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Gegenwärtig kann für den Bereich der nicht-gegenständlichen Kunst eine Tendenz konstatiert werden, traditionelle Medienformate zu verlassen oder sie, wenn dies nicht geschieht, sie grundsätzlich zu hinterfragen, ihre Integrität und historische Gültigkeit zu beleuchten. Umso erstaunlicher ist es, dass Alexander Lieck, der eigentlich nicht ausschließlich Maler ist, sondern auch mit Skulpturen und Rauminzenierungen überzeugt, für seine zweite Einzelausstellung in der Galerie Michael Wiesehöfer einen deutlichen Akzent auf das Staffelleibild legt. Sein Festhalten an dem altertümlichen und hartnäckig materiellen Medium des gemalten Einzelbildes mit seinen Korrekturen, Unvollkommenheiten und geradezu vermurksten Flächen aus Farbe impliziert wohl letztlich einen konservativen Widerstand gegen den Vormarsch der Abstraktion als Abbild vergleichbar abstrakter ökonomischer Vorgänge. Schließlich wird eine bestimmte Art der Abstraktion in der Tradition von Robert Ryman oder Yves Klein nicht ohne Grund auch als Zynismus verstanden.

Alexander Lieck verweigert sich dieser Reflexion auf die Matrix der quantitativen Vergleichbarkeit, die längst die Matrix des geometrisch-gegenständlichen Raums ersetzt hat. Anders gesagt, er malt keine Geldäquivalente, deren homogenes Erscheinungsbild sie auch dann als schematisierten Tauschwert kenntlich machen, wenn sie genau darauf reflektieren. Alexander Lieck ist zu intelligent, sich auf dieses Spiel einzulassen, das sowieso nie die logische Konsequenz zieht, über das Visuelle hinauszugehen und sich in der Abstraktion reiner Ratio zu verlieren. Stattdessen steht jede seiner Leinwände für eine singuläre, subjektive Wahl aus dem Bereich des Möglichen.

In diesem Sinne sind Liecks Bilder auch Vertreter des Scheiterns, haben Kleckse und Farbschlieren, scheinen oft halbfertig und scheuen manchmal sogar vor der Abstraktion selber. Sie sind deshalb von Bedeutung, weil sie nicht begrifflich vorgehen, sondern latent ‚magisch’ sind. Sie leisten Widerstand gegen die Sprache als Medium und bringen doch in jedem Bild ein anderes Argument. Sie vereinen Individuelles mit Universellen, Farben und Linien, Äußerlich- und Innerlichkeit. Jedes ein partikulares Bild mit individuellem Code. Sie konstruieren Wahrheiten, die für jeden Betrachter andere sein können, weil sie sich nicht auf eine allgemeine Realität beziehen.

Dass das bei Lieck mit einem Gefühl für subtilen Humor geschieht, zeigt sich bei den latent gegenständlichen Bildern wie auch bei der Titel gebenden Skulptur, die aus dem Schaufenster heraus ein wenig in die nur mit Bildern bestrittene Ausstellung im Hauptraum ragt. Hier sieht man dann die gepinselten Malschichten der minimalistisch anmutenden Winkelfigur ‚Russisches Billard’, die Erfahrung von Farbe auf ziemlich kleinem Raum möglich macht. Offensiv wird hier gegen die ihrer Form entsprechende Diktum der industriellen Oberfläche agitiert und dem Erhabenen, das alle Abstraktion stets umspielt, mit Witz begegnet.

Susanne Prinz

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Alexander Lieck
RUSSISCHES BILLARD