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Zwischen Amok und Koma

Jürgen Grewe ist Maler. Seine Malerei ist Plakat, seine Plakate sind Filme. Filme, die besser sind, weil sie gar nicht erst gedreht werden müssen. Sie drehen sich von selbst beim Betrachten seiner Bilder. Sie haben keinen Anfang und kein Ende, sie suggerieren nur ein beunruhigendes, unaufhörliches „Mittendrin“. Denn wir sind schon inside. Und wir wissen auch nicht, was wir dagegen tun sollen. Wir wühlen uns ständig selbst Tag für Tag durch diese Art von Bildern. Sie begegnen uns überall, sie verfolgen uns und springen uns an. Sie sind vorgefertigt und erprobt, zugeschnitten und angepaßt auf eine scheinbar universelle Sprache und einen absolut realen Reiz. Sie sind perfekte synthetische Teilchen, aufregende Visuals einer konstruierten und funktionalisierten Wirklichkeit. An dieser Stelle setzt der Realismus Grewe´s an. Er destilliert aus diversen Bildarchiven, Fashionheftchen und Lifestylemagazinen die Standardjungs und Mädels raus, und gruppiert sie (samt ihrer Posen, Gesten, Blicke) zu imaginären Freundeskreisen, zu naiven Teeniecliquen, die in jugendlicher Aufbruchstimmung innehalten und verklärt auf ihre Chance warten. Und warten. Und warten. Sie scheinen konzentriert zu sein, voller Unschuld, und bereit für das ganz große Erlebnis. Und Grewe gibt es ihnen. Er greift sich typische Motivfragmente aus dem Mainstream heraus und türmt sie auf zu kristallinen Scherbenhaufen und hochdramatisierten Bilderbergen. Im heroischen Stil klassischer Filmplakatkunst entwirft er kühne Seifenopern und malt verführerische Popikonen einer drauflosdonnernden Durchschnittlichkeit. Er legt das schnelle Leben in die Hände von Normalos und beschreibt so das StarSpektakel als Billigtraum von Jedermann. Doch die auf den ersten Blick noch eindeutigen Klischee-Collagen sind so gebaut, daß sich alle Akteure (auch die Betrachter) im assoziativen Unterholz verlaufen. Hier gibt es keine Richtung mehr, die Spuren der bekannten Abziehbilder führen in eine erzählerische Leere. Man befindet sich in einem Eye-Catch-Labyrinth aus dem es viele Wege, aber keinen Ausweg gibt. Alle eventuellen Handlungsstränge, die sich aus dem Storyboard ergeben, werden vom Künstler wieder abgeschnitten, aufgehoben oder ins Surreale umgelenkt. Die formale Schichtung dieser Nichtgeschichten ergibt sich in den Bildern vor allem durch „lesbare“ Fokuswechsel von realem Maßstab, malerischer Güte und farblicher Intensität. Folgt man diesen komponierten Tracks und Tricks, landet man wieder da, wo man sowieso schon ist: In einer zum fortschrittlichen Lebensstil weich aufgebauschten Orientierungslosigkeit, die viele Versprechungen macht und keine davon hält. Man ist umstellt. Von einer aufreizenden Dynamik, die sich als wiederholbare und austauschbare Endlosschleife des Banalen entpuppt. Diese Schleifen haben tausend Namen. Jürgen Grewe nennt sie meistens „Untitled“.

Ingo Gerken

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adventures close to home
Jürgen Grewe
Malerei
Konzept, Organisation: Monique Förster, Dirk Teschner