26 Zitate eingebettet, die aus Stempeln bestehen und spiegelverkehrte Botschaften ergeben. Unter dem gestrichelten Tunnel zwischen Gaza und dem Westjordanland, der Teil von Donald Trumps aktuellen “Peace to Prosperity”-Plan ist, zitiert Gharem Thomas Hobbes Satz „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. Die Struktur von Gesellschaft, aber auch die Legitimation von Regierungen sind zentrale Themen beider neuer Werke.

Prosperity Without Growth II kann als eine allgemeine Reflexion über kulturelle Identität und ihr zugrunde liegende Traditionen verstanden werden. Sowohl die Struktur als auch das Motiv sind Reminiszenzen an das byzantinische Mosaik. Gharem konfrontiert typische Elemente wie Ornament, Goldgrund oder Heiligenschein mit dem dreifachen Porträt eines unbekannten männlichen arabischen Modells. Es ist die Kombination des für Maria typischen blau-roten Gewandes mit einem Turban oder einem Kufiya, welche es vermögen, unterschiedliche Kleidungstraditionen und damit Repräsentationen von Identität zu verhandeln. Die vielschichtige Materialität des Gemäldes birgt auch hier Zitate in englischer und arabischer Sprache wie: “Epistemic Disobedience”, “Enlightenment cannot be imposed, it is derived from tradition and moved by intellectuals”.

Abdulnasser Gharem lebt und arbeitet in Riad, Saudi-Arabien, wo er neue künstlerische Talente mit seinem Projekt Gharem Studio fördert. Gharem wurde in der Zeitschrift Rolling Stone als “Rockstar” der zeitgenössischen Kunst Saudi-Arabiens gefeiert. Gharem hat bereits in Europa, den Golfstaaten und in den USA ausgestellt, unter anderem im Gropius-Bau Berlin, im LACMA, im British Museum, im Victoria and Albert Museum sowie auf den Biennalen von Venedig, Sharjah und Berlin.