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Ai Weiwei ist in den vergangenen zehn Jahren zu einer globalen Ikone des Widerstandes gegen politische Willkürherrschaft und eine autoritär auftretende Staatsgewalt geworden. Die Rolle als künstlerisches Weltgewissen, in die er vor allem von seinen Interpreten gedrängt wurde, hat zwar seine Popularität enorm gesteigert, aber gleichzeitig den Blick zu einem wichtigen Teil seiner künstlerischen Arbeit verstellt. Denn Ai Weiwei ist eben nicht nur der Kämpfer für Meinungsfreiheit und einen ungehinderten Zugang zu neuen Medien, sondern auch ein sardonischer und subversiver Kritiker der Zeitläufte und ironischer Kommentator des Kunstbetriebes. „Wir haben keinen gebrochenen Mann vor uns, sondern eine starke Persönlichkeit, die allen Widrigkeiten immer wieder mit Humor begegnet,“ hat Christoph Amend vor kurzem in der ZEIT geschrieben.

Die Ausstellung legt daher den Schwerpunkt auf spielerische und dekonstruktive Aspekte, in denen der Künstler demonstriert, dass die Unversöhntheit mit dem Hier und Jetzt und die Selbstverpflichtung auf eine politische Haltung nicht in einer thesenhaften Rhetorik enden müssen.

Die Photos, mit denen Ai Weiwei zwischen 1983-1993 sein Leben in New York dokumentierte, lesen sich wie eine visuelle Autobiographie. Ai Weiwei lernte Allen Ginsberg kennen, den grossen Autor der Beat Generation und Kämpfer gegen politische und wirtschaftliche Repressionen. Er teilte Wohnung und Leben mit anderen jungen Intellektuellen und Künstlern aus China. Die witzig und intelligent inszenierten Fotografien sind immer auch Selbstporträts. Und sie sind Anhaltspunkte zur Entwicklung seiner künstlerischen Praxis, seinen Referenzen und seinem Denken.

Die Foto-Serie „Study of Perspective“, die im Zeitraum von 1995 bis 2010 entstanden ist, bringt den hintergründigen, hier auch derben Humor von Ai Weiwei am besten zum Ausdruck: Mit der Kamera in der rechten Hand und dem erhobenen Mittelfinger der Linken, werden verschiedene Hintergründe anvisiert. Vom Tiananmen-Platz bis zum Weissen Haus, vom Reichstag in Berlin bis zu einer entlegenen Landschaft in der Inneren Mongolei. Der Künstler zeigt der Welt den digitus impudicus; er fordert sie heraus und hält sie gleichzeitig auf Distanz, at arm`s length, wie der Amerikaner sagen würde. „Alles, was ich mache,“ so Ai Weiwei, „hat damit zu tun, wie wir unseren menschlichen Zustand mithilfe der heutigen Sprache und unseren heutigen Möglichkeiten interpretieren.“

Wenn Ai Weiwei im Jahr 2009 ´mit versteckter Kamera` eine Gruppe aus dem New Yorker MOMA in seinem Atelier filmt, dann wird ein ganz bestimmtes Soziotop in seinen Selbstdarstellungsformen und kommunikativen Praktiken schmunzelnd vorgeführt.

Das interaktive „Moon“- Projekt, gemeinsam mit Olafur Eliasson entwickelt, gibt den Galeriebesuchern die Möglichkeit, ihre Einschreibungen auf einer digitalen Abbildung des Mondes zu hinterlassen, also sich persönlich ein Stück des Mondes zu sichern – eine künstlerische Versuchsanordnung, die bereits Zehntausende zum ´collective mark-makingverführt hat und die ludische Komponente im Werk von Ai Weiwei betont. Das Spiel als ´heiliger Ernst, ganz im Sinne von Johan Huizinga und als intuitive Form der Weltaneignung.