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Die Arbeit von Alice Creischer lässt sich nur schwer anhand einer Rollenzuschreibung definieren, denn die Künstlerin arbeitet in verschiedenen Gruppenkontexten mit unterschiedlicher Besetzung oder realisiert eigene Ausstellungen, schreibt aber auch für Kunstzeitschriften wie "Texte zur Kunst" und "springerin". Zentrales Thema ihrer künstlerischen und theoretischen Arbeiten ist die Sichtbarmachung von Prozessen und Machinationen in der Politik und Wirtschaft und deren Kultur. Creischer wählt dazu meist einen realen historischen Bezugspunkt und bettet diesen in eine neue und frei gewählte Erzählung ein.

Alice Creischer zeigt in der Galerie "The Greatest Happiness Principle Party", eine zur Ausstellung eingefrorene Inszenierung. Die Party spielt in der Secession - früher bekannt für ihre Künstlerfeste - in einer Epoche, in der viele Institutionen ihren zwar nur vermeintlichen, aber immerhin behaupteten autonomen Raum als Veranstaltungsorte von Firmen- oder Parteienfesten und sogar Gipfeltreffen verfügbar machen. Die Zeit ist hier allerdings rückversetzt auf das Jahr 1931: Die Österreichische Creditanstalt nutzt die Räumlichkeiten der Secession als Location für eine Party. Es ist eine Party ohne große Konflikte oder ungewöhliche Vorkommnisse. Man erfährt jedoch, dass jene Bank, die eine der wichtigsten internationalen Drehscheiben für die Spekulationen in den Balkan war, kurz vor einem Bankrott steht. Dieser Bankrott 1931 löste die zweite große Weltwirtschaftskrise aus.

Anlässlich der Party haben sich die ersten Gäste bereits versammelt; einige scheinen in eine Art Selbstgespräch versunken zu sein - dies zeigt sich in diversen Versuchsanordnungen und Formeln, die dem utilitaristischen Glückseligkeitskalkül einer Gesellschaft als ‚Fabric of Felicity' geschuldet sind, wie der Philosoph Jeremy Bentham sie entworfen hatte. Dieser selbst bildet im Kostüm des Zauberers eine der zentralen Personen des Ensembles.

Der rückwärtige Raum der Installation wurde zur Garderobe umgewidmet. Die Garderobenszene dieses Raums konterkariert die Party, indem das Personal eine ‚militante Untersuchung' über den Untergang der Creditanstalt und dessen Folgen einleitet. Eine Folge dieses Bankrotts sind die Europastrategien des deutschen Kapitals, deren Finanz- und Entwicklungstechnologie als Vorbild für den Aufbau und die Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) diente. Im aktuellen Bezug der europäischen Südosteuropapolitik verschränken sich der Rationalisierungsterror der Aufklärung mit dem Terror der Umwandlung von Existenz in Wert, wie sie die Expansionen der marktwirtschaftlichen Machtapparate verbreiten.

"The Greatest Happiness Principle Party" zeigt insgesamt sieben lebensgroße Holzsilhouetten gekleidet in verschiedene Kostüme, sowie Textilien, Zeichnungen und eine Videoarbeit.

PUBLIKATION Der Katalog zur Ausstellung wird, neben einem Interview von Helmut Draxler mit Alice Creischer, auch das von Alice Creischer zusammengestellte Theaterstück "The Greatest Happiness Principle Party" enthalten.

ALICE CREISCHER The Greatest Happiness Principle Party 32 Seiten, 6 Farbabbildungen, 4 s/w-Abbildungen Texte und Interview: Alice Creischer, Helmut Draxler Matthias Herrmann, Andreas Siekmann Secession 2001, ISBN 3-901926-35-6

BIOGRAFIE Alice Creischer, geboren 1960, lebt und arbeitet in Berlin. Ausstellungen und Projekte (Auswahl): (2000) "Dinge, die wir nicht verstehen", Generali Foundation, Wien; "Gouvernementalität", Alte Kestner Gesellschaft, Hannover; "Sidewalks", Künstlerhaus Bremen; (1999) "How is Your Work Going", Galerie Christian Nagel, Köln; (1998) "Supermarkt", Shedhalle, Zürich, "Mach doch heute Lobby", Kunstbüro Wien. Alice Creischer arbeitet seit Beginn der 90er Jahre in verschiedenen Gruppenkontexten, seit 1994 publiziert sie in Zeitschriften wie "springerin", "Texte zur Kunst" und "ANYP".

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